Ermittlungen nach antisemitischem Vorfall dauern an

Antisemitischer Anschlag in Berlin
Foto: Paul Zinken/ Berlin
An der Straßenecke Lychener Straße/Raumerstraße in Berlin wurden nach Angaben der Polizei am Dienstagabend zwei Kippa tragende Männer antisemitisch beschimpft und attackiert.
Ermittlungen nach antisemitischem Vorfall dauern an
Tragen der Kippa war laut Beteiligtem ein Experiment
Die Attacke auf zwei Kippa tragende Männer in Berlin vom Dienstagabend sorgt weiter für Empörung.

Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann (SPD) sagte am Donnerstag, wer die Zugehörigkeit des Judentums zu Deutschland nicht akzeptiere, habe "hier nichts verloren". Der Antisemitismusbeauftragte der Berliner Jüdischen Gemeinde, Sigmount Königsberg, verlangte von Politik und Justiz ein deutliches Signal an die mutmaßlichen Täter. Am Dienstagabend waren zwei 21 und 24 Jahre alte Männer im Stadtteil Prenzlauer Berg aus einer dreiköpfigen Gruppe heraus angegriffen worden, weil sie die jüdische Kopfbedeckung trugen. Die Ermittlungen der Polizei dazu dauern an.

Von der mutmaßlich antisemitischen Attacke gibt es ein Handyvideo eines der Opfer. Darin ist zu sehen, wie einer der mutmaßlichen Täter mit einem Gürtel auf den Filmenden einschlägt und ihn wiederholt als "Yahudi" (Arabisch für "Jude") bezeichnet.

Zum ersten Mal Kippa getragen

Nach Aussagen eines der Betroffenen war das Tragen der religiösen Kopfbedeckung dabei eine Art Experiment. Wie der 21-jährige junge Israeli namens Adam der Deutschen Welle sagte, sei er selbst keine Jude. Er habe die Kippa getragen, nachdem ihm Freunde in Israel gesagt hätten, es sei gefährlich, sie öffentlich in deutschen Straßen zu zeigen. Er habe eigentlich zeigen wollen, dass es nicht gefährlich sei. Es sei das erste Mal gewesen, dass er die traditionelle jüdische Kopfbedeckung getragen habe, erklärte der junge Mann weiter.

Einige Medien, darunter auch der Evangelische Pressedienst (epd), hatten am Mittwoch zunächst berichtet, dass es sich um einen Angriff auf zwei Juden gehandelt habe. Später wurde dies durch die Interviewaussagen des Opfers korrigiert.

Von rund 50 Menschen nur eine Frau eingeschritten

Ein Sprecher der Berliner Polizei sagte am Donnerstag zum aktuellen Ermittlungsstand, die Identität der mutmaßlichen Täter sei weiter ungeklärt. Die Ermittlungen dauerten an. Bereits am Mittwoch seien die beiden Opfer der Attacke und Zeugen befragt worden. Die Auswertung der Erkenntnisse aus den Befragungen sei noch nicht abgeschlossen.

Der Israeli Adam sagte weiter, das Schlimmste sei für ihn gewesen, dass sich bei der Attacke viele Menschen in seinem Umfeld aufgehalten hätten, ihm aber niemand zu Hilfe gekommen sei. Von rund 50 Menschen sei nur eine Frau eingeschritten. Dies sei "enttäuschend" gewesen, betonte der 21-Jährige. Laut "Bild"-Zeitung war der 21-Jährige vor rund einem Monat nach Berlin gezogen. Zuvor hatte er drei Jahre in Hannover Tiermedizin studiert.

Der Antisemitismusbeauftragte der Berliner Jüdischen Gemeinde, Königsberg, sagte dem epd, ein Dialog mit den mutmaßlichen Tätern sei nicht mehr möglich: "Wer so voller Hass ist und so aggressiv Menschen bedroht, stellt sich selbst außerhalb der Rechtsordnung dieses Landes." Da helfe nur eine "scharfe Grenze zu setzen", um die freiheitlich-demokratische Grundordnung und die liberale Gesellschaft in Deutschland zu verteidigen.

Bundestagsvizepräsident Oppermann beklagte in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Donnerstag), der Angriff sei "ein gravierender Vorfall und leider kein Einzelfall". Der Gefahr eines durch Zuwanderung erstarkenden Antisemitismus müsse die gleiche hohe Aufmerksamkeit zuteil werden, wie dem bestehenden Antisemitismus in Deutschland. Einheimische müssten genau wie Einwanderer die Rechte Andersgläubiger respektieren.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte bereits am Mittwoch am Rande der Konferenz der ostdeutschen Ministerpräsidenten im sachsen-anhaltischen Bad Schmiedeberg unterstrichen, gegen Antisemitismus - egal welcher Herkunft - müsse mit "aller Härte und Entschlossenheit" vorgegangen werden.