TV-Tipp: "Entdecke die Mandy in dir" (Sat.1)

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TV-Tipp: "Entdecke die Mandy in dir" (Sat.1)
10.4., Sat.1, 20.15 Uhr: "Entdecke die Mandy in dir"
Ähnlich wie die ARD beim Freitagsfilm liegt Sat.1 mit seinen Titeln gern mal daneben. Im Vergleich zu vielen Verirrungen ist "Entdecke die Mandy in dir" geradezu brillant, zumal die Aufforderung keinerlei Häme enthält. Die Komödie erzählt eine Aschenputtelgeschichte und braucht dafür nur einen Schnitt: Mandy Mutschke (Anna Fischer) aus dem Berliner Plattenbau macht ihren Traum wahr und wird Teil der New Yorker Designerwelt.

Jahre später kehrt sie als Mia Milana anlässlich einer Modewoche mit ihrer Mentorin Agnes van Beuyten (Nadja Auermann) nach Berlin zurück. Weil die fiese Chefin ahnt, dass die junge Frau zu einer ernsthaften Konkurrentin werden könnte, gibt sie Mias aufsehenerregende Entwürfe als eigene Ideen aus und sorgt dafür, dass die Kollegin keinen Zutritt mehr zur Modenschau erhält. Frustriert und gedemütigt muss Mia, nun wieder Mandy, in ihre "Platte" zurück. Mehrere zunächst vielversprechende Anläufe, doch noch irgendwie mit einer über Nacht entworfenen eigenen Kollektion an der Show teilnehmen zu können, scheitern an Agnes’ intriganter Bosheit. Es dauert eine Weile, bis die junge Designerin mit Hilfe ihrer alten Freunde erkennt, dass sie zu ihren Wurzeln stehen muss: nicht Mia, sondern Mandy ist der Schlüssel zum Erfolg.

Jan Markus Linhof, der für Sat.1 schon die amüsante Komödie "Super-Dad" (2015) gedreht hat, muss bei der Umsetzung dieser schönen Geschichte nicht mal ein besonderes Tempo vorlegen, um sie kurzweilig zu erzählen. Es gibt zwar auch Momente wie jenen, als die unverkennbar provinzielle Mandy das New Yorker Geschäft von Agnes betritt und es nach einem Schnitt wie ein Star verlässt, aber ansonsten nehmen sich die Autorinnen Johanna Rubinroth und Eva Strasser bei ihrem ersten verfilmten Drehbuch genauso viel Zeit, wie die Handlung braucht. Dass der Film funktioniert, ist jedoch vor allem seiner Haltung gegenüber den Figuren zu verdanken. Natürlich sind die von der fiesen Star-Designerin repräsentierten Modeleute die Bösen, aber das macht die anderen nicht automatisch liebenswert. Klugerweise haben die Autorinnen darauf verzichtet, Mandys Mitmenschen romantisch zu überhöhen. Nach dem offenbar frühen Tod ihrer Mutter, einer Schneiderin, ist das Mädchen bei seiner Großmutter aufgewachsen, doch Oma Sylvi empfängt die Enkelin nicht gerade mit offenen Armen; kein Wunder, schließlich hat sie zehn Jahre lang nichts von sich hören lassen. Gitta Schweighöfer hat sichtlich Spaß an der Rolle dieser Frau, die sich schminkt und kleidet wie eine 15-Jährige, Mandy erst mal kühl abblitzen lässt und sie dann zur Arbeit in ihrem mit gleich mehreren Apostrophs versehenen "Bulettenparadies" nötigt.

Weil "Entdecke die Mandy in dir" nicht nur eine Erfolgs-, sondern auch eine Liebesgeschichte ist, gibt es noch Leo, Mandys früheren Freund. Er hat ihr damals sogar einen Antrag gemacht, aber dann hat sie Panik bekommen und ist abgehauen. Steve Windolf verkörpert den Mechaniker mit dem Kuschelblick fast ein bisschen zu knuffig für ein Leben in der Platte(gedreht wurde in Gropiusstadt, aber der Schauplatz könnte auch Marzahn oder Neukölln sein). Da sein Berliner Dialekt außerdem etwas unecht klingt, wirken Leos Kumpel Dennis (Eko Fresh spielte schon in Linhofs Neo-Serie "Blockbustaz" mit) und Mandys ehemalige beste Freundin Jolene (Carol Schuler) deutlich authentischer.  Das Quartett war einst unzertrennlich, und da man früh ahnt, wer Jolenes neunjährige Tochter Jenny gezeugt hat, ist vor dem Beginn des letzten Akts alles am Ende: Mit einem letzten Trumpf zerschmettert Agnes sämtliche Hoffnungen Mias, sich doch noch irgendwie in die Fashion-Show zu mogeln; und das Beziehungsfeuer zwischen ihr und Leo, kaum neu entfacht, scheint schon wieder erloschen. Mindestens so viel Spaß wie die ohnehin stets sehenswerte Anna Fischer machen die Mädels an Mias Seite, Jolenes ältere Tochter Cheyenne und ihre Freundin Rehana (allein die Auswahl der diversen Namen wird den Autorinnen eine besondere Freude gemacht haben). Die beiden geben auf YouTube Styling- und Fashiontipps ("Titten raus") und sind derart liebevoll gezeichnete Parodien prolliger Teenagermädchen, dass die Szenen mit ihnen zu den schönsten des Films gehören, zumal Cosima Henman und Sulaika Lindemann das fabelhaft spielen; Cosima, Tochter des Regisseurs Granz Henman, gehört zum Ensemble der RTL-Serie "Der Lehrer" und spielt dort eine ähnliche Rolle ähnlich gut. Gerade an Cheyenne und Rehana zeigt sich die Haltung des Films: Die Mädchen sind zwar immer wieder unfreiwillig komisch, aber keine Witzfiguren, weil die jungen Schauspielerinnen sie mit großem Ernst verkörpern; und natürlich haben die Mädels und ihre "Getto-Power" großen Anteil an Mandys Rettung. Mit Ausnahme der als "blonde Giraffe" geschmähten bösen Agnes offenbaren auch die sonstigen Figuren andere Seiten. Selbst die ständig meckernde Oma hat in Wahrheit ein gutes Herz.

Zu den vielen schönen Drehbuchideen gehört unter anderem eine unnötige Rettungstat, als Leo seine Ex-Freundin nach ihrer Rückkehr vorm vermeintlichen Sprung vom Dach des Wohnblocks bewahrt. Die Szene wird sich gegen Ende wiederholen, nun aber mit anderer Rollenverteilung, und ist ein gutes Beispiel dafür, wie dieser äußerst vergnügliche Gute-Laune-Film funktioniert: Es gibt viele Gags, die ihre Wirkung auf Anhieb entfalten; aber einige arbeiten auch mit Langzeiteffekt.