Ärger um Vertrag für Islam-Institut

Vorlesung an der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität
Foto: epd-bild / Rolf Zöllner
Vorlesung an der Theologischen Fakultät der Humboldt-Universität.
Ärger um Vertrag für Islam-Institut
Im Wintersemester 2019/20 könnte das Studium der muslimischen Theologie in Berlin losgehen. Doch nicht alle beteiligten Islam-Verbände wollen den Vetrag unterschreiben. Liberale Muslime hoffen zudem noch immer, dass sie einbezogen werden.

Zumindest ist der Vertrag für das geplante Islam-Institut an der Humboldt-Universität unterschriftsreif und soll zum ersten April 2018 unter Dach und Fach sein. Ein Gebäude gibt es für die neue akademische Einrichtung Berlins zwar noch nicht, aber klar ist, dass die islamische Theologie Unterschlupf bei der philosophischen Fakultät finden soll.

"Obwohl es seitens der Philosophen Vorbehalte gab, ob denn Theologie überhaupt eine akademische Geisteswissenschaft sei", verrät Michael Borgolte, Gründungsbeauftragter des Instituts für Islamische Theologie an der Berliner Humboldt-Universität.

Geeinigt hat man sich bis jetzt auf vier Professuren: islamische Textwissenschaft, Philosophie, Recht und Religionspädagogik. Weiter hat Borgolte beim Bundesforschungsministerium einen Antrag auf zwei Forschungsprofessuren für islamische Ideengeschichte von 1200 bis 1800 sowie zu vergleichender Theologie in islamischer Perspektive gestellt.  Herauskommen sollen qualifizierte und vor allem deutschsprechende Imame und Religionslehrer. Denn meist werden diese Stellen bislang mit Theologen aus dem Ausland besetzt. Bekanntestes Beispiel sind etwa die türkischen Prediger in den über 900 Moscheevereinen der Ditib. Mit dem neuen Institut wäre Berlin der sechste Standort in Deutschland, an dem islamische Theologie an der Universität gelehrt wird. Hier will man aber als Beitrag zur innerislamischen Pluralität neue akademische Wege beschreiten.

"Das tun wir, indem wir zum ersten Mal Muslime sunnitischen und schiitischen Glaubens vereinen. Die künftig berufenen Hochschullehrerinnen und -lehrer sollen vergleichend arbeiten", sagt Michael Borgolte. An evangelischen Fakultäten ist eine solche Vermischung der Konfessionen allerdings unüblich. In der Dogmatik wird zwischen lutherischen und reformierten Lehrstühlen unterschieden.

Hilfe bekommt der Gründungsbeauftragte Borgolte vom Göttinger Staats- und Kirchenrechtler Hans Michael Heinig. Der ist gegen "ein Honorar im üblichen Rahmen" der einzige Experte und Berater im ganzen Verfahren gewesen. Man sei auf den Göttinger Kollegen aktiv zugegangen und habe keine Empfehlungen seitens der anderen deutschen Uni-Standorte erhalten, an denen bereits Islamische Theologie gelehrt wird, heißt es laut Pressestelle der Berliner Humboldt-Universität. Heinig gilt als Koryphäe auf seinem Gebiet und ist gleichzeitig auch Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der EKD. Nimmt die EKD demnach Einfluss auf das Zustandekommen der Islamischen Theologie in Berlin? Hans Michael Heinig weist diesen Verdacht zurück: "Das Kirchenrechtliche Institut der EKD war in den gesamten Prozess überhaupt nicht involviert, erst recht nicht andere Dienststellen oder Amtsträger der EKD", schreibt er in einer E-Mail.

Ärger über den Beirat für das neue Berliner Islam-Institut gibt es allerdings ohnehin schon. Denn bislang sind nur die deutsch-türkische Ditib, der Zentralrat der Muslime, der schiitische Dachverband, die Islamische Föderation und der Verband der islamischen Kulturzentren vorgesehen als Mitglieder des Beirates vorgesehen. Damit seien nur konservative Verbände vertreten, die für einen deutschen Islam nicht repräsentativ seien, beschwert sich die liberale Muslimin Seyran Ateş: "Wir haben hier einen Islam, der sehr stark vom Ausland finanziert wird, die Muslimbrüder, Saudi-Arabien, Katar, Iran und die Türkei an vorderster Front. Sie alle finanzieren in Deutschland einen fundamentalistischen Islam, einen konservativen Islam, und nur der wird akzeptiert."

Dagegen würden andersdenkende Muslime unter Druck gesetzt. Sie selbst muss, seitdem sie in Berlin die liberale Ibn-Rushd-Goethe-Moschee gegründet hat, in ständiger Angst und unter Polizeischutz leben. Dass nun als einziger Rechtsberater zumindest indirekt ein hochrangiger EKD-Mitarbeiter eingebunden wurde, macht Seyran Ateş geradezu fassungslos.

Die Rechtsanwältin Seyran Ates ist Initiatorin und Mitbegründerin der liberalen Ibn-Rushd-Goethe-Moschee.

"Wie kann es sein, dass bei der Einrichtung eines islamwissenschaftlichen Instituts kein einziger Islamwissenschaftler beratend hinzu gezogen wurde? Stattdessen wurde einzig auf die Beratung des Staats- und Kirchenrechtlers Hans Michael Heinig zurückgegriffen. Islamische und Christliche Theologie haben gravierende Unterschiede, die es zu berücksichtigen gilt. So muss zum Beispiel ein Beirat deutlich pluraler besetzt werden, als dies in katholischer oder evangelischer Theologie der Fall sein könnte. Es macht mich wirklich traurig zu sehen, wie die gute Idee des Instituts für Islamische Theologie an der Humboldt-Universität bestimmten Machtinteressen zum Opfer zu fallen scheint", schreibt Ateş auf Nachfrage.

Islamverbände haben Vorbehalte

Noch aber steht die Zusammensetzung des Beirates für das neue Berliner Islam-Institut nicht unwiderruflich fest. Die Unterzeichnung des Vertrages stehe momentan auf der Kippe, sagt Gründungsbeauftragter Michael Borgolte. Der Zentralrat der Muslime habe signalisiert zuzustimmen, die deutsch-türkische Ditib lehne den Vertrag in seiner jetzigen Form jedoch ab.

"Die Vorbehalte sind begründet in der Zusammensetzung des Beirates, der nicht nur bestehen soll aus Vertretern der islamischen Verbände, sondern auch aus Hochschullehrern muslimischen Glaubens, die als Experten hinzugezogen werden. Anstößig ist die Frage einer Revisionsklausel was die Zusammensetzung des Beirates betrifft. Und anstößig sind die Regularien der Abstimmung, die eine Zwei-Drittel-Mehrheit vorsehen und verhindern, dass eine Partei sich ohne Absprachen mit den anderen durchsetzen kann", zählt Borgolte die strittigen Punkte auf.

Wenn einige Islamverbände nun ihre Unterschrift verweigern, tut sich allerdings eine Lücke auf, die liberale Gruppen füllen könnten. Denn kommt es bis zum ersten April 2018 nicht zur Vertragsunterzeichnung, läge im zweiten Anlauf die Einladung der bisher nicht berücksichtigten Muslime in den Beirat nahe. Seyran Ateş hat da schon eine Idee: "Dazu gehören Nord-Afrikaner, die Ahmadiyya-Gemeinde, dazu gehören liberale Stimmen wie der Bund der liberalen Muslime. Das Muslimische Forum gehört da rein, und wir gehören da rein."

Nicht zu vergessen die Aleviten, Bosnier, Sufis bis hin zur nicht erst seit dem Putschversuch in der Türkei umstrittenen Gülen-Bewegung. Aus Sicht von Seyran Ateş braucht es eine ganz neue Rechts-Konstruktion für das künftige Berliner Islam-Institut. "Deshalb würde ich nicht für einen Beirat, sondern eher für einen Rat der muslimischen Gemeinschaft aus zwölf bis 20 Mitgliedern plädieren", fordert die liberale Muslimin.