Obdachlosenärztin: Frost setzt Wohnungslosen zu

Die ehrenamtliche Obdachlosenärztin Gabriele Steinbach (69) besucht am 07.02.18 Obdachlose in der Bremer Innenstadt
Foto: epd/Dieter Sell
Die ehrenamtliche Obdachlosenärztin Gabriele Steinbach (69) besucht Obdachlose in der Bremer Innenstadt.
Obdachlosenärztin: Frost setzt Wohnungslosen zu
Anhaltender Frost und auch das regnerische Wetter der vergangenen Wochen setzen den Wohnungs- und Obdachlosen auf der Straße massiv zu.

Wer "Platte" mache, kümmere sich aus unterschiedlichen Gründen häufig kaum um seine Gesundheit, sagte die Bremer Obdachlosenärztin Gabriele Steinbach dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Und jetzt noch die Bronchitiszeit - die Leute husten und schnaufen nur noch", berichtete die pensionierte Chirurgin von ihren Besuchen bei Wohnungslosen auf der Straße. Steinbach (69) engagiert sich seit mehr als sieben Jahren als ehrenamtliche Obdachlosenärztin in Bremen.

Jeden Mittwoch ist sie bei Wind und Wetter mit Rad und Rucksack unterwegs. Ausgerüstet mit Verbandszeug, Blutdruckmesser und Schmerzmitteln fährt sie durch die Bremer Innenstadt, um denjenigen zu helfen, die kaum in einer normalen Arztpraxis und noch seltener in einem Krankenhaus auftauchen. "Das Gros der Leute, die ich hier kenne, sucht sich jetzt bei den eisigen Temperaturen nachts ein Bett bei einem Kumpel oder in einer Notunterkunft", sagte Steinbach. Doch der Frost zehre zusätzlich.

"Ihr Gesundheitszustand ist ohnehin schlechter. Sie sind infektanfälliger, weil sie oft nichts gegen ihre Krankheiten unternehmen", sagte die Ärztin. Dazu komme Stress durch Gewalterfahrungen, Suchterkrankungen und die ständige Sorge, in Notunterkünften von anderen Wohnungslosen beklaut zu werden.

Bei ihren Besuchen auf der Straße hat es Steinbach häufig mit lange unversorgten Wunden, Parasiten wie Läusen und Krätze oder chronischen Krankheiten wie Bronchitis oder hohem Blutdruck zu tun. Schäden des Herz-Kreislauf-Systems und der Lunge sind weit verbreitet. Experten zufolge haben Obdachlose im Durchschnitt eine deutlich geringere Lebenserwartung als die Normalbevölkerung und werden oft nicht einmal 60 Jahre alt.

Scham, Süchte, das ungeregelte Leben auf der Straße und die Abscheu vor Regeln und Terminen verhindern Steinbach zufolge in der Regel eine kontinuierliche Behandlung oder gar eine Prophylaxe in der medizinischen Regelversorgung. Eine Überweisung in eine Hausarzt- oder Facharztpraxis gelinge nur selten.

Weil sie keine Rezepte ausstellen kann, verweist sie Kranke im Bedarfsfall beispielsweise auf die Sprechstunde der medizinischen Notversorgung im Obdachlosentreff "Café Papagei" des Bremer Vereins für Innere Mission. "Oder ich nehme sie gleich unter den Arm und gehe mit ihnen hin, damit es auch wirklich klappt", ergänzte die Ärztin. In Bremen gibt es Schätzungen zufolge etwa 600 wohnungs- und obdachlose Männer und Frauen.