Kirche und Diakonie kritisieren Kompromiss beim Familiennachzug

Flüchtlingsfamilie
Jonathan Stutz/stock.adobe
Auch die Härtefall-Regelung beim Familiennachzug gilt als unzureichend. "Jeder Fall, in dem eine Familie zerrissen bleibt, ist eine menschliche Härte", sagte der Diakonie-Präsident Lilie.
Kirche und Diakonie kritisieren Kompromiss beim Familiennachzug
EKD-Migrationsexperte sieht "fatale Entwicklung"
Vertreter von Kirche und Diakonie kritisieren die von Union und SPD geplante Deckelung des Familiennachzugs bei Flüchtlingen mit untergeordnetem Schutzstatus.

Vor der Bundestagsabstimmung zum Familiennachzug am Donnerstag sagte Diakonie-Präsident Ulrich Lilie dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Diese Begrenzung ist kleinherzig". Der Migrationsexperte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Manfred Rekowski, erklärte, ein monatliches Kontingent von 1.000 engen Angehörigen mache aus einem Rechtsanspruch eine unbestimmte Kann-Regelung für Wenige.  "Aus Recht wird letztendlich ein Gnadenakt", sagte er. "Das ist eine fatale Entwicklung."

Der Bundestag soll an diesem Donnerstag über eine weitere Aussetzung des Familiennachzugs für subsidiär Geschützte abstimmen. Dabei geht es um eine Übergangsregelung bis Ende Juli. Union und SPD haben sich darauf verständigt, ab August pro Monat 1.000 Angehörige von in Deutschland lebenden Flüchtlingen mit dem untergeordneten Schutzstatus aufzunehmen. Damit würde dann die seit März 2016 geltende Aussetzung aufgehoben, die ohne eine weitere Verlängerung bereits Mitte März auslaufen würde. Einen Rechtsanspruch auf Familienzusammenführungen, wie es ihn vor März 2016 gab, gibt es für die Gruppe dann aber auch ab August nicht, wie Unionspolitiker betonten.

Lilie betonte, ein reiches Land wie Deutschland könne mehr als 1.000 Menschen die Familienzusammenführung ermöglichen. "Zumal völlig ungeklärt ist, nach welchem Verfahren diese 1.000 Menschen bestimmt werden sollen", sagte der Chef des evangelischen Wohlfahrtverbandes.

Lilie bezeichnete auch die von der SPD nachverhandelte Härtefall-Regelung als unzureichend. "Jeder Fall, in dem eine Familie zerrissen bleibt, ist eine menschliche Härte", sagte der Diakonie-Präsident. Besonders "krass" sei die Situation unbegleiteter Jugendlicher, die ohne Eltern und Geschwister aufwachsen müssten.

Rekowski betonte, die Herausforderung bestehe darin, die Not insbesondere von minderjährigen Flüchtlingen zu lindern. Dies werde so nicht ansatzweise gelingen. "Die Aussetzung des Familiennachzugs fördert nicht das Zusammenleben in unserem Land und entspricht schon gar nicht der Wertschätzung der Familie, wie sie im Grundgesetz verankert ist und unserer christlichen Überzeugung entspricht", sagte der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland.

"Ich hätte mir gewünscht, dass die zukünftige Regierung den erleichterten Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten wieder ermöglicht", unterstrich der 59-jährige Theologe. Denn Familie biete den Raum, in dem Verantwortung füreinander übernommen werde. "Die Politik darf nicht am Sonntag das hohe Lied auf die Familie singen und im Alltag kleinmütig Familienzusammenführung faktisch verhindern", sagte Rekowski.