Antisemitismus wird leichter geäußert

Antisemitismus wird leichter geäußert
Judenhass äußert sich nach Ansicht der Berliner Historikerin und Antisemitismus-Expertin Juliane Wetzel zunehmend öffentlich. Der unterschwellige, latent vorhandene Antisemitismus breche sich heutzutage eher Bahn.

Was früher vielleicht an einem Stammtisch geäußert wurde, werde jetzt lauthals auf der Straße gesagt, sagte die Wissenschaftlerin vom Zentrum für Antisemitismusforschung an der TU Berlin am Freitag im RBB-Inforadio.

Wetzel zufolge hat der Antisemitismus in Deutschland nicht unbedingt zugenommen. Es gebe allerdings wellenartige Bewegungen und Ausschläge nach oben, etwa wenn es zu wachsenden Spannungen im Nahost-Konflikt komme. Zugleich erinnerte sie daran, dass etwa 90 Prozent der antisemitischen Straftaten in Deutschland von Rechtsextremisten begangen werden und nicht von Muslimen.

Hintergrund ist ein antisemitischer Angriff auf einen israelischen Gastronomen in dieser Woche in Berlin. Dabei hatte ein 60-jähriger Mann den israelischen Restaurantbetreiber im Stadtteil Schöneberg minutenlang antisemitisch beschimpft. Der Angriff wurde von der Freundin des Gastronomen auf Video aufgenommen und in den sozialen Netzwerken verbreitet.



Wetzel betonte, gerade beim israelbezogenen Antisemitismus traue man sich, etwas zu sagen, weil man glaube, es sei nicht antisemitisch. Nicht zuletzt auch durch die sozialen Medien im Internet breche sich der Antisemitismus Bahn. Zum konkreten Fall sagte sie, es handele sich wohl eher um einen Einzelfall. Das Problem sei aber, dass Antisemitismus erst wahrgenommen werde, wenn er sich lauthals und rassistisch äußere wie im aktuellen Beispiel.

Wetzel begrüßte die von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) erneut ins Spiel gebrachten Überlegungen zur Berufung eines Antisemitismusbeauftragten bei der Bundesregierung. Dieser sei wichtig, um Initiativen zu bündeln, politische Möglichkeiten auszuloten und Projekte zu initiieren, sagte die Historikerin. Der Vorschlag wurde bereits im April von einer unabhängigen Expertenkommission im Bundestag vorgebracht.