TV-Tipp: "Über die Grenze: Gesetzlos" (ARD)

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TV-Tipp: "Über die Grenze: Gesetzlos" (ARD)
14.12., ARD, 20.15 Uhr
Der zweite Film aus der möglichen ARD-Reihe, "Gesetzlos", kombiniert die Fortsetzung der Ereignisse aus dem ersten Teil, als Nachwuchspolizistin Leni (Anke Retzlaff) von Gangstern entführt und vergewaltigt wurde, mit einem neuen Fall für das grenzüberschreitende Ermittlerteam im Großraum Baden-Elsass.

Das GZ observiert einen Drogendeal in großem Stil, als plötzlich Schüsse fallen. Auf der Strecke bleibt der Sohn des russischen Mafiapaten Jegor Sobolew (Johannes Krisch); der zweite Mann kann festgenommen werden. Der deutsche GZ-Leiter Steffen Herold (Thomas Sarbacher) fürchtet, dass der Mafia-Boss die Ermordung seines Sohnes rächen will und das Grenzgebiet zum Schauplatz eines Bandenkrieges wird. Tatsächlich stellt sich jedoch raus, dass Sobolew junior auf das Konto des Killers "Der Adler" geht, der schon seit über zwanzig Jahren die Feinde des Paten mit stets derselben Waffe aus dem Weg räumt. Nicht minder spannend, aber auf einer ganz anderen Ebene interessant ist der parallel erzählte zweite Handlungsstrang mit Herolds Tochter, die so schnell wie möglich in den Dienst zurückkehren will und der Polizeipsychologin drei Wochen nach den Ereignissen aus "Alles auf eine Karte" versichert, sie sei wieder auf der Höhe; über die Vergewaltigung hat sie mit niemandem gesprochen. Aber Leni ist alles andere als einsatzbereit, zumal sie schockiert feststellen muss, dass sie schwanger ist. Außerdem taucht ständig ihr Peiniger auf; dabei liegt Marquardt (Sebastian Hülk) auf der Intensivstation.

Michael Rowitz, der auch den ersten Film inszeniert hat, gibt der Fortsetzung gemeinsam mit Kameramann Stefan Unterberger ein völlig anderes Gesicht. War die Bildgestaltung von "Alles auf eine Karte" von einer enormen Dynamik geprägt, so ist sie in "Gesetzlos" ungleich ruhiger. Dafür steht nun die Arbeit mit dem Licht im Vordergrund; gerade bei den Nachtaufnahmen ist Unterberger eindrucksvolles Hochglanzfernsehen gelungen. Es gibt auch diesmal Actionszenen, die Helmut Zerlett erneut mit krachender Kinomusik untermalt, aber die Geschichte konzentriert sich ungleich stärker auf die Figuren, und das nicht nur wegen Lenis beunruhigender Visionen. Aus Teil eins ist zudem noch offen, warum die Freundschaft zwischen Herold und seinem französischen Partner Yves Kléber (Philippe Caroit) vor gut zwanzig Jahren zerbrochen ist. Allerdings lassen allerlei Andeutungen den Hintergrund frühzeitig erahnen: Sobolew hat ihnen damals ein Angebot gemacht hat, das sie nicht ablehnen konnten; kurz drauf ist ein wichtiger Belastungszeuge verschwunden. Dank Johannes Krisch als Mafia-Boss haben Sarbacher und Caroit, beide mit völlig unterschiedlichen Filmstargesichtern gesegnet, zudem einen würdigen Gegenspieler. Der Österreicher, der Sobolew etwas überzeichnet als sinistren Kinoschurken verkörpert, war schon kürzlich im zweiten Teil der ARD-Reihe "Harter Brocken" ("Die Kronzeugin") ein formidabler Gangster.

Bemerkenswert ist auch die Leistung der im Fernsehen bislang nur in Nebenrollen besetzten jungen Schauspielerin Anke Retzlaff. War Leni im ersten Film als Entführungsopfer überwiegend Objekt der Handlung, ergreift sie nun die Initiative. Gerade das verzweifelte Bemühen um eine fröhliche Fassade spielt Retzlaff richtig gut; die Szenen mit dem metaphysischen Wiedergänger ihres komatösen Vergewaltigers sind reizvolle Gegenstücke zu den Actionsequenzen, zumal Rowitz einige Male ein fieses Spiel mit seiner Heldin treibt. Außerordentlich geschickt ist auch die Integration der Rückblenden: Leni wird immer wieder von ihren Erlebnissen übermannt, mal in Form von Erinnerungsfetzen, mal als Albtraum. Im Rahmen der Handlung ist das völlig plausibel; und wer Teil eins nicht gesehen hat, erfährt auf diese Weise, was ihr widerfahren ist. Clever ist auch die Idee, sie zum spannenden Finale des Films erneut mit ihrem Trauma zu konfrontieren: Herold und Kléber haben sich samt Leni und dem Mordzeugen irgendwo in der Einsamkeit versteckt. Natürlich hetzt ihnen der Mafia-Boss seine Schergen auf den Hals; und selbstredend fällt die junge Frau dem Killer in die Hände.