TV-Tipp: "Harrys Insel" (ARD)

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TV-Tipp: "Harrys Insel" (ARD)
1.12., ARD, 20.15 Uhr: "Harrys Insel"
Endlich ist Harry am Ziel seiner Wünsche: eine winzige Insel vor der Küste Kanadas, die allein ihm gehört; hier will der Witwer in aller Abgeschiedenheit seinen Lebensabend genießen. Das jähe Erwachen folgt, als er feststellen muss, dass schon jemand vor ihm da war: Die kratzbürstige Susan hat nicht nur keine Lust, das Eiland mit ihm zu teilen, sondern auch die besseren Argumente; und das nicht nur wegen des Gewehrs, mit dem sie Harry zurück aufs Festland scheuchen will.

Das ist ein durchaus origineller Ausgangspunkt für eine Komödie, keine Frage. Dummerweise ist es im Grunde auch schon die ganze Geschichte, weshalb sich "Harrys Insel" erst mal eine ganze Weile lang im Kreis dreht: Harry will in die Hütte, Susan lässt ihn nicht. Katrin Sass, ohnehin auf herbe Typen festgelegt, verkörpert dieses Flintenweib wie eine Figur aus einem krachledernen Bühnenstück, bei dem das Publikum keinen Wert auf Zwischentöne legt. Wolfgang Stumph hat die deutlich differenziertere Rolle, denn Harry fällt aus allen Wolken, als ihm klar wird, dass ihm sein vor einigen Jahren rechtmäßig erworbenes Eiland in der Tat nicht mehr gehört. Außerdem ist er ein Mann mit Vergangenheit: Sein letzter Wohnort war ein Gefängnis.

Das Drehbuch (Scarlett Kleint und Alfred Roesler-Kleint) macht es mit dem Grund für die Haft ein bisschen spannend, und auch Susan hütet ein Geheimnis; beide Vorgeschichten sind die Voraussetzungen dafür, dass aus der Feindschaft schließlich Freundschaft wird. Bis es soweit ist, geht dem Film jedoch die Handlung aus; aufregendstes Ereignis ist das Auftauchen eines Schwarzbären, der sich als komplett harmlos entpuppt. In Fahrt kommt die Tragikomödie erst, als die beiden Hauptfiguren Vertrauen zueinander fassen und Harry erzählt, warum er im Gefängnis war: Er hat seiner todkranken Frau Sterbehilfe geleistet. Das ist die erste wirklich ernstzunehmende Szene des Films. Susan wiederum, die ihre Schmerzattacken zunächst mit Rheuma und Arthritis erklärt, ist aus einem Pflegeheim abgehauen, weil sie keine Lust hatte, dort auf den Tod zu warten. Als ihr Sohn (Philipp Rafferty) dafür sorgt, dass sie wieder zurück muss – die Einrichtung heißt sinnigerweise Heaven’s Gate, Himmelstor –, schmiedet Harry gemeinsam mit Susans Enkelin Jenny einen riskanten Plan. Die entsprechende Befreiungsaktion ist die mit Abstand kurzweiligste Szene dieser Tragikomödie, zumal sich die junge Cosima Henman in der Rolle der frechen Enkeltochter als ebenbürtige Partnerin für Stumph erweist; der hat schon in "Blindgänger" (2014) gezeigt, wie gut er mit jungen Kolleginnen zusammenarbeiten kann.

Regie führte Anna Justice, die die vor einigen Jahren durch das tragikomische Drama "Max Minsky und ich" (2007) bekannt geworden ist, ihr Talent mit dem Weihnachtszweiteiler "Pinocchio" (2013) allerdings nicht bestätigen konnte; umso besser war 2015 der Kraftwerks-Thriller "Tag der Wahrheit". "Harrys Insel" dagegen bleibt, wenn überhaupt, wegen der prachtvollen Landschaftsbilder (Kamera: Adrian Cranage) in Erinnerung. Auch die Musik (Felix Raffel) ist sehr schön. Gerade das erste Drittel des Films, als selbst die beiden alten Hasen Stumph und Sass nicht kaschieren können, dass die Geschichte auf der Stelle tritt, ist jedoch enttäuschend. Am originellsten ist noch die Idee, dass Susan den Eindringling wegen seines für kanadische Zungen schwierigen Namens (Stockowski) bloß Trotzki nennt, was vor allem deshalb witzig ist, weil sie selbst sich wie Stalin aufführt.