EKD-Ratsvize Kurschus fordert Parteien zu Regierungsbildung auf

EKD-Ratsvize Kurschus fordert Parteien zu Regierungsbildung auf
Der Auftrag zur Regierungsbildung bleibe bestehen, so die stellvertretende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, und deswegen müsse man weiter verhandeln und sich verständigen.

Die stellvertretende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, hat an die politischen Parteien appelliert, einen neuen Versuch zur Regierungsbildung zu unternehmen. Auch nach dem Scheitern der Sondierungsgespräche über eine Jamaika-Koalition von Union, FDP und Grünen bleibe der Auftrag an die Parteien bestehen, eine Regierung zu bilden, sagte Kurschus in Bielefeld dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Sie sollten sich erneut zusammensetzen und sich verständigen, damit wieder ein Regieren möglich ist, das die Menschen im Blick hat."

Sie habe den Eindruck, "dass das Terrain zwischen den Parteien kein derart vermintes Gelände ist, dass das nicht möglich ist", sagte die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen. Es müsse um eine gute Politik gehen und darum, dass es mit Deutschland und Europa gut weitergehe. Es wäre ein wichtiges Zeichen für die Gesellschaft, wenn es die Parteien schaffen könnten, über ihren Schatten zu springen und noch einmal zu versuchen, einen Konsens hinzubekommen. "Ein solches Zeichen wäre zukunftsweisend und darauf wartet unsere Gesellschaft", sagte die 54-jährige Theologin.

"Neuwahlen fände ich persönlich problematisch", betonte Kurschus. Wenn die etablierten Parteien an einer Regierungsbildung scheitern, könnte dies Verdruss und Gleichgültigkeit in der Gesellschaft verstärken. "Wir haben ja schon vor der Bundestagswahl erlebt, wie Populisten mit Ängsten und negativen Emotionen Stimmung machen", warnte die westfälische Präses. Die wochenlangen Sondierungen für eine Jamaika-Koalition von CDU, CSU, Grünen und FDP waren in der Nacht zum Montag von der FDP abgebrochen worden.

Kurschus kritisierte diesen Schritt indirekt. In den Sondierungsgesprächen hätten die vier Parteien ernsthaft gerungen, sagte sie dem epd. In wichtigen Fragen wie Klimaschutz und Zuwanderung seien Kompromisse gefunden worden, und auch die Frage des Familiennachzugs für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutz scheine kein Hindernis mehr gewesen zu sein. "Deshalb habe ich nicht verstanden, woran die Gespräche gescheitert sind", sagte die EKD-Ratsvize. "Die Erklärung der FDP kam sehr überraschend, schien aber nicht aus dem Moment heraus entstanden zu sein."

Kurschus wies darauf hin, dass das Scheitern der Sondierungsgespräche in Deutschland, aber auch im Ausland großes Erschrecken ausgelöst habe. "Wir gelten als ein Land, dessen politische Stabilität bislang nicht in Frage stand und auf das immer Verlass war", sagte sie. "Jetzt wirkt der politische Betrieb gelähmt durch diese Situation."

Auch der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm hatte die Parteien ermahnt, das Gemeinwohl im Blick zu behalten und erklärt, das Ausland schaue mit Sorge auf Deutschland, das viel zu verlieren habe.  Für die katholische Kirche hatte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, eine rasche Regierungsbildung angemahnt.