TV-Tipp: "Der Tel-Aviv-Krimi: Masada" (ARD)

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TV-Tipp: "Der Tel-Aviv-Krimi: Masada" (ARD)
23.11., ARD, 20.15 Uhr
Spätestens mit dem zweiten Film, "Shiv’a", hat sich der "Tel-Aviv-Krimi" als ARD-Reihe mit großem Potenzial erwiesen: weil Israel natürlich ein geschichtsträchtiger Schauplatz ist, weil es mannigfaltige Bezüge zu Deutschland gibt, weil die religiöse, kulturelle und ethnische Vielfalt des Landes ein unerschöpfliches Reservoir an Krimistoffen bereithält; und weil es vor den Toren der Stadt faszinierende Drehorte gibt. Mit "Masada" macht sich Matthias Tiefenbacher, der die ersten beiden Episoden inszeniert und diesmal auch das Drehbuch geschrieben hat, gleich mehrere dieser Aspekte zunutze.

Schon allein der historische Hintergrund ist faszinierend: In der Festung Masada am Toten Meer, so berichtet es jedenfalls der jüdisch-römische Historiker Flavius Josephus, haben sich vierzig Jahre nach dem Tod Christi rund tausend Juden das Leben genommen, um nicht in die Hände der römischen Belagerer zu fallen und versklavt zu werden. Der Masada-Mythos gilt in Israel bis heute als Symbol des jüdischen Freiheitswillens; das Motto der Menschen in Masada, "lieber tot als Sklave", spielte eine entsprechend große Rolle im Zionismus, der Bewegung für einen eigenen israelischen Nationalstaat in Palästina . 

Schon allein die Idee, einen Krimi vor diesem Hintergrund anzusiedeln, ist ausgesprochen reizvoll, zumal der Wahrheitsgehalt des knapp 2000 Jahre zurückliegenden Ereignisses angezweifelt wird. Die Handlung beginnt mit einer Explosion auf dem ehemaligen Festungsgelände, das heute zum Weltkulturerbe gehört. Bei der Sprengung ist Aaron, der Sohn des Masada-Entdeckers Avram Salzmann (Michael Degen), gestorben. Zunächst gehen die Behörden von einem terroristischen Anschlag auf die symbolträchtige Stätte aus, aber dann zeigt sich, dass das Opfer vorher niedergeschlagen worden ist. Sara Stein (Katharina Lorenz) und ihr Kollege Jakoov Blok (Samuel Finzi) finden raus, dass Aaron einen schwunghaften Handel mit antiken Fundstücken betrieben hat; auf diese Weise wird neben den Hehlern auch sein Assistent zum Verdächtigen. Aber vielleicht war der Mord auch eine Beziehungstat; im Gegensatz zu seinem Vater, der einst das Warschauer Ghetto überlebt hat und heute als Held Israels gefeiert hat, führte Aaron das Leben eines Playboys und hatte diverse Freundinnen, darunter auch eine tiefreligiöse Jüdin, die ein Kind von ihm erwartete.

Geschickt verknüpft Tiefenbacher die verschiedenen Ebenen miteinander. Einerseits erfüllt "Masada" die typischen Krimi-Erwartungen; es gibt sogar eine handfeste Schießerei mit der Hehlerbande. Andererseits lässt das Drehbuch immer wieder beiläufig jene Elemente einfließen, die den Reiz der Reihe ausmachen. Das gilt nicht zuletzt für die religiösen Aspekte; der Assistent zum Beispiel ist den einheimischen Polizisten schon deshalb hochgradig suspekt, weil er iranische Wurzeln hat. Gerade der von Samuel Finzi nur bedingt als Sympathieträger verkörperte Kollege Blok erweist sich immer wieder als Quell diverser Vorbehalte, die allerdings auch die Juden betreffen; Avrams zweiten Sohn Elia, ein orthodoxer Jude, bezeichnet er mehrfach abschätzig als "Betbruder". Auch Elia findet sich auf der Liste der Verdächtigen wieder: Zwischen ihm und Aaron herrschte eine herzliche Abneigung, die ihre Wurzeln in einem traumatischen Kindheitserlebnis hatte.

Die interessanteste Figur ist jedoch der alte Salzmann. Für Michael Degen war die Handlung sicherlich eine ganz besondere Herausforderung. Er hat in seinem Buch "Nicht alle waren Mörder" erzählt, wie er gemeinsam mit seiner Mutter während der letzten Kriegsjahre in Berlin von nichtjüdischen Mitmenschen versteckt worden ist. Anders als Avram ist er zwar nicht als Kind nach Israel ausgewandert, aber auch sein Vater ist von den Nationalsozialisten ermordet worden. Mit diesem Teil der eigenen Lebensgeschichte konfrontiert zu werden, war für den mittlerweile 85 Jahre alten Schauspieler bestimmt nicht einfach. Dass es der Produktion gelungen ist, eine Drehgenehmigung in Masada zu bekommen, dürfte die Dreharbeiten nicht nur für Degen zu einem unvergessenen Erlebnis gemacht haben; Kameramann Holly Fink hat für angemessen große Bilder gesorgt.

Der Schlüsselsatz des Films fällt gegen Ende: "Mit seiner Identität darf man nicht spielen", sagt der alte Salzmann. Das ist zwar nicht auf Sara Stein gemünzt, passt aber perfekt, denn die wohl größte Überraschung der Geschichte hat nur am Rande mit dem Fall zu tun: Die erste Begegnung mit der aus Berlin stammenden Polizistin ist für den Archäologen wie ein Wiedersehen, denn Sara hat große Ähnlichkeit mit ihrer vor rund dreißig Jahren verstorbenen Tante Miriam, einer Journalistin, die einst ein Interview mit Avram geführt hat. Während die privaten Ebenen in anderen Donnerstagskrimis oft wichtiger und interessanter sind als die eigentlichen Fälle, handelt Tiefenbacher diesen Teil beinahe beiläufig ab; bis Sara verblüfft und schockiert auf ein Familiengeheimnis stößt, das ihr Leben von Grund auf ändert.