"Hartz-IV-Satz für Strom liegt unter Durchschnittskosten"

"Hartz-IV-Satz für Strom liegt unter Durchschnittskosten"
Stromkosten treiben viele Bedürftige in Deutschland in die Schuldenfalle. Im Hartz-IV-Satz sei zu wenig Geld für Energie vorgesehen, ist Diakoniepräsident Ulrich Lilie überzeugt. Der evangelische Wohlfahrtsverband fordert ein Viertel mehr Geld für Strom für Bezieher von Sozialleistungen.
30.10.2017
epd
Corinna Buschow

Herr Lilie, in einem Brief an die Bundesagentur für Arbeit mahnen Sie Nachbesserungen bei der Übernahme von Stromkosten bei Sozialleistungsbeziehern an. Was ist das Problem?

Ulrich Lilie: Im vergangenen Jahr ist nach Medienberichten rund 330.000 Haushalten der Strom abgestellt worden. Rund 6,6 Millionen säumige Zahler erhielten Sperrandrohungen. Im Hartz-IV-Satz, der 2018 von 409 auf monatlich 416 Euro steigt, sind nur rund 35 Euro für Elektrizität vorgesehen. Das liegt immer noch deutlich unter den Stromkosten eines Durchschnittshaushalts. Wem der Strom abgeklemmt wird, der sitzt im Dunkeln und womöglich auch in der Kälte. Und der Wiederanschluss ist nach Bezahlung der offenen Rechnung aufwendig und teuer.

Welche Lösung schlagen Sie vor?

Lilie: Wir fordern, dass in die Hartz-IV-Sätze realistische Kosten für Strom eingerechnet werden - etwa ein Viertel mehr. Denn gerade ärmere Haushalte haben wenig Gelegenheit, ihre Elektrogeräte auf neueste, energiesparende Modelle umzustellen. Wenn da die Waschmaschine oder der Kühlschrank kaputtgeht, bleibt bedürftigen Familien häufig nur der Ersatz durch ein billiges Gebrauchtgerät, das mehr Energie frisst als ein modernes.

 

Muss hier auch die Politik handeln? Und was tut die Diakonie?

Lilie: Wir erwarten, dass sich auch die neue Bundesregierung die Armutsbekämpfung auf ihre Fahnen schreibt. Dabei ist die Frage des Strompreises im Hartz-IV-Satz ein sehr konkretes und drängendes Anliegen. Das sieht übrigens auch der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) so. Gemeinsam mit dem BDEW ist die Diakonie Deutschland jetzt bei Detlef Scheele, dem Chef der Bundesagentur für Arbeit, vorstellig geworden. Als Wohlfahrtsverbände können wir nur begrenzt helfen. Die Diakonie bietet Beratung für Schuldner oder auch Hilfestellungen zum Energiesparen vor Ort an.