TV-Tipp: "Schwarzbrot in Thailand" (ARD)

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TV-Tipp: "Schwarzbrot in Thailand" (ARD)
TV-Tipp: 3.11., ARD, 20.15 Uhr
Ein Ehepaar übergibt seine Bäckerei in der Nähe von Hamburg an die Tochter und wandert nach Thailand aus. In Pattaya wollen Ottmar und Tanja Berger (Veit Stübner, Marie Gruber) den Lebensabend genießen. Im Unterschied zu Tragikomödien wie etwa "Die Diva, Thailand und wir!" (mit Hannelore Elsner und Anneke Kim Sarnau), in denen böse Kinder ihre pflegebedürftigen Eltern ans andere Ende der Welt abschieben, haben sich die Bergers also aus freien Stücken selbst entwurzelt.

Aber das ist nur die halbe Wahrheit, denn nun kommt neben dem ersten Subgenre des Rentnerfilms – deutsche Senioren in Südostasien – ein zweites in Spiel, das ARD und ZDF schon seit vielen Jahren pflegen: Die Frau hat sich stets den Plänen ihres Mannes unterworfen und möchte nun endlich jene traute Zweisamkeit nachholen, die dem Paar jahrzehntelang verwehrt war, weil sich sein Leben nur um die Arbeit drehte; aber nun muss sie frustriert erkennen, dass der Gatte gar keine Lust auf einen gemeinsamen Lebensabend hat.

"Schwarzbrot in Thailand" (Buch: Thorsten Näter und Susanna Salonen) füllt diesen bekannten Handlungsrahmen mit einer interessanten Geschichte, die zunächst mit weiteren Klischees: Die unternehmungslustige Tanja möchte Land und Leute kennen lernen und ist ständig unterwegs, der genügsame Ottmar lässt es ruhiger angehen und will erst mal einen Recorder besorgen, um den "Tatort" aufzeichnen zu können. Dabei lernt er Max (Rolf Kanies) kennen, einen ebenfalls ausgewanderten Deutschen. Max ist hilfsbereit und sympathisch, die beiden freunden sich an, und schließlich weiht er Ottmar in seine Pläne ein: Er möchte eine Bäckerei aufmachen. Weil das einheimische Brot aus Sicht der immerhin einigen tausend Deutschen in Pattaya diese Bezeichnung nicht verdient, wäre das Geschäft garantiert eine Goldgrube; einen Laden hat er auch schon. Ottmar, Bäcker aus Leidenschaft und viel zu vital, um den Rest seines Daseins Urlaub zu machen, ist Feuer und Flamme, denkt sich für Tanja eine Ausrede aus und stürzt sich in die Herausforderung, die ihn allerdings geradewegs ins Fiasko führt. Plötzlich steht er vor dem Scherbenhaufen seines Lebensabends: Die Ersparnisse sind ebenso futsch wie Tanja, die mit der einheimischen Pflegerin eines weiteren deutschen Rentners in deren Heimatdorf gereist ist und nach fast fünfzig Jahren Ehe die Scheidung will. Thailand war ohnehin ihr Traum, nicht seiner, und die vermeintlich heitere Rentnerkomödie wandelt sich unversehens zum Ehedrama.

Dieser abrupte Stimmungswechsel etwa in der Mitte des Films ist durchaus mutig. Bis dahin unterscheidet sich die Inszenierung Florian Gärtners ("Mongolettes") kaum von früheren Produktionen der ARD-Tochter Degeto, in denen die unterschiedlichen Erwartungen in die Jahre gekommener Ehepaare aufeinander prallten. Allerdings bietet "Schwarzbrot in Thailand" angesichts des Schauplatzes erstaunlich wenige Tourismusbilder, obwohl Tanjas Ausflüge dafür reichlich Anlass geboten hätten. Die Kamera bleibt bei Ottmar; Exotik gibt es nur in Form einiger Strandaufnahmen. Buch und Regie kümmern sich lieber um zwei Nebenfiguren, die zunächst nur der Auflockerung der Handlung zu dienen scheinen: Kaum angekommen, lernen Ottmar und Tanja die aufgekratzte Becky (Leslie Malton) kennen. Eigentlich heißt sie Gudrun, war einst Groupie aller möglichen Rockstars, arbeitet als Kellnerin in "Udo’s Biergarten" und bekämpft ihre angeblich chronischen Kopfschmerzen mit allerlei Drogen, die auch mal versehentlich in der Suppe eines Gastes landen. Ottmars Hinweis, Drogen machten doof, kontert sie mit ihrem Lebensmotto "Lieber doof als schlechte Laune".

In die Kategorie "Abgeschoben" gehört dagegen der demente Herr Lobinger (Peter Franke), der im Dorf von Altenpflegerin Anchalee (Dujdao Vadhanapakorn) seinen Frieden findet. Der pensionierte Richter wird zunächst als Witzfigur eingeführt, weil er sich angesichts der vielen "Schlitzaugen" im eigenen Land nicht mehr heimisch fühlt, wandelt sich aber mehr und mehr zur wahrhaft tragischen Figur der Geschichte: In seinen klaren Phasen wird dem alten Herrn bewusst, wie er unaufhaltsam verschwindet. Einer dieser lichten Momente hat immerhin zur Folge, dass Ottmars Fiasko nicht ganz so drastisch ausfällt.

Sympathische Scherze

Gärtner erzählt die Geschichte auch im komödiantischen ersten Teil mit überschaubarem Tempo. Die Scherze sind nicht überschäumend, aber sympathisch: Ottmar sucht in einem Kramladen nach einem Videorecorder, "VHS!", und der Verkäufer bietet ihm freudestrahlend ein HSV-Trikot an. Die Anzahl der inszenierten Gags ist ebenfalls überschaubar, aber ähnlich amüsant: Die Kamera schwenkt die aufgekratzten Rentner bei der Wassergymnastik ab und endet schließlich beim griesgrämigen Ottmar. Wichtiger als eine aufgesetzte Dynamik war dem Regisseur offenkundig die Arbeit mit den Schauspielern. Sein Film ist beinahe eine Hommage an Marie Gruber und Veit Stübner; die beiden werden sonst zumeist im besten Sinn des englischen Begriffs "Supporting Actor" als wichtige Nebenfiguren besetzt, die mehr als bloß Stichwortgeber für die Hauptdarsteller sind.

Dass "Schwarzbrot in Thailand" mehr als bloß eine Rentnerkomödie mit ernsten Untertönen sein will, zeigt auch der Umgang mit der Sprache: Die Einheimischen dürfen thailändisch reden. Anchalee kann zwar deutsch, weil die Pflege deutscher Rentner ihr Beruf ist, aber sie spricht mit starkem Akzent. Davon abgesehen muss man den Verantwortlichen ja schon dankbar sein, dass Gärtner den Film nicht mit Ottmars Absturz beginnen und die Geschichte dann als Rückblende erzählen musste.