Kritiker schreiben an Steinmeier

In Potsdam werben seit Oktober 2014 große Plakatwände für den Wiederaufbau der 1945 zerstörten und 1968 abgerissenen Garnisonkirche
Foto: epd-bild / Rolf Zöllner
In Potsdam werben seit Oktober 2014 große Plakatwände für den Wiederaufbau der 1945 zerstörten und 1968 abgerissenen Garnisonkirche.
Kritiker schreiben an Steinmeier
Der Grundstein für den Wiederaufbau des Potsdamer Garnisonkirchturms wurde bereits 2005 gelegt, nun sollen die Bauarbeiten tatsächlich starten: Am Sonntag wird der Baubeginn gefeiert. Die Kritik an dem Projekt reißt trotzdem nicht ab.

Der Wiederaufbau des Turms der 1945 zerstörten und 1968 abgerissenen Potsdamer Garnisonkirche sorgt kurz vor dem offiziellen Baustart weiter für Diskussionen. Kritiker wandten sich am Freitag in einem offenen Brief an Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Schirmherr des Projekts, und riefen ihn zur Berücksichtigung der geschichtspolitischen Einwände auf. Die Baustiftung wies die Kritik erneut zurück. Der Friedensbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Renke Brahms, rief zum Dialog auf.

Es sei wichtig, mit den Kritikern des Wiederaufbaus weiter im Gespräch zu bleiben, betonte Brahms bei der Herbsttagung der Synode der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz am Freitag in Berlin. Der Theologe gehört selbst dem Kuratorium der Garnisonkirchenstiftung an. Ein kritischer Dialog sei wichtig, sagte Brahms: "Genau das ist der Punkt, an dem wir lernen können." Bei der am Ort der Garnisonkirche geplanten Friedens- und Versöhnungsarbeit seien "weitere Anstrengungen nötig, um der Arbeit Profil zu verleihen und sie zu stärken".

In dem offenen Brief an Steinmeier, der unter anderem vom früheren Sprecher der Bundesregierung, Uwe-Karsten Heye, dem Künstler und früheren Präsidenten der Berliner Akademie der Künste, Klaus Staeck, und mehreren evangelischen Theologen unterzeichnet ist, heißt es, es sei zu bezweifeln, dass im neuen Garnisonkirchturm ein Lernort entstehe, an dem Besucher "Lehren aus einer wechselvollen Geschichte ziehen können, um für die Zukunft eines friedlichen und gerechten Europas einzutreten". Die Garnisonkirche wurde im 18. Jahrhundert als preußische Militärkirche errichtet und 1933 von den Nazis zur Inszenierung der Reichstagseröffnung genutzt.

Wieland Eschenburg: Gebäude nicht haftbar machen

Gebäude dürften nicht "für die Schuld, die Menschen in ihrem Innern auf sich luden", haftbar gemacht werden, sagte Stiftungsvorstand Wieland Eschenburg dem Evangelischen Pressedienst (epd): "Jeder Stein der Geschichte soll hier umgedreht werden, damit wir daraus lernen können." Der Turm setze "im vollen Bewusstsein der historischen Verstrickung in Militarismus und Nationalsozialismus" ein Zeichen für Frieden und Versöhnung. "Nach der Logik des offenen Briefes hätten unzählige historische Bauten weggesprengt werden müssen", sagte Eschenburg: "Wir brauchen jedoch gerade die Orte mit zwiespältiger Geschichte, um uns erinnern zu können."

Dem Bauvorhaben liege von Anfang an "eine widersprüchliche Logik zugrunde", heißt es in dem offenen Brief, der von der Martin-Niemöller-Stiftung in Wiesbaden und Berlin verbreitet wurde: "Warum muss man die ehemalige Garnisonkirche wieder errichten, um - wie behauptet wird - die Ideologie und Wirkungsgeschichte, die sie repräsentiert, zu widerlegen?"

Umstrittener Wiederaufbau

Die Bedenken gegen den Wiederaufbau der Garnisonkirche seien durch die jüngste Bundestagswahl noch verstärkt worden, heiß es weiter in dem Brief: "In einer Zeit, in der rechtsextreme, nationalistische und geschichtsrevisionistische Kräfte nach vorn drängen, befürchten wir, dass sie den Wiederaufbau der Garnisonkirche als Bestätigung ihrer politischen Ansichten in Anspruch nehmen und propagieren."

Der rund 40 Millionen Euro teure Turmbau soll zunächst aus Geldmangel mit der Errichtung einer rund 26 Millionen Euro teuren Grundvariante ohne Schmuckelemente und Turmaufsatz beginnen. Dafür sollen zwölf Millionen Euro Bundesmittel, fünf Millionen Euro Kredite der evangelischen Kirche und Spenden eingesetzt werden. Der Baubeginn wird am Sonntagnachmittag mit einem Gottesdienst auf dem Baufeld und einem anschließenden Fest unter freiem Himmel gefeiert.