Das Kreuz mit dem Frieden ...

Evangelisch-Lutherischer Rundfunkgottesdienst aus der St. Georgenkirche in Glauchau

Foto: Kirchgemeinde Glauchau

Das Kreuz mit dem Frieden ...
Ev.-Luth. Rundfunkgottesdienst St. Georgenkirche, Glauchau
22.10.2017 - 10:05
12.10.2017
Pfarrer Matthias Große
Über die Sendung

Frieden – wer wünscht sich das nicht? Auch für Martin Luther war das die entscheidende Frage: Wie finde ich Frieden, Frieden mit Gott?  Oft ist Unfrieden an der Tagesordnung, im Großen wie im Kleinen. Christen hatten und haben daran immer wieder ihren Anteil. Was bedeutet Reformation im Blick auf das friedliche Zusammenleben  für uns heute? Im Mittelpunkt der Altargestaltung in der St. Georgenkirche steht das Kreuz. Darüber Worte des Propheten Jesaja, die es deuten: Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten. Auf der Empore über der Silbermannorgel rufen die lateinischen Worte zum Gotteslob auf: Soli Deo Gloria – allein Gott die Ehre. Kann das Kreuz ein Symbol des Friedens sein? Macht das Gotteslob den Menschen friedfertiger?

Im Jahr des Reformationsgedenkens feiert die Gemeinde  in Glauchau eine Festwoche anlässlich der ersten evangelischen Predigt in der Stadtkirche St. Georgen  im Jahr 1542. Die Suche nach Frieden mit Gott und den Menschen bleibt auch 475 Jahre danach aktuell. Es predigt Pfr. Matthias Große, Glauchau.

Im Gottesdienst erklingen Werke verschiedener Kantoren der letzten Jahrhunderte im Schönburger Land. Einige davon sind erst vor kurzer Zeit wieder entdeckt worden und kommen neu zur Aufführung. Es singt der Oratorienchor und Ephoralchor Glauchau.

 

Gottesdienst nachhören

Den Gottesdienstmitschnitt finden Sie auch direkt unter http://www.deutschlandradio.de/audio-archiv.260.de.html?drau:broadcast_id=122

Predigt zum Nachlesen
 

 

Gnade sei mit euch und Friede von Gott unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Amen.

Lasst uns um den Segen des Wortes Gottes bitten und beten!

 

Herr, öffne unsere Ohren und Herzen. Gib deinen Heiligen Geist, dass wir dein Wort verstehen, und deinen Willen tun. Amen.

 

Liebe Gemeinde,

was kann ich schon tun?

Kennen Sie dieses Gefühl? Da drehen sich die großen Räder der Weltgeschichte – und ich bin ganz klein, irgendwo dazwischen, getrieben, ausgeliefert, vielleicht nicht einmal ein winziges Zahnrad.

Unsere Welt ist aus den Fugen – wie oft haben wir in den letzten Wochen und Monaten diesen Satz schon gehört. Nordkorea, USA, Israel, Palästina, Iran, Irak, Somalia, Spanien – überall lodern Konflikte auf. Regierungen und Bündnisse zerrinnen.

Und auch in unserem Land nehmen die Gegensätze stetig zu. Extreme bestimmen den Alltag. Der Verstand tritt zurück. Protest! wird gerufen.

Und diejenigen, die Verantwortung tragen? Sie wirken selbst mitunter hilflos und wie Getriebene. Dabei sehnen wir uns doch alle nach Frieden, nach Gerechtigkeit, nach Sicherheit. Was haben wir Menschen durch die Jahrhunderte hindurch nicht alles getan, um diese Sehnsucht zu stillen!

Wir verhandeln, wir schließen Verträge, wir schmieden Bündnisse – und dennoch: Frieden ist bedroht, ist brüchig. Ängste wachsen, ohne sie genau benennen zu können.

Und wir spüren: Unsere Möglichkeiten sind begrenzt. Wir haben nicht alles selbst in der Hand. Niemand kann eine Garantie geben, dass Frieden Bestand hat.

Es ist ein Kreuz mit dem Frieden!

Doch die Sehnsucht bleibt. Und diese Sehnsucht treibt Menschen an, sich für Frieden und Gerechtigkeit dennoch einzusetzen, ihnen nachzustreben – und das nicht nur heute bei uns in unseren Tagen. Diese Sehnsucht nach Frieden verbindet uns mit den Menschen aller Generationen – mit den Menschen vor uns, und vermutlich auch mit den Menschen nach uns. In der Lesung aus dem Buch des Propheten Jesaja gerade eben haben wir von dieser Sehnsucht und Hoffnung gehört. Diese Worte sind ungefähr 2.500 Jahre alt. In bunten und leuchtenden Farben wird ein Bild von einem immerwährenden Reich des Friedens gezeichnet. Mensch und Tier, Jung und Alt, sie leben friedlich nebeneinander, sie leben friedlich miteinander. Nicht was wir sehen und was geredet wird zählt, sondern Gerechtigkeit breitet sich aus.

Welch eine Vision! Welch ein Traum!

Doch dieser Frieden, er ist nicht gemacht von Menschen. Vielmehr ist er geschenkt, geschenkt durch den Reis aus dem Stamme Isais, durch den Zweig, der aus seiner Wurzel hervorsprosst.

Gottes Geist ruht auf ihm. Weisheit, Verstand, Rat, Stärke, Erkenntnis, Ehrfurcht. Das macht diesen Reis aus dem Stamme Isais aus. Und das lässt Gerechtigkeit und Frieden unter uns Menschen wachsen.

Wir Christen bringen diese Worte mit dem Weihnachtsfest in Verbindung, mit der wundersamen Geburt des Gottessohnes.

Menschen erleben: Dieser Jesus von Nazareth hat das gelebt, was von dem Reis aus dem Stamme Isais einst gesagt worden ist. In seiner Nähe finden Menschen Frieden, inneren Frieden, selbst dann, wenn sich um sie herum Unfrieden ausbreitet. Sie spüren: Bei ihm wird unsere Sehnsucht gestillt, bei ihm werden Gottes Frieden und Gerechtigkeit erfahrbar.

Schon die Engel auf dem Felde verkündeten den Hirten die Geburt des Gottessohnes mit den Worten: Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden.

Frieden auf Erden. Gottes Verheißung an uns. Et in terra pax! So hören wir es vom Chor, ein Teil des Glauchauer Glorias, das oft in unseren Gottesdiensten zu Weihnachten erklingt.

Chor: Et in terra pax

 

 

Et in terra pax. Friede auf Erden. Verkündigt, verheißen, versprochen. Als Geschenk. Nicht von Menschenhand gemacht oder gar verdient.

Das zu entdecken und daraus zu leben, hat immer wieder Menschen umgetrieben.

Wie wir hier in Glauchau, so feiern in diesen Tagen an vielen Orten Menschen Reformationsjubiläum.

Ein wesentlicher Auslöser der Reformation war die quälende Suche nach Frieden, nach innerem Frieden, nach Frieden mit Gott. „Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?“

Für Martin Luther war das die entscheidende Frage für sein Leben: Wie finde ich Frieden? Wie kann ich in Frieden leben – ohne Angst und Unsicherheit? Wie schwer ist es Martin Luther dabei gefallen, loszulassen von eigenen Leistungen und Pflichten. Wie schwer war der Weg bis zu der bahnbrechenden Erkenntnis: Ich kann mir diesen Frieden nicht verdienen, ihn nicht machen.

Und: Ich muss mir diesen Frieden auch nicht verdienen. Ich muss ihn nicht machen. Vielmehr ist Gottes Frieden in dieser Welt. Ich kann mich von ihm erfüllen lassen.

Martin Luther hat das erlebt. Er war umgeben von Unfrieden. Er wurde angefeindet, sein Leben bedroht. Wer seinen Lebensweg kennt, der weiß, wie viel Gegner er hatte. Und der weiß auch, dass Luther keineswegs der große Held gewesen ist, der immer mit klarem Blick und ohne Fragen und Zweifel vorangeschritten ist. Wie oft war er schwach, von Zweifeln und Fragen geplagt, hin- und hergerissen. Manchmal kämpfte er mit Angst und suchte nach Klarheit. Doch dann rief er sich die Verheißungen Gottes ins Gedächtnis, stellte sich bewusst hinein in Gottes Machtbereich:

„Aber dein ist die Sache, Herr, die gerecht und ewig ist. Stehe mir bei, du treuer, ewiger Gott, ich verlasse mich auf keinen Menschen (…) So stehe mir bei in dem Namen deines lieben Sohnes Jesu Christi, der mein Schutz und Schirm sein soll, ja meine feste Burg, durch Kraft und Stärkung deines Heiligen Geistes.“

So betet Luther etwa auf dem Reichstag in Worms. Und er findet Stärkung und Gewissheit, um seinen Weg weiter zu gehen. „Hier stehe ich. Ich kann nicht anders. Gott helfe mir.“

In Gottes Nähe verliert Angst ihren Schrecken. Das stärkt Menschen. Bis heute. Das tröstet, richtet auf, um nicht zu verzweifeln.

Und: solches Leben ist nicht todzukriegen, auch nicht durch Gewalt, Spott und Verachtung.

Jesus Christus hat all das selbst erlebt. Er hat es getragen, durchlebt. Und am Ende steht der Sieg des Lebens. Am Ende steht Gottes Friede, auch über und hinter dem Kreuz – auf dass wir Frieden hätten.

Ja, es ist ein Kreuz mit dem Frieden, wenn wir damit nur bei uns Menschen stehen bleiben. Wenn wir versuchen, selbst Frieden zu schaffen, ohne dabei unsere eigene Begrenztheit im Blick zu haben.

Doch erfahren wir Frieden durch das Kreuz, wenn wir uns zu dem hin ausrichten, der unserer Welt seinen Frieden verheißen hat.

Denn zum „Frieden auf Erden!“ gehört der erste Teil der Botschaft der Engel auf dem Felde bei den Hirten unbedingt dazu: „Ehre sei Gott in der Höhe.“ - „Gloria in excelsis Deo!“

Obwohl die Sehnsucht nach Frieden unter uns Menschen wächst, so wird dieser erste Teil der Botschaft der Engel immer weniger angestimmt und gehört. Dabei gehört doch beides zusammen: Frieden auf Erden und Gott die Ehre in seinem Leben zu geben, ihm das Leben anzuvertrauen und danach zu streben, nach seinem Willen und unter seiner Verheißung den Lebensweg zu gehen.

In den letzten Tagen haben wir im Rahmen unserer Festwoche in Glauchau jeden Tag Mittagsgebet gehalten. 15, 20 Minuten der Einkehr mitten im Tagesgeschäft. Nicht viel. Wir waren auch nie eine große Gemeinde. Als die Mittagsglocke erklang, da haben wir gehört, gesungen, gebetet, geschwiegen.

Für mich kann ich sagen, dass ich jedes Mal mit einem Gefühl des inneren Friedens aus unserer Kirche hinausgegangen bin, gestärkt für das, was am Tag noch auf mich wartete.

Wo lassen wir uns, wo lassen Sie sich mitten im Alltag unterbrechen, um ihr Tagwerk, ihre Freude und ihren Dank vor Gott zu bringen? Wo haben Sie den Platz im Alltag, wo sie ihre Sorgen, dass was sie beschäftig und umtreibt, was ihnen Angst macht, abzugeben und in Gottes Hände legen? Wo öffnen wir uns Gott, damit er uns mit seinem Frieden erfülle?

Das Geläut in unseren Kirchen am Morgen, am Mittag und am Abend kann dazu eine Hilfe sein: Kurz die Hände falten, uns ausrichten hin zu unserem Herrn. Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden. Beides gehört zusammen.

Wer das eine vom anderen trennt, wird immer wieder ein Scheitern erleben. Der alleinige Lobpreis Gottes vergisst die Bedürfnisse des Nächsten. Und die alleinige tätige Nächstenliebe verliert ihren Grund und ihr Fundament.

Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden.

Chor: Gloria in excelsis Deo

 

 

Liebe Gemeinde,

unsere Welt aus den Fugen. Konflikte lodern auf. Extreme nehmen zu. Was kann ich schon tun?

Ja, ich kann etwas tun. Wir können etwas tun, gerade wir als Christen. Wir wissen um die Zusagen Gottes, um seine Verheißungen für unser Leben und für unsere Welt. Wir erleben es doch, dass wir getröstet werden durch sein Wort, dass wir gestärkt werden durch ihn, dass wir Zuversicht finden durch seine Nähe. Er eröffnet Zukunft, Zukunft, die über diese Welt hinausreicht.

Wir bleiben zu allererst Empfangende, Menschen die sich zu Gott hin ausrichten, mit all ihren Möglichkeiten. Dabei wissen wir aber auch, wie begrenzt diese sind.

Das entlastet uns. Und das bewahrt uns davor, immer alles selbst perfekt machen und regeln zu müssen – und am Ende oft enttäuscht zu sein.

Doch genauso bleiben wir auch Menschen, die dann, erfüllt mit Gottes Frieden, diesen Frieden hineintragen in diese Welt – angefangen in unserem Bekanntenkreis, in der Familie, Partnerschaft – bis hinein in unsere Dörfer und Städte, in unser Land.

Und das ohne Angst, denn letztlich wissen wir uns gehalten und beschenkt.

Dadurch werden Gewalt, Hass, Streit, Krieg nicht auf einmal verschwinden. Und auch die lodernden Krisenherde dieser Welt werden nicht schlagartig alle verlöschen. Aber die lähmende und zerstörerische Angst verliert nach und nach ihre Kraft und ihre zersetzende Macht. Dann treten an die Stelle von Protest und Abgrenzung Vertrauen und Offenheit, dann wächst Frieden.

Ja, es ist ein Kreuz mit dem Frieden in unserer Welt. Und es wird ein Kreuz bleiben.

Doch brauchen wir keine Angst zu haben oder zu resignieren. Denn wir finden schon heute und hier Frieden durch das Kreuz. Es erinnert uns an den Mann von Nazareth, an Jesus, den wir als Gottes Sohn, als Christus bekennen. Er hat Hass, Spott, ja auch den Tod erlitten und getragen – und überwunden. Er ist unser Friede. Soli Deo Gloria. Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden.

Und dieser Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

 

Es gilt das gesprochene Wort.

12.10.2017
Pfarrer Matthias Große