TV-Tipp: "Tatort: Hardcore" (ARD)

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TV-Tipp: "Tatort: Hardcore" (ARD)
8.10., ARD, 20.15 Uhr: "Tatort: Hardcore"
Wer’s beim "Tatort" lieber betulich hat und es nicht mag, wenn bestimmte Dinge beim Namen genannt werden, sollte diesen Krimi meiden: "Hardcore", der Titel deutet es an, spielt im Porno-Milieu.

Regisseur Philip Koch, von dem auch der vorzügliche vorletzte "Tatort" aus München ("Der Tod ist unser ganzes Leben") stammte, verzichtet zwar auf allzu explizite Bilder, um nicht gegen die Jugendschutzauflagen zu verstoßen, doch die Dialoge und Geräusche lassen keinen Zweifel daran, worum es geht. Ähnlich wie "Einmal täglich" (tägliche Serien) oder "Allmächtig" (das Internet) ist "Hardcore" Münchener Medienkunde mit anderen Mitteln. Wer sich bislang nicht allzu intensiv mit der Materie beschäftigt hat, kann noch einiges lernen; allerdings wird es auch viele Zuschauer geben, die gar nicht wissen wollen, was die Branche unter Bukkake versteht und warum ein "Cumshot" so wichtig ist. Diese Menschen dürften auch der Meinung sein, dass die ARD den Krimi zwei Stunden zu früh ausstrahlt.

Dabei ist "Hardcore" gar kein abstoßender Film, weil Koch, der das Drehbuch gemeinsam mit Bartosz Grudziecki geschrieben hat, eine verblüffende Gratwanderung gelingt: Die Handlung ist nicht komisch, aber der Film ist mitunter fast eine Komödie. Das liegt vor allem an den beiden Granden des Sonntagskrimis: Udo Wachtveitl und Miroslav Nemec, seit 1991 ein "Tatort"-Team und immer noch voller Elan, sorgen mit trocken vorgetragenen Kommentaren und ihrem unnachahmlichen Spiel immer wieder für witzige Momente. Dabei ist gerade Ivo Batic eigentlich ziemlich abgestoßen von dem Milieu, in dem das Duo nach dem Mord an einer Pornodarstellerin ermitteln muss. Koch führt die Frau wie einen Star ein: Die attraktive Marie Wagner (Helen Barke), in Fachkreisen als Luna Pink verehrt, schreitet selbstbewusst zur berühmten Arie aus Henry Purcells Oper "King Arthur" über den Münchener Rathausplatz zu einem Etablissement, in dem ein Pornofilm entstehen soll. Sie zieht sich um und betritt den Drehort; die ausnahmslos maskierten Männer empfangen sie mit Applaus. Marie wirft noch einen tiefen Blick in die Kamera, anschließend zeigt Koch lauter verzückte Männergesichter. Am nächsten Morgen ist die Darstellerin tot. Hinweise auf einen möglichen Täter gibt es genug: Rund zwei Dutzend Kerle haben eindeutige Spuren hinterlassen. Leitmayr und Batic verdächtigen allerdings erst mal den Pornoproduzenten Hauer (Frederic Linkemann) und seinen erbitterten Konkurrenten Jordan (Markus Hering). Außerdem sitzt ihnen Oberstaatsanwalt Kysela (Götz Schulte) im Nacken, denn es gibt da eine äußerst pikante Personalie: Die junge Frau, eine Sozialpädagogin, die in einem Altenheim gearbeitet hat, ist seine Tochter, und selbstredend möchte er nicht, dass das publik wird.

Gerade bei den Begegnungen mit den wenig sympathischen Produzenten kommen jene Details und Praktiken zur Sprache, die dem Film sicherlich einen gewissen Reiz verleihen; aber für Spritzigkeit sorgen die beiden Ermittler. Außerdem lebt "Hardcore" von den zum Teil recht schrägen Figuren, die Koch und Grudziecki ersonnen haben. Und schließlich war es ihnen offenbar ein Anliegen, deutlich zu machen, dass man sich durchaus freiwillig in diesen laut Batic "kleinbürgerlichen miefigen Sumpf" begeben kann, auch wenn sich das der Hauptkommissar, der Pornofilme für "perverses Scheißzeug" hält, nicht vorstellen kann: Sowohl Marie Wagner wie auch ihre Freundin Stella Harms (Luise Heyer) hatten durchaus Spaß an ihrem Treiben. Stella hat sich allerdings zurückgezogen, seit sie verheiratet ist und einen kleinen Sohn hat; Gatte Markus (Golo Euler) ist ohnehin nicht begeistert über die Vergangenheit seiner Frau und entsprechend schockiert, als sie ein Comeback anstrebt. Dieser Nebenstrang wirkt mitunter etwas überstrapaziert, ist aber wichtig fürs Finale, bei dem Produzent Hauer zum "Gangbang" vor laufender Kamera geladen hat. Dass sich auch der bewaffnete Kysela unters umtriebige Volk mischt, sorgt für zusätzliche Spannung; und so viele Nackte auf einen Haufen wie in dieser Szene hat es im "Tatort" bestimmt noch nicht gegeben.

Trotzdem sind es neben dem ungewöhnlichen Sujet wieder einmal vor allem die Szenen mit Wachtveitl und Nemec, die "Hardcore" zu einem besonderen "Tatort" machen. Den beiden alten Hasen genügen oft Nuancen; oder noch weniger. Bestes Beispiel für Kochs Balance zwischen Krimi und Komödie ist eine Szene, in der eine Komparsin den Kommissaren schildert, wie sie beim Dreh aus der Rolle gefallen ist und ihren Filmpartner dort gebissen hat, wo’s besonders weh tut. "Manche Männer mögen das", sagt sie, und wirft Batic einen speziellen Blick zu, der daraufhin schmerzlich das Gesicht verzieht. Sehr skurril ist auch ein Gespräch zwischen zwei Darstellern, die beim zweiten Frühstück gemeinsam mit Leitmayr über ihre Steuererklärung fachsimpeln, während sie gleichzeitig dafür sorgen, dass sie, nun ja, standhaft bleiben.