Gedenken an rassistische Ausschreitungen

Rauchgeschwärzte, eingeschlagene Fenster des Plattenbaus in Rostock-Lichtenhagen, der von rechtsradikalen Jugendlichen in der Nacht des 24.08.1992 angezündet wurde.
Foto: epd-bild / Peter Himsel
Rauchgeschwärzte, eingeschlagene Fenster des Plattenbaus in Rostock-Lichtenhagen, der von rechtsradikalen Jugendlichen in der Nacht des 24.08.1992 angezündet wurde.
Gedenken an rassistische Ausschreitungen
Fremdenfeindliche Gewalt in Rostock-Lichtenhagen vor 25 Jahren
Das "Sonnenblumenhaus" in Rostock-Lichtenhagen wurde 1992 weltweit zum Symbol für schwere rassistische Ausschreitungen. 25 Jahre später wird mit gedenkveranstaltungen und fünf Kunstobjekten an die Ereignisse erinnert.

Die Bilder gingen vor 25 Jahren um die Welt: Am 24. August 1992 belagerten Hunderte Jugendliche und Erwachsene das "Sonnenblumenhaus" im Rostocker Stadtteil Lichtenhagen. Aus der Menge heraus wurden Steine und Brandsätze geworfen. Etwa 150 Menschen konnten sich nur durch Flucht auf das Dach des Hauses vor dem Feuer retten, darunter 120 Vietnamesen, ein ZDF-Team und einige Rostocker. Dies war der traurige Höhepunkt der vom 22. bis 26. August 1992 andauernden ausländerfeindlichen und rassistischen Krawalle vor der Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber im "Sonnenblumenhaus" und dem benachbarten Wohnheim für Vietnamesen.

Die Rostocker Bürgerschaft entschuldigte sich vor fünf Jahren, zum 20. Jahrestag der Ausschreitungen, in einer Erklärung bei den Opfern. Rund 150 Menschen hätten damals um ihr Leben fürchten müssen, während Rechtsextremisten aus ganz Deutschland, aber auch Tausende Rostocker Beifall klatschten, hieß es darin. Die in der Verantwortung stehenden Behörden von Bund, Land und Kommune hätten versagt. Die Ereignisse dürften weder verdrängt, noch beschönigt oder vergessen werden. Die Aufarbeitung sei ein immerwährender Auftrag.

Dezentrales Erinnern und Mahnen

Einen weiteren Schritt des Gedenkens geht Rostock in diesem Jahr vom 22. bis 26. August mit einer Gedenkwoche. In diesen Tagen werden fünf Stelen aus Marmor in verschiedenen Stadtteilen eingeweiht, die die Künstlergruppe "Schaum" zum Thema "Gestern Heute Morgen" gestaltet hat. Diese Künstlergruppe besteht aus Alexandra Lotz und Tim Kellner.

Ministerpräsidentin Manuela Schwesig steht gemeinsam mit (l-r) dem 1. Stellvertreter des Oberbürgermeisters Chris Müller, Bürgerschaftspräsident Wolfgang Nitzsche, dem Vorsitzenden des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma Romani Rose und dem Vorsitzenden der Rostocker Jüdischen Gemeinde Juri Rosov hinter einer Stele, die nach einer zentralen Gedenkfeier zum 25. Jahrestag der rassistischen Ausschreitungen von Rostock-Lichtenhagen als erste von fünf thematischen Gedenkstelen eingeweiht wurde.

Die fünf Kunstobjekte tragen die Titel "Politik", "Medien", "Gesellschaft", "Staatsgewalt" und "Selbstjustiz". Aufstellt werden sie vor dem Rathaus, dem Verlagsgebäude der "Ostsee-Zeitung", am ehemaligen Standort des "JugendAlternativZentrums", an der Polizeiinspektion und beim "Sonnenblumenhaus". Damit will die Stadt das Konzept des dezentralen Erinnerns und Mahnens "Lichtenhagen 1992" umsetzen.

Begleitend werden an den verschiedenen Erinnerungsorten dokumentarische Songtexte live aufgeführt. Diese "Gesangsstücke" haben Künstler Stefan Krüskemper, Oscar Ardila und Michaela Nasoetion gemeinsam mit Rostocker Einwohnern entwickelt. Sie sollen, so die Stadtverwaltung, ein lebendiges Gedenken sein.

Antiziganismus in der Gesellschaft

Zum Auftakt der Gedenkwoche gab es am Dienstag um 17 Uhr eine Veranstaltung in der Marienkirche, der evangelischen Hauptkirche Rostocks. Dazu wurde auch der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, erwartet. Die Krawalle von Rostock-Lichtenhagen 1992 hatten sich auch gegen Sinti und Roma gerichtet.

Das "Sonnenblumenhaus" in Rostock-Lichtenhagen am 07.08.1998, an dem sich vor 25 Jahren, vom 22. bis 26. August 1992, die schwersten fremdenfeindlichen Ausschreitungen nach der Wende ereigneten.

Politikwissenschaftler und Studenten der Universität Rostock hatten vor fünf Jahren in einer Publikation auf die besondere Rolle der Sinti und Roma hingewiesen. "Der Antiziganismus der Bevölkerung hat das Pogrom entfacht", hieß es - auch mit Blick auf Medienberichte. Im Verlauf der Ausschreitungen habe sich dann ein allgemeiner Rassismus breit gemacht, wie der Angriff auf die Unterkunft vietnamesischer Vertragsarbeiter zeige.

Die Politikwissenschaftler hatten damals auch einen dauerhaften Ort des Erinnerns und Gedenkens an die Ereignisse von Lichtenhagen gefordert. Erste Schritte dazu waren im August 2012 unternommen worden. Doch die Friedenseiche, die als Erinnerungszeichen beim "Sonnenblumenhaus" gepflanzt worden war, war noch im selben Monat von unbekannten Tätern abgesägt worden. Auch die Gedenktafel am Rathaus wurde nur wenige Monate später, im Dezember 2012, von Unbekannten abgeschraubt. Die Tafel wurde ersetzt, der Baum jedoch nicht. Die Gefahr, dass er erneut abgesägt wird, erschien der Stadt zu groß.