Ein würdiges Leben am Ende

 Eine Pflegerin scherzt mit einem Patienten.
Foto: epd-Bild/St.Christophers
Eine Pflegerin scherzt mit einem Patienten.
Ein würdiges Leben am Ende
St. Christopher's in London - Das erste moderne Hospiz
Schmerzen nehmen und Menschen am Lebensende mit Leib und Seele betreuen, dafür stehen Hospize in vielen Ländern der Welt. Das erste moderne Hospiz wurde von der Britin Cicely Saunders in London gegründet

Der große helle Raum sieht aus wie ein gewöhnliches Café. Fast alle Tische sind voll besetzt, es ist Zeit für Kaffee und Kuchen. An der Theke bestellen sich die Besucher Tee oder Kaffee. Ganz am Ende des Raumes stimmt eine Gruppe "Happy Birthday" an. Es wird gefeiert. Eine Mitarbeiterin serviert süße Stückchen auf einer Étagère. Alles wirkt wie ein Nachbarschaftscafé, in dem vor allem ältere Menschen ihren Nachmittag verbringen. Der helle, freundliche Raum ist das Herz des Hospizes St. Christopher's im Londoner Stadtteil Sydenham. 

Am 24. Juli 1967 - wurde St. Christopher's eröffnet. Die ersten Patienten zogen bereits einige Tage zuvor ein. Die Idee dazu hatte die Krankenschwester und Ärztin Dame Cicely Saunders (1918-2005). Sie gilt als die Mitbegründerin der modernen Hospizbewegung, St. Christopher's als erstes modernes Hospiz: Schwerstkranke und sterbende Menschen werden auf ihrem letzten Weg versorgt und begleitet.

Enge Zusammenarbeit mit Kirchen und religiösen Einrichtungen

St. Christopher's war die erste Einrichtung, die Schmerzbehandlung, Symptomkontrolle, Pflege, Weiterbildung und klinische Forschung miteinander verband. Das Hospiz forschte über den Einsatz von Morphium in der Schmerztherapie und untersuchte neue Wege der Behandlung von Symptomen. 2005 starb Cicely Saunders in dem von ihr selbst gegründeten Haus.

Heute versorgen die Mitarbeiter jedes Jahr Tausende Menschen am Ende ihres Lebens - nicht nur stationär, sondern vor allem in ihren eigenen vier Wänden. Das Hospiz ist säkular, arbeitet aber eng mit Kirchen und anderen religiösen Einrichtungen zusammen.

Nicht jeder, der von St. Christopher's betreut wird, ist bereits im fortgeschrittenen Alter. "Wir haben auch eine Gruppe mit jungen Erwachsenen", sagt Emily Baddeley, die Kommunikationsverantwortliche der Einrichtung. "Wenn die sich hier treffen, geht es ziemlich lebhaft zu." 

Vor kurzem nahm die Gruppe an einer großen Straßenparade in London teil. Das sei zwar vielleicht ungewöhnlich für ein Hospiz, sagt Baddeley, aber für die Patienten sei es ein einmaliges Erlebnis gewesen.

Ein großer Garten umgibt das Gebäude, es gibt Kunstateliers und musiktherapeutische Angebote. Die Wände des Hospizes sind bunt geschmückt mit Werken der Teilnehmer der Kunsttherapie. Auch politische Statements lassen sich in den Kunstwerken entdecken, beispielsweise Kritik an der Regierung wegen ihrer Kürzungen im Wohlfahrtsbereich.

1.200 Freiwillige unterstützen das Hospiz bei seiner Arbeit. Hospizleiterin Heather Richardson legt großen Wert darauf, dass das Hospiz seinen Platz in der Mitte der Gesellschaft hat. "Wir definieren uns nicht über das Sozialsystem, sondern über die Menschen, die wir unterstützen."

Längere Pflegezeiten als vor 50 Jahren

Auch Kurse und Trainings für Pflegende waren schon immer ein wichtiger Teil der Arbeit von St. Christopher's. Auf dem Gelände werden Menschen aus aller Welt in der Versorgung sterbender Menschen fortgebildet.

Rund 22 Millionen Euro kostet der Unterhalt des Hospizes jährlich. Etwas mehr als ein Drittel davon übernimmt der nationale Gesundheitsdienst NHS, der Rest wird aus Spenden finanziert. Dabei nimmt der Bedarf, am Lebensende Unterstützung durch ein Hospiz zu erhalten, stetig zu, sagt Leiterin Heather Richardson: "Vor allem die sozialen Bedingungen haben sich in den vergangenen 50 Jahren stark verändert."

Die Menschen würden immer älter, oft sei bei Paaren nicht mehr nur ein Partner pflegebedürftig, sondern beide. Früher habe oft ein Ehepartner den anderen gepflegt, "aber das ist bei zunehmendem Alter einfach nicht mehr möglich, deshalb versuchen wir entfernte Verwandte zu beteiligen, Nachbarn, Freunde", sagt Richardson. Auch sei die Zeit, in der Menschen auf umfassende Pflege angewiesen seien, viel länger als noch vor 50 Jahren. Viele litten nicht nur unter einer Erkrankung, sondern an mehreren. Vor allem Demenz spiele eine große Rolle.

Deshalb sieht Richardson die Hauptherausforderung für die Zukunft darin, die Versorgung von Menschen am Lebensende wieder in die Mitte der Gesellschaft zu rücken. "Wir müssen langfristig die ganze Gesellschaft mit einbinden, anders wird das nicht zu bewältigen sein."

Dieser Artikel wurde zum ersten Mal am 24. Juli 2017 auf evangelisch.de veröffentlicht.