TV-Tipp: "Die Toten vom Bodensee: Stille Wasser" (ZDF)

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TV-Tipp: "Die Toten vom Bodensee: Stille Wasser" (ZDF)
26.6., ZDF, 20.15 Uhr: "Die Toten vom Bodensee: Stille Wasser"
Im Bodensee findet ein Fischer eine nackte Frauenleiche mit Würgemalen am Hals. In der Nähe ihres Hauses läuft Ermittler Oberländer ein verstörtes kleines Mädchen in die Arme, das ein dunkles Geheimnis hütet.
Nach dem Abschied des "Tatort" aus Konstanz bleibt der Bodensee zum Glück in der ZDF-Reihe "Die Toten vom Bodensee" als Krimischauplatz präsent. Das dortige Ermittler-Duo ist ohnehin interessanter, als es das in Routine erstarrte gemischte ARD-Doppel war, zumal die Drehbücher das Privatleben der beiden Hauptfiguren geschickt mit den Fällen kombinieren. Ganz normale Kollegen sind Hannah Zeiler (Nora von Waldstätten) und Micha Oberländer (Matthias Koeberlin), die eine Einheit zur grenzübergreifenden Kriminalitätsbekämpfung bilden, ohnehin nicht, aber dass sich die beiden der jüngsten Herausforderung nicht unbelastet stellen können, hat andere Gründe: Der Kommissar aus Lindau hat erhebliche Eheprobleme. Die Kriminalinspektorin aus Bregenz wiederum ist kaum teamfähig, aber diesmal befreit sich auch ein nie bewältigtes Kindheitstrauma aus seiner Verdrängung: Nach dem Fund einer Frauenleiche im See wird Zeiler umgehend von den Erinnerungen an ihre ertrunkene Mutter übermannt.

 
Nicht nur der Titel, "Stille Wasser", auch der Auftakt des Films deutet an, dass die Geschichte (Drehbuch: Timo Berndt) ein Spiel mit Sein und Schein sein wird: Friedlich tuckert ein Fischerboot auf den See hinaus. Die herbstlich schönen Bilder signalisieren eine Welt, die nicht nur morgens um sieben noch in Ordnung ist, aber als sich der Fischer schwer tut, sein Netz an Bord zu holen, ahnt man selbstredend, dass dies wohl nicht an einem besonders guten Fang liegt. Der "Tatort" aus Konstanz hat sich diesen Kontrast aus Grauen und Idylle zuletzt viel zu selten zunutze gemacht.
Die nackte tote Frau war Lehrerin, anscheinend ist sie nachts schwimmen gewesen, aber ihre Kleidung am Ufer wirkt ungetragen, und die Würgemale am Hals stammen womöglich nicht nur von dem Fischernetz, in dem sie sich verheddert hat. In der Nähe ihres Hauses läuft Oberländer außerdem ein verstörtes kleines Mädchen in die Arme, und da sich außerdem ein mysteriöser Motorradfahrer, der schon das Bergen der Leiche neugierig beobachtet hat, als Onkel (Dirk Borchardt) des Kindes entpuppt, wird das Ermittlerduo auf das Ehepaar Rademann (Laura Tonke, Philipp Hochmair) aufmerksam; zusammen mit Tochter Noemi eine sympathische, anscheinend ganz normale Familie. Allerdings legt Andreas Linke, der schon die beiden ersten Krimis mit Zeiler und Oberländer gedreht hat, mit seiner Inszenierung den Verdacht nahe, dass der Schein auch diesmal trügt. Tatsächlich hütet die kleine Noemi ein düsteres Geheimnis; aber damit ist der Schrecken für das Kind noch lange nicht zu Ende.

Verbindung zu Suizid im Reitstall 

Neben den schönen Bildern zeichnet sich "Stille Wasser" vor allem durch die vorzügliche Führung der Schauspieler aus. Gerade Nara Knöpfle, die Darstellerin der Noemi, macht ihre Sache ausgezeichnet, zumal sich Kinder im Grundschulalter meist schwer mit den Dialogen tun. Dazu passt, dass Hannah Zeiler die einzige Erwachsene ist, zu der Noemis echtes Vertrauen fasst: Die beiden traumatisierten Menschen entdecken rasch ihre Seelenverwandtschaft. Für Nora von Waldstätten hat dies den Vorteil, Zeilers Maskenhaftigkeit etwas aufbrechen zu können. Die Polizistin verbirgt ihre Seele hinter starren Gesichtszügen und lässt niemanden an sich ran, aber hin und wieder bekommt die Maske Risse. Raffiniert sorgt Berndt dafür, dass ihre Privatsache plötzlich Teil des Falls wird: Durch den Anblick der Wasserleiche aus der Bahn geworfen, will Zeiler mit ihrer früheren Therapeutin telefonieren. Als die Kinder- und Jugendpsychologin zurückruft, denkt Oberländer, Zeiler habe die Frau bei der Befragung von Noemi dabei haben wollen und lädt sie ein, was der Kollegin eine verblüffte Begegnung beschert. Aber auch Oberländer kommt nicht unbeschadet aus der Sache raus: Zufällig stellt er fest, dass der Reitlehrer seiner Tochter, den er im Zuge der Ermittlungen befragt, ein Verhältnis mit seiner Frau (Inez Bjørg David) hat. Prompt nimmt er sich den Mann besonders intensiv vor, und tatsächlich stellt sich raus, dass sich vor zwei Jahren im Pferdestall eine Frau das Leben genommen hat, die exakt die gleichen Würgemale am Hals hatte wie die Tote aus dem See. Schon damals gab es Zweifel an der Suizidtheorie. Selbstredend sorgt Linke dafür, dass neben Matthias Koeberlin und Nora von Waldstätten der Bodensee als dritter Hauptdarsteller zur Geltung kommt; Kameramann Jo Molitoris hat für einige prachtvolle Nebelbilder gesorgt. Abgerundet wird die gute künstlerische Gesamtleistung durch die interessante elektronische Musik von Chris Bremus.