TV-Tipp: "Unter Verdacht: Verlorene Sicherheit" (ZDF)

Foto: Getty Images/iStockphoto/vicnt
TV-Tipp: "Unter Verdacht: Verlorene Sicherheit" (ZDF)
17.6., ZDF, 20.15 Uhr: "Unter Verdacht: Verlorene Sicherheit"
Auch wenn es zynisch klingt: In Zeiten wie diesen geht ein Sender ein gewisses Risiko ein, wenn er akzeptiert, dass ein Film mit einem Terroranschlag beginnt - die Gefahr, dass die Ausstrahlung kurzfristig verschoben werden muss, ist nicht von der Hand zu weisen. Tatsächlich ist der Auftakt zum Zweiteiler "Verlorene Sicherheit", der 26. Episode aus der ZDF-Reihe "Unter Verdacht", derart realistisch, dass die Bilder auch in friedlicheren Jahren beträchtliche Beklemmungen hervorrufen würden.

Bei einem Umzug wahrend des Oktoberfests explodiert mitten in München eine Bombe. Die geschickte Kombination mit offenbar authentischem Bildmaterial lässt die Szene noch erschütternder wirken; erst recht, als der sich verziehende Qualm den Blick auf ein mutterseelenallein mitten im Chaos stehendes Mädchen freigibt. Und natürlich weckt ein derartiger Auftakt hohe Erwartungen. Ähnlich wie in dem kurz zuvor ausgestrahlten "Tatort" aus München ("Der Tod ist unser ganzes Leben") steigert sich der Nervenkitzel gerade auch dank der Musik (hier wie dort: Sebastian Pille) innerhalb weniger Augenblicke auf die höchste Stufe; aber wie soll es dann weitergehen?

Andreas Herzog – "Verlorene Sicherheit" ist sein fünfter Beitrag zu der Reihe – hat klugerweise gar nicht erst versucht, dieses Spannungsniveau zu halten. Das Drehbuch des Autorenduos Stefan Holtz und Florian Iwersen, das mit dem Regisseur bereits bei der "Unter Verdacht"-Episode "Ohne Vergebung" zusammengearbeitet hat, bleibt zunächst dem quasi dokumentarischen Stil treu: Es folgen Nachrichtenschnipsel, eine Pressekonferenz und die Fernsehansprache des Ministerpräsidenten. Die eigentliche Geschichte beginnt gänzlich unspektakulär ein gutes Jahr später, als sich die interne Ermittlerin Eva Prohacek und ihr Mitarbeiter Langner (Rudolf Krause) mit einem Polizisten treffen, dessen Gehalt gepfändet worden ist. Ein reiner Routinetermin, doch fur die Kriminalrätin birgt das Gespräch eine zweifache Brisanz: Cem Oktay (Sohel Altan Gol) war einst ihr Pflegekind, bis die Aufgabe sie überforderte und der Kontakt abbrach; außerdem hatte er während des Anschlags Dienst. Er hat die Explosion nur durch Zufall überlebt, weil ihm schlecht war und er seinen Posten verlassen musste. Als im Internet ein Video auftaucht, dass Cem dabei zeigt, wie er den Wagen des Attentäters durchwinkt und dann den Schauplatz des Verbrechens verlässt, steht fur die Öffentlichkeit fest, dass er mit drin steckt; und Eva Prohacek muss sich auf einen Fall einlassen, der sie auf ganz ähnliche Weise an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit führt wie vor 25 Jahren der Reihenauftakt "Verdecktes Spiel". Damals war sie nach einem traumatischen Erlebnis psychisch gebrochen; diesmal ist es ihr Körper, der nicht mehr mitmacht, und darauf bezieht sich der Titel "Verlorene Sicherheit" mindestens ebenso sehr wie auf die allgemeine Lage.

Schon allein die Idee, die Hauptfigur mit einer Person aus ihrer Vergangenheit zu konfrontieren, ist reizvoll. Diese persönliche Betroffenheit gibt dem Fall automatisch eine besondere Note, zumal Cem schließlich verhaftet wird. Mitten in den Ermittlungen spielt jedoch plötzlich Prohaceks Gesundheit nicht mehr mit: Ausgerechnet in dem Moment, als sie eine Speicherkarte mit einem Video findet, das Cems Unschuld belegt, hat sie einen leichten Schlaganfall; anschließend ist der Chip verschwunden. Kurz drauf wiederholt sich das Ereignis: Erneut stößt sie auf entscheidende Beweise, erneut hat sie einen weiteren, diesmal wesentlich schlimmeren Schlaganfall, und Abteilungsleiter Claus Reiter (Gerd Anthoff), der sich schon eine Menge hat zuschulden kommen lassen, begeht die vermutlich größte Niedertracht seines Lebens; selbstredend endet damit auch der erste Teil.

Die Faszination der Reihe bestand von Anfang an in der Konstellation David gegen Goliath; diesmal findet Prohacek raus, dass der Verfassungsschutz den Anschlag hatte verhindern können, und nun beginnt ein dreckiges Spiel, das selbst in den an Skandalen und Abgründigkeiten wahrlich nicht armen bisherigen 25 Folgen von "Unter Verdacht" seinesgleichen sucht. Neben Herzogs jederzeit fesselnder Inszenierung imponiert "Verlorene Sicherheit" nicht zuletzt durch den Detailreichtum der Geschichte. Senta Berger gelingt ohnehin erneut eine vorzugliche Leistung. Für Produzent Mario Krebs wird es eine echte Herausforderung, das Niveau dieses auch in kleinen Rollen vorzüglich besetzten Films in den letzten Produktionen zu halten oder gar noch zu steigern. Der Abschluss der Reihe wird ebenfalls vom Trio Herzog, Holtz und Iwersen stammen.