Lutherischer Weltbund gibt Erklärung zum Völkermord in Namibia heraus

Lutherischer Weltbund gibt Erklärung zum Völkermord in Namibia heraus
Die in Windhuk veröffentlichte Erklärung des Lutherischen Weltbundes (LWB) zum Völkermord in Namibia wird von vielen als Meilenstein gesehen. Deutsche Bischöfe würdigten das Papier als "historisch". Auch die Kirchen in Namibia begrüßten den Text.

Mit Blick auf die deutschen Kolonialverbrechen Anfang des 20. Jahrhunderts in Namibia hat der Lutherische Weltbund (LWB) beide Völker zur weiteren Aufarbeitung aufgerufen. Schmerzhafte Erinnerungen müssten ausgesprochen werden, heißt es in einer am Montagabend in Windhuk veröffentlichten Erklärung der zwölften LWB-Vollversammlung: "Erst wenn die Wahrheit gesagt und Gerechtigkeit gesucht ist, kann tatsächliche Versöhnung über den Schmerzen der Vergangenheit stattfinden." Der rund 74 Millionen Christen repräsentierende Weltbund tagt noch bis Dienstagabend in der namibischen Hauptstadt.

In dem mit großer Mehrheit verabschiedeten Papier heißt es: "Das Schicksal der Herero, Nama und anderen Ureinwohnern unter deutscher Kolonialherrschaft am Anfang des 20. Jahrhunderts bereitet den Völkern Namibias und Deutschlands bis heute Schmerzen." Deutschland verhandelt zurzeit mit der Regierung Namibias über eine Aufarbeitung der Verbrechen.

Lutherischer Weltbund will namibisch-deutschen Versöhnungsprozess begleiten

Bischöfe aus Deutschland und Namibia sprachen am Montagabend von einem "historischen Moment". Es gab 244 Ja- und neun Nein-Stimmen bei elf Enthaltungen. Der Lutherische Weltbund verpflichtet sich in dem Papier zur Begleitung und Unterstützung bei dem Versöhnungsprozess zwischen Namibia und Deutschland, sollte sie angefordert werden. "Als eine Gemeinschaft, die sich für Gerechtigkeit, Frieden und Versöhnung einsetzt, sehen wir den Prozess zwischen Namibiern und Deutschen als Kernstück unserer Berufung", heißt es in dem Papier.

Der LWB-Vizepräsident und württembergische Landesbischof Frank Otfried July begrüßte die Erklärung. Es sei gut, dass der LWB weder den Namibiern noch den Deutschen vorschreibe, wie der Versöhnungsprozess auszusehen habe, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd). Aber der LWB wolle den "Geist dieses Prozesses begleiten". Dass jetzt just bei der Vollversammlung in Namibia der Genozid "deutlich unterstrichen" werde, sei ein historischer Moment, fügte July hinzu.

Gerhard Ulrich (Schwerin), Landesbischof der Nordkirche und zugleich leitender Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands, würdigt die Erklärung in Windhuk als "historisch" und als "mutigen Schritt". Das Papier sei ein "unglaublicher Rückenwind" für die weiteren Verhandlungen, sagte er dem epd. Die Erklärung werde von allen Beteiligten unterstützt, auch von den drei lutherischen Kirchen in Namibia.

Der LWB habe die Erklärung veröffentlicht, "wohlwissend, dass es gerade hier in Namibia auch unterschiedliche Bewegungen und Zielvorstellungen gibt". Das Papier sei eine hervorragende Ausgangssituation für die weiteren Gespräche zwischen der deutschen und namibischen Regierung. In der Erklärung "zur Versöhnung im Zusammenhang mit dem Völkermord in Namibia" heißt es unter anderem, es gebe keine standardisierten, vorgefertigten Lösungen. Namibier und Deutsche müssten gemeinsam klären, "wie Geschichte weitergetragen werden wird, wie Gerechtigkeit gefunden wird und wie Versöhnung vorankommen kann", betont der LWB in dem Papier.

Ernst Gamxamub, Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in der Republik Namibia, dankte dem LWB für dessen Unterstützung. Man brauche den LWB bei der Begleitung des Versöhnungsprozesses unbedingt, sagte er stellvertretend für die drei lutherischen Kirchen in Namibia.

Ende April hatte die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ein Schuldbekenntnis zum Völkermord veröffentlicht. Darin bat sie die Nachkommen der Opfer der Kolonialverbrechen im damaligen Deutsch-Südwestafrika vor mehr als 100 Jahren um Vergebung. "Dies ist eine große Schuld und durch nichts zu rechtfertigen", heißt es in der Erklärung.

Deutsche Kolonialtruppen hatten in Reaktion auf Aufstände zwischen 1904 und 1908 einen Vernichtungskrieg im Südwesten Afrikas geführt, der als Völkermord gewertet wird. Schätzungen zufolge wurden bis zu 100.000 Herero und Nama getötet oder in den sicheren Tod in der Wüste getrieben. Ein Großteil der Überlebenden wurde ihres Landes enteignet. Deutschland hatte 1884 die Kolonie Deutsch-Südwestafrika im heutigen Namibia errichtet. 1915 kapitulierten die deutschen Truppen. Südafrikanische Truppen besetzten das Land.