Statistiker: Deutschland hat demografischen Wandel schon hinter sich

Statistiker: Deutschland hat demografischen Wandel schon hinter sich
Der Koblenzer Statistikprofessor Gerd Bosbach hat davor gewarnt, den Menschen mit Katastrophenszenarien einer alternden Gesellschaft Angst zu machen. Den Großteil des demografischen Wandels habe Deutschland bereits im vergangenen Jahrhundert gemeistert, sagte der Mathematiker am Mittwoch in Hannover bei einer Konferenz zur Rentenpolitik.

Alle prognostizierten Veränderungen für das 21. Jahrhundert seien weitaus weniger gravierend, als das, was Deutschland bereits hinter sich habe. Entscheidend für das Wohlstandsniveau breiter Gesellschaftsschichten seien überdies nicht die Bevölkerungsentwicklung, sondern politische und wirtschaftliche Entscheidungen, sagte Bosbach. Die Konferenz wurde vom Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers und von mehreren Gewerkschaften ausgerichtet.

Von 1900 bis 2000 sei die Lebenserwartung der Menschen in Deutschland bereits um mehr als 30 Jahre gestiegen. Der Anteil der über 65-Jährigen sei von fünf auf mehr als 16 Prozent gewachsen. Gleichzeitig sei der Anteil der unter 20-Jährigen an der Gesamtbevölkerung von 44 auf 21 Prozent gesunken, erläuterte Bosbach. Für das Jahr 2050 etwa werde hierbei lediglich ein weiteres Absinken auf 16 Prozent erwartet. Trotz der demografischen Entwicklung im 20. Jahrhundert sei in dieser Zeit der Wohlstand hierzulande massiv gewachsen. Der Sozialstaat sei stark ausgebaut worden, die Wochenarbeitszeit von rund 60 auf 40 Stunden gesunken.

Demografie-Ängste, die ein Aussterben der Deutschen oder materielle Verluste beschwören, habe es auch im vergangenen Jahrhundert schon gegeben, sagte Bosbach, der an der Hochschule Koblenz lehrt. All diese Befürchtungen hätten sich als falsch herausgestellt. Seit dem Jahr 2000 gebe es jedoch eine gezielte und "tiefgehende Angstmache", die wissenschaftlich nicht zu rechtfertigen sei. An dieser beteiligten sich interessierte Akteure wie Versicherungen, die private Vorsorgeverträge verkaufen, und Unternehmen, die Lohnnebenkosten einsparen wollten, kritisierte er. "Die Angstmache hat nichts mit Demografie zu tun, sondern mit Umverteilung."