Luthers Wirken gibt Merkel Orientierung in der Politik

Luthers Wirken gibt Merkel Orientierung in der Politik
Das Wirken des Reformators Martin Luther hat für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach eigener Aussage großen Einfluss auf ihre Politik. Die Mischung aus selbstkritischem Hinterfragen und anpackender Zuversicht habe ihr einen Zugang zu Luther eröffnet, "dem ich bis heute Orientierung verdanke", schreibt Merkel in einem Gastbeitrag für den Berliner "Tagesspiegel", der am Freitag mit einem Spezialteil zum evangelischen Kirchentag Ende Mai in Berlin erschien.

"Es ist diese Mischung, die mich letztlich auch in die Politik geführt hat", erläutert die Kanzlerin. Merkel verwies auf die zentrale Aussage in Luthers Schrift zur Freiheit eines Christenmenschen, wonach ein Christ ein freier Herr und niemandem untertan, zugleich aber auch ein dienstbarer Knecht und jedermann untertan sei. Damit verwirkliche sich Freiheit in der Verantwortung für andere, schreibt die Regierungschefin.

Merkel leitet aus Luthers Thesen auch aktuelle Denkanstöße ab: "Wie der Ablasshandel im Spätmittelalter den Menschen die Pflicht zur täglichen Selbstprüfung abzunehmen schien, so gibt es auch heute manchmal eine Tendenz zu sehr einfachen Antworten." Luther mahne, sich zu fragen, "ob die Richtung noch stimmt".

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Auch Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) verweist vor dem Hintergrund von Polarisierung und Zulauf zu Populisten auf Lehren der Reformatoren. In einer Zeit, in der "der Ruf nach dem Autoritären wieder Konjunktur zu haben scheint, müssen wir deshalb die mit der Reformation untrennbar zusammenhängenden Fragen von Religion und Ordnung sowie der Mündigkeit und Verantwortung des Einzelnen neu aufnehmen", schreibt er in seinem Beitrag für den "Tagesspiegel".

Gabriel betonte, das 500. Reformationsjubiläum in diesem Jahr sei aufgrund der Verbreitung des Protestantismus nicht nur ein kirchliches, sondern ein Ereignis mit außenpolitischer Dimension. Er würdigte den Einfluss der Reformatoren auf die Entwicklung von Demokratie und Bildung und unterstrich die Verantwortung der Religionsgemeinschaften für Frieden und Zusammenhalt in der Gesellschaft. Für den 22. Mai plant Gabriel zu diesem Thema eine Konferenz im Auswärtigen Amt in Berlin.

Die evangelische Kirche feiert bis Oktober dieses Jahres 500 Jahre Reformation. 1517 hatte Martin Luther (1483-1546) seine 95 Thesen gegen die Missstände der Kirche seiner Zeit veröffentlicht, die er der Überlieferung nach am 31. Oktober an die Tür der Wittenberger Schlosskirche nagelte. Der Thesenanschlag gilt als Ausgangspunkt der weltweiten Reformation, die die Spaltung in evangelische und katholische Kirche zur Folge hatte.