Ausprobierkirche für junge Protestanten

Die Rogatekirche in München ist ab dem 30. April 2017 eine Jugendkirche.
Foto: Volker Blechschmidt
Die Rogatekirche in München ist ab dem 30. April 2017 eine Jugendkirche.
Ausprobierkirche für junge Protestanten
In der neuen Jugendkirche in München gestalten die Hauptpersonen selbst das Programm
Für die evangelische Jugendkirche München wurde die Rogatekirche Ramersdorf für 4,9 Millionen Euro umgebaut. In dem neuen Komplex glauben und leben nun die 1.200 Gemeindemitglieder und die Evangelische Jugend München in einer Art Kirchen-WG.

Von außen sieht die Rogatekirche aus wie viele andere Kirchen auch: roter Ziegelbau, längliches Kirchenschiff und ein Kirchturm mit goldener Uhr. Neu ist die Fensterfront zur Straße, die vom Boden bis zur Gebäudemitte reicht. Noch hat sich die Rogatekirche nicht komplett in Münchens erste evangelische Jugendkirche verwandelt. Doch beim Anblick des weiträumigen Kirchenraums mit der weißen Baldachindecke, die an ein Garten-Pavillon aus Beton erinnert, entsteht das Gefühl: Hier ist vieles möglich.

Seit 2004 ist die Idee einer Münchner Jugendkirche von der Evangelischen Jugend München (EJM) und dem Dekanat München diskutiert worden. Nach anfänglichen Startschwierigkeiten bei der Ortsfindung und der endgültigen Klärung der Finanzierung wurde 2015 der erste Spatenstich gesetzt. Insgesamt haben die Umbauarbeiten zwei Jahre gedauert, denn abgesehen von der Sanierung der Rogatekirche zu einem neuen modernen Jugendkirchenraum mit Café, gibt es auch ein Bürogebäude für die Verwaltung der EJM. Am kommenden Sonntag (23. April) soll die Jugendkirche nun eingeweiht werden.

Jugendliche sollen sich überall einbringen können

"Das ist das Einzigartige an dem Konzept der Münchener Jugendkirche: dass eine Kirchengemeinde zusammen mit der Evangelischen Jugend ein Kirchengebäude bewohnt und belebt", erklärt Jugendkirchenleiterin Judith Amend-Knaub. "Dass das Fachpersonal auch in das Gebäude mit einzieht, wird das inhaltliche Konzept sicher mitbeeinflussen", ist sie überzeugt. Mit dem Umzug hat die Evangelische Jugend endlich einen Kirchenraum für den spirituellen Aspekt ihrer Arbeit bekommen, der in dem Bürogebäude in der Birkerstraße 19 nicht vorhanden war. Laut Amend-Knaub bietet sich dadurch den Jugendlichen eine "Kirche der Möglichkeiten", wie sie es nennt. "Hier können sie kreativ sein."

Spirituell, gesellschaftlich und ökologisch: Auf allen Ebene sollen sich die Jugendlichen einbringen. Sie können für sie passende neue Gottesdienstformen gestalten, gemeinsam über Politik diskutieren und sich überlegen, ob ihr ökologischer Beitrag beispielsweise in einem Bienenvolk bestehen soll, erklärt die Jugendkirchenleiterin. Für sie sei wichtig, dass die Jugendlichen ihre eigene Vorstellung von Kirche einbringen und ihre Ideen umsetzten. Gemeinsam etwas zu gestalten und zu lernen, wie man miteinander diskutiere, sei tief christlich. "Die Jugendkirche ist auch eine Ausprobierkirche", erklärt die 39-Jährige. Noch wirkt das Konzept wenig greifbar: Schließlich werden erst die nächsten Monate zeigen, was die Jugendlichen aus ihren neuen Möglichkeiten machen wollen.

Die jungen Christen selbst vermissen ihre alte "Heimat" in der "B19" noch sehr. Tamara, 16 Jahre, vermisst die Birkerstraße wegen der vertrauten Atmosphäre. Suvi, 17, geht es ähnlich. Doch alle stimmen der 16-jährigen Somayea zu, wenn sie sagt, dass das neue Gebäude "supercool" ist.

Auch für die Rogategemeinde mit ihren rund 1.200 Mitgliedern ist die Umstellung auf die Situation mit den neuen "Mitbewohnern" nicht ganz leicht. Doch mit irgendwem musste sich die die kleine Gemeinde in Ramersdorf zusammentun. Denn allein hätte sie die Sanierung der seit dem Jahr 2000 denkmalgeschützten Kirche nicht stemmen können. "Wir erhoffen uns neue Impulse für die Gemeinde", sagt Pfarrerin Wiltrud Schulz. Rogate sei eine Gemeinde mit vielen Menschen um die 30 Jahre, deswegen könne sie sich vorstellen, dass die Jugendarbeit auch gut in die Gemeinde hinein wirke, erläutert die Pfarrerin. 

Verärgert ist sie aber darüber, dass die Gottesdienste für die afrikanischen Mitglieder der Oromogemeinde wegfielen. "Diese Arbeit wollte der Kirchenvorstand unbedingt erhalten." Neben Oromo gab es auch Gottesdienste auf Lingala, das hauptsächlich im Kongo gesprochen wird. "Das Ostbahnhofviertel hat viele Afrikaner und die Vielsprachigkeit hat uns ausgezeichnet", erklärt Schulz. Die Oromo müssen nun in die Nachbargemeinde Offenbarung ausweichen, aber Quartiersarbeit lasse sich nicht so einfach verpflanzen, findet Schulz. Da auch die Pfarrerin selbst im August in den Ruhestand geht, steht der Gemeinde ein völliger Neuanfang bevor. Ihre Nachfolgerin wird Verena Übler, momentan noch Pfarrerin an der Lutherkirche in Giesing.

Auch wenn der Übergang vom Zweckverbund in eine Kirchen-WG für beide Seiten noch etwas holprig erscheint, sieht Ute Frohmader-Tekalgin vom Kirchenvorstand in der neuen "Wohngemeinschaft" auch viele Chancen. Natürlich befürchteten im Kirchenvorstand einige Mitglieder auch, dass die alte Gemeinde verdrängt werden könne, sagt sie. Auch bei der Frage nach Nutzungsrechten und Kostenträgern gab es ein Tauziehen. Ein Beispiel ist der Brunnen im Innenhof der Kirche. Den hat die Gemeinde nun selbst bezahlt, weil er Teil des Rogatekonzeptes ist, aber in den Bauplänen nicht vorgesehen war. Für die Zukunft in der Gemeinde wünsche man sich nicht nur ein friedvolles Nebeneinander, sondern ein aktives Miteinander, sagt Frohmader-Tekalgin. Erste Schritte werden dafür auch gemacht. Im Mai feiert die Gemeinde das Brunnenfest rund um den kleinen Brunnen im Kirchenhof. Natürlich gemeinsam mit der Jugend. "Wasser ist das Symbol für Leben" sagt Pfarrerin Schulz. Und das soll ja mit der Jugend kommen.