Der Luthergarten ist Wittenbergs lebendigstes Denkmal der Reformation

Foto: epd-bild/Steffen Schellhorn
Der Luthergarten ist Wittenbergs lebendigstes Denkmal der Reformation
Auf einem Terrain, das einst vom Militär genutzt wurde, wachsen heute Bäume. 500 sollen es bald sein - einer für jedes Jahr, das seit Beginn der Reformationsbewegung in Wittenberg vergangen ist.
24.03.2017
epd
Christina Özlem Geisler

Noch sehen sie alle gleich aus, karg und zerbrechlich: der Rotdorn, die Kugelesche, die Traubenkirsche oder Mehlbeere. Aus einem Grünstreifen zwischen Rathausparkplatz und Straße ragen die jungen Bäume in den klaren Frühlingshimmel. Kleine Knubbel an ihren Ästen lassen erahnen, dass bald die ersten Blätter sprießen. Sobald sie blühen, werden die Baumkronen so vielfältig sein wie die 91 Länder, aus denen ihre Paten kommen - Christengemeinden aus der ganzen Welt.

An drei Standorten der Altstadt entsteht seit acht Jahren der "Luthergarten". Sein Konzept geht auf den Landschaftsarchitekten Andreas Kipar zurück, der für sein grünes Engagement in deutschen und italienischen Stadtprojekten 2007 das Bundesverdienstkreuz erhalten hat. "In Vorbereitung auf das diesjährige Reformationsjubiläum entschied der Lutherische Weltbund (LWB), dass wir nicht nur den Reformator Martin Luther feiern wollen", erklärt Hans Kasch, Direktor des LWB-Zentrums Wittenberg. "Wir möchten ein lebendiges, wachsendes Denkmal der Ökumene setzen und veranschaulichen, dass die Reformation auch außerhalb Wittenbergs Impulse bekommen hat."

"... heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen"

Zur Erstbepflanzung im November 2009 kamen Katholiken, Orthodoxe, Anglikaner, Reformierte, Methodisten und Lutheraner in den südlichen Wallanlagen nahe dem Schloss zusammen. Mittlerweile sind dort und am neuen Rathaus 360 Bäume in den Boden gesetzt worden, sagt Kasch. Ihre Paten sind neben Kirchen auch kirchliche Einrichtungen und Gemeindegruppen.

Die Royals aus dem protestantischen Skandinavien haben hier ebenfalls Wurzeln geschlagen: Die Blumenesche der dänischen Königin Margrethe II. steht gleich neben dem Trompetenbaum des schwedischen Königspaares Carl XVI. Gustaf und Silvia. 60 weitere Pflanztermine für 2017 stehen schon. Im nächsten Jahr sollen die letzten Bäume neben dem Lutherhaus gesetzt werden. "Damit können wir zeigen, dass es auch nach dem Ende der Weltausstellung zur Reformationsfeier noch weitergeht", sagt der LWB-Direktor.

20 Pfarrer aus Mitgliedskirchen des Lutherischen Weltbundes haben sich um einen der Bäume vor dem Rathaus versammelt. Auf seinem Kennschild steht "Amberbaum. Liquidambar styraciflua". Seine Paten sind die "Katholische Kirche Holy Rosary und die Lutherische Hoffnungskirche in Bozeman, Montana, USA." Audrey Rydbom darf den Stamm stellvertretend für ihre Schwestergemeinde in den Staaten mit frischer Erde berieseln und eingießen. Die Pastorin spricht ein paar Worte, gemeinsam singen sie die Luther-Hymne "Ein feste Burg ist unser Gott" auf Englisch und beten, jeweils in ihren Muttersprachen, das Vaterunser.

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"Auch wenn ich wüsste, dass morgen die Welt zugrunde geht, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen", soll Luther gesagt haben. Audrey macht dieses Motto des Luthergartens Hoffnung: "Es ist ein Gefühl von Zuversicht auf ein friedliches Miteinander der Konfessionen", sagt sie mit feuchten Augen. Als sie die Einladung nach Wittenberg bekommen hat, habe sie diese einmalige Chance kaum fassen können, sagt sie. "Das Mädchen aus dem 300-Seelen-Dorf in Montana fährt nach Wittenberg, um dort mit Pfarrern aus der ganzen Welt zu sein und einen Baum einzusegnen. Das ist so aufregend!"

Zwischen den Alleen an der südlich gelegenen Andreasbreite sind Streuobstwiesen mit 80 Obstbäumen entstanden. Schüler der evangelischen Melanchthonschule ernten die Äpfel, Pflaumen und Quitten, verwerten sie zu Marmelade und verkaufen diese beim Adventsmarkt, erzählt Direktor Kasch. "So profitierten auch die Kinder Wittenbergs von den Bäumen." Das nächste Ziel sei es, an den drei Standorten des Luthergartens viersprachige Informationsterminals aufzustellen. So sollen Besucher dann ganz einfach den Baum ihrer Heimat suchen und finden können.