TV-Tipp: "Tatort: Nachbarn" (ARD)

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Foto: Getty Images/iStockphoto/vicnt
TV-Tipp: "Tatort: Nachbarn" (ARD)
26.3., ARD, 20.15 Uhr: „Tatort: Nachbarn“
Wer solche Nachbarn hat, braucht keine Feinde: Das gab’s schon öfter im Sonntagskrimi, wenn auch selten so abgedreht wie in „Wendehammer“ (Dezember 2016), einem „Tatort“ aus Frankfurt. Als ein Mann tot von einer Brücke vor einen Laster geworfen wird, bekommen es auch die Kölner Kommissare Ballauf und Schenk (Klaus J. Behrendt, Dietmar Bär) mit einer Nachbarschaft zu tun, in der jeder sein kleines schmutziges Geheimnis hat.

Dass der Film mit dem Ohrwurm „Happy“ von Pharell Williams beginnt, ist der pure Hohn, denn happy ist in dieser Vorortsiedlung niemand. Der Song wird noch zwei weitere Male erklingen, und jedes Mal sind die Abgründe, mit denen das Ermittlerduo konfrontiert wird, wieder etwas tiefer geworden.

Wie stets in solchen Geschichten entwirft das Drehbuch (Christoph Wortberg) ein Ensemble, das auf den ersten Blick einen ganz normalen Eindruck macht. Erst nach und nach stellt sich raus, dass praktisch alle Bewohner einen Grund hatten, mehr als bloß sauer auf den toten Holtkamp zu sein: Anne Möbius (Birge Schade) ist eine vom Gatten (Stephan Grossmann) vernachlässigte Strohwitwe, die beim Nachbarn Trost gefunden hat, aber der wollte das Verhältnis offenbar beenden. Regelrecht Krieg herrscht dagegen mit Leo Voigt (Werner Wölbern); die beiden Männer haben sich gegenseitig mehrfach verklagt. Und auch das junge Ehepaar Scholten (Florian Panzner, Julia Brendler) hat regelmäßig Ärger mit dem eigenbrötlerischen Holtkamp gehabt, der wiederum beide Augen auf Voigts schöne Stieftochter Sandra (Claudia Eisinger) geworfen hat.

Seine ganze Faszination offenbart der von Torsten C. Fischer mit großer Gelassenheit inszenierte Film beinahe erst in der Rückschau, wenn schließlich offenbart worden ist, in welchem Verhältnis die verschiedenen Beteiligten zueinander stehen. Im Grunde erzählt die Zeitlupenstudie, mit der die Handlung beginnt, schon die ganze Geschichte; nur versteht man sie da noch nicht. Immer wieder zeigt die Kamera die Siedlung wie bei einer Fallstudie aus der Vogelperspektive. Gerade die Beziehung zwischen den Familien Voigt und Scholten ist hochinteressant: Das junge Paar hat zwar nur ein Kind, aber Jens ist trotzdem zweifacher Vater; Sandra hat ebenfalls ein Kind von ihm. Allerdings zahlt Jens nicht etwa Unterhalt, sondern bekommt im Gegenteil Geld von Leo Voigt; ein früher Hinweis darauf, dass die Dinge anders sind, als sie scheinen.

Die Leistungen des Ensembles sind ausnahmslos sehenswert; gerade Birge Schade und Stephan Grossmann spielen ihre Eheszenen mit großer lakonischer Überzeugungskraft. Noch weniger Dialog hat nur Claudia Eisinger, die ihre Sache gerade deshalb umso vorzüglicher macht: Sandra hat’s einst nach dem Verschwinden ihrer Mutter die Sprache verschlagen; Psychologin Rosenberg (Juliane Köhler) spricht von einer dissoziativen Dysphonie. Offenbar hat die junge Frau kürzlich eine Retraumatisierung erlebt. Dass ihr Stiefvater von einer vorübergehenden Halsentzündung spricht, ist bei weitem nicht die einzige Lüge in dieser an Halbwahrheiten, Märchen und immer wieder neuen überraschenden Offenbarungen reichen Geschichte. Eher überflüssig ist allein der Versuch, auch Freddy Schenk mit einem Nachbarschaftsproblem zu konfrontieren: Er ärgert sich Nacht für Nacht über einen Papagei, der sich lautstark bemerkbar macht. Mit der eigentlichen Handlung hat das nicht viel zu tun, aber auf diese Weise kann Schenk angesichts der Klagen, die die Menschen aus der Siedlung vortragen, regelmäßig „Kenn’ ich“ brummeln.