Ökumene-Studie: Kirchen wollen Uneinigkeit in Bioethik entschärfen

Das Foto vom 15.02.08 zeigt Differenzierungsversuche mit humanen embryonalen Stammzellen am Institut für Neurophysiologie der Universität Köln.
Foto: epd-bild/Jörn Neumann
Stammzellenforschung am Institut für Neurophysiologie der Universität Köln.
Ökumene-Studie: Kirchen wollen Uneinigkeit in Bioethik entschärfen
Bei den Themen Sterbehilfe und Bioethik sprechen die Kirchen nicht mit einer Stimme. Eine neue lutherisch-katholische Studie erklärt die Gründe für abweichende Positionen und stellt zugleich das Verbindende in den Vordergrund.

Trotz bestehender Differenzen in Fragen der Bioethik und der Sterbehilfe haben Katholiken und Lutheraner ihren Willen zur Einheit bekräftigt. Katholische und lutherische Christen müssten ungeachtet unterschiedlicher Ansichten in einzelnen ethischen Fragen gemeinsam für die Menschenwürde eintreten, heißt es in einer am Mittwoch in Bonn und Hannover gemeinsam veröffentlichten Studie der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) und der katholischen Deutschen Bischofskonferenz.

Um die Themen Stammzellenforschung und Sterbehilfe waren in den letzten Jahren unterschiedliche Positionen der Konfessionen offenbar geworden. Dies war zuletzt sogar als Gefahr für die Ökumene bewertet worden. An der Studie hatten Experten rund acht Jahre gearbeitet. Der Text stellt theologische Überlegungen zur Würde des Menschen ins Zentrum.

Theologin Sattler: "Wir sind näher beieinander als es scheint"

Die Hauptbotschaft des Textes sei: "Wir sind näher beieinander als es scheint, auch in der Bioethik", sagte die katholische Theologieprofessorin Dorothea Sattler (Münster) dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Menschenwürde sei die gemeinsame Basis und das Verbindende für jede weitere Einzelentscheidung in ethischen Fragen.

Die Studie solle zu einer theologischen Fundierung und Versachlichung der Debatte beitragen. Der Eindruck, dass es einen "Grunddissens in ethischen Fragen" zwischen den Kirchen gebe, treffe nicht zu, fügte Sattler hinzu, die auch Mitautorin der Studie ist. Es gebe vielmehr einen "begrenzten Dissens", nicht nur zwischen den Konfessionen sondern auch innerhalb der Konfessionen.

"In den politischen Debatten um die Stammzellforschung der letzten 15 Jahre kam es zwischen der katholischen Kirche und den evangelischen Kirchen in der Frage des Stichtages, auf die sich die öffentliche Debatte konzentrierte, zu Differenzen", erinnerte die Studie "Gott und die Würde des Menschen" der Bilateralen Arbeitsgruppe von Bischofskonferenz und VELKD. Die katholische Kirche hatte 2008 eine Verschiebung des Stichtags strikt abgelehnt, hochrangige Vertreter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hielten eine einmalige Veränderung des Stichtags für verantwortbar. In Deutschland darf seit 2008 nur an importierten Stammzellen geforscht werden, die vor dem 1. Mai 2007 gewonnen wurden. 

"Ich bin überzeugt, dass die Ökumene nur dann auf einem guten Weg ist, wenn solche Irritationen offen angesprochen und bearbeitet werden", erklärte Landesbischof Karl-Hinrich Manzke (Bückeburg), der Catholica-Beauftragte der VELKD und evangelisch-lutherische Vorsitzende der Arbeitsgruppe ist: "Wir hatten also die Aufgabe einer innerkonfessionellen und ökumenischen Selbstvergewisserung, damit die Turbulenzen in einigen ethischen Fragen nicht der Ökumene insgesamt schaden."

Bischof Gerhard Feige (Magdeburg), Vorsitzender der Ökumenekommission der Bischofskonferenz, erklärte: "Indem wir uns in unserem Text Rechenschaft darüber geben, was unser gemeinsames christliches Menschenbild ist, möchten wir transparent machen, wie wir den Begriff der Menschenwürde inhaltlich füllen und welche Konsequenzen das für unser Handeln in der Gesellschaft hat." Feige: "Katholiken und Lutheraner stehen hier eng zusammen."

Auch bei bestimmten Aspekten des assistierten Suizids hatten sich Unterschiede in der Bewertung abgezeichnet: Die katholische wie die evangelisch-lutherische Kirche lehnen den assistierten Suizid "als gesetzlich legitimierte Option am Lebensende prinzipiell ab". Gleichzeitig bestehe "zwischen beiden Kirchen ein begrenzter Dissens in Bezug auf den Einzelfall", so die Studie.

Aus protestantischer Sicht ist die Gewissensbindung des Menschen anzuerkennen

Die evangelischen Kirchen gehen davon aus, dass es Grenzsituationen wie unerträgliches, lange andauerndes und sicher zum Tode führendes Leiden gibt. Hier ist aus protestantischer Sicht die Gewissensbindung des Menschen anzuerkennen. Die katholische Kirche dagegen lehnt eine Entscheidung zum Suizid oder zur Suizidhilfe grundsätzlich ab, weil sie in jedem Fall gegen Gottes Gebot verstößt, nicht zu töten.

Seit 1976 führt die VELKD mit der Deutschen Bischofskonferenz Lehrgespräche, um zur Klärung kontroverser theologischer Fragen beizutragen. Die nun erscheinende Studie ist die dritte nach dem Studiendokument "Kirchengemeinschaft in Wort und Sakrament" (1984) und der Studie "Communio Sanctorum - Die Gemeinschaft der Heiligen" (2000). Der VELKD gehören sieben evangelische Landeskirchen mit insgesamt 9,5 Millionen evangelischen Christen an. Der römisch-katholischen Kirche in Deutschland gehören 23,8 Millionen an, der gesamten EKD 22,3 Millionen Menschen.