Fernseh-Vorschau: "Die unsichtbaren Alten"

"Die unsichtbaren Alten": Die 86-jährgie Anne Blum hat früher Ballett getanzt. Heute kann sie sich kaum schmerzfrei bewegen.
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"Die unsichtbaren Alten": Die 86-jährgie Anne Blum hat früher Ballett getanzt. Heute kann sie sich kaum schmerzfrei bewegen.
Fernseh-Vorschau: "Die unsichtbaren Alten"
Das lohnt sich im Fernsehen vom 21. bis 26. Januar
Nach einem ereignisreichen und bewegten Leben fühlen sich viele Menschen am Ende einsam. Die Gründe sind unterschiedlich: Mal gibt es keine Kinder, mal keine Freunde, weil alle früher verstorben sind. Diese Reportage (23. Januar 2017, WDR, 22.10 Uhr) von Jule Sommer und Udo Kilimann erzählt vom Alleinsein und der Hoffnung auf soziale Kontakte und ist einer der Tipps für die kommende Woche.

22.1., ARD, 17.30 Uhr: "Gott und die Welt: Ein Grab für Hasso"

Eine Bestattung auf einem Friedhof in Dortmund: Drei Frauen stehen weinend an der vorbereiteten Grabstätte und sehen zu, wie der kleine, mit bunten Blumen verzierte Sarg in Kindergröße langsam hinabgelassen wird. Der Verstorbene ist ihr Hund. Wie kommt es dazu, dass immer mehr Hundehalter den Tod ihres Tieres betrauern, als hätten sie ihr eigenes Kind verloren? Wie artgerecht ist es, wenn sie ihr Tier Zeit seines Lebens auch genau so behandeln: wie einen geliebten Menschen? Mit diesen Fragen und gemischten Gefühlen macht sich Reporter Martin Buchholz auf den Weg, begleitet die trauernden Hinterbliebenen bei der Beisetzung ihres Hundes, trifft professionelle Tierbestatter und passionierte Hundeliebhaber wie Manfred Baum, der sagt: "Hunde sind die besseren Menschen. Sie enttäuschen Dich nie." Der Rentner möchte später gemeinsam mit der Urne seines Dackels Muck beerdigt werden. Dafür hat die katholische Kirche seines Ortes nun schon mit bischöflicher Genehmigung die Friedhofsordnung geändert. Für immer mehr Menschen ist ihr Hund ein hundertprozentig vollwertiges Familienmitglied, darum macht es für viele tatsächlich keinen Unterschied, ob ihr Partner oder ihr Hund stirbt. Schmerz und Trauer sind die gleichen.

22.1., ZDF, 18.00 Uhr: "ZDF.reportage: Armes reiches Deutschland"

Mindestens jeder siebte deutsche Rentner gilt als armutsgefährdet, rund eine halbe Million erhalten schon heute Grundsicherung. Wer nicht von seiner Rente leben kann, sucht einen Nebenjob. Doch die Arbeitsplätze für Ältere sind rar gesät, viele Jobs gehen auf die Knochen. Die "ZDF.reportage" stellt Menschen vor, die im Alter noch schuften müssen. Ob in Berlin, München oder im Ruhrgebiet, Altersarmut trifft fast immer die gleichen: Verkäuferinnen, Putzkräfte, Handwerker, Selbstständige. Die Arbeitsverträge sind kurz, der Verdienst ist gering; für die Rente kommt dadurch nur wenig zusammen. Frauen sind besonders häufig von Altersarmut betroffen. Marion Z. (69) aus Berlin zum Beispiel lebt nach Abzug aller Kosten von 4,50 Euro am Tag. Ihr einziger Luxus: eine Monatskarte für den Bus und eine Tageszeitung. Verzweifelt sucht sie einen Minijob. Um ihre Chancen zu erhöhen, verschweigt sie ihre Schwerbehinderung. Dieter N. aus Dortmund hat lange Jahre als Schmelzer in der Schwerindustrie gearbeitet, doch auch seine Rente reicht nicht aus. Lebensmittel erhält er von der Tafel, Klamotten von der Kleiderkammer. Mit seinen 75 Jahren nutzt er jede Gelegenheit, um mit handwerklichen Arbeiten zusätzliches Geld zu verdienen. Ohne die Rente ihres Mannes wäre Renate R. im teuren München auf Grundsicherung angewiesen. Zusammen packen die beiden 75-Jährigen zweimal in der Woche Werbeprospekte in Zeitungen. Ein Job, der in die Beine und den Rücken geht, aber notwendig ist, um wenigstens ein bisschen Geld zur Seite legen zu können. Der Film ist der zweite von vier Teilen der Reihe "Armes reiches Deutschland", die die "ZDF.reportage" im Januar und Februar 2017 ausstrahlt.

22.1., RTL2, 20.15 Uhr: "Hitler – Aufstieg des Bösen"

Wie zeigt man ein Monster von seiner menschlichen Seite, ohne es zum Sympathieträger zu machen und das Publikum zur Identifikation einladen? Denn das war das Letzte, was Regisseur Christian Duguay mit diesem dreistündigen Fernsehfilm aus dem Jahr 2003 erreichen wollte: eine Glorifizierung jenes Mannes, der für den Tod von Millionen verantwortlich war. Diese Gefahr besteht jedoch nicht. Allerdings setzt sich der Film viel zu wenig mit Hitlers abenteuerlichen Thesen auseinander. Einzige nennenswerte Gegenfigur ist ein Journalist (Matthew Modine). Er verkörpert gewissermaßen das Gewissen der Nation, spielt aber eine viel zu kleine Rolle, um eine differenzierte Diskussion zu ermöglichen. Der für den US-Sender CBS entstandene Zweiteiler setzt andere Schwerpunkte. Durch die Konzentration auf die frühe Biografie des späteren Diktators, der in jeder Szene präsent ist, rückt die Zeitgeschichte in den Hintergrund. Das deutsche Volk wird überwiegend reduziert auf Hitlers Mitläufer, die seinen demagogischen Fähigkeiten im Hofbräuhaus alsbald erliegen. Eine weitere Leerstelle bilden die Motive für Hitlers Hass. Selbstredend ist es verführerisch, in der Kindheit den Schlüssel zu späteren Handlungen zu finden. Auch hier bietet der Film nur unbefriedigende Antworten. Besonders neugierig ist man natürlich auf Robert Carlyle ("Ganz oder gar nicht"). Seine Verkörperung irritiert vor allem durch das heftige Gestikulieren bei öffentlichen Auftritten: Mit seinen zackigen, ruckartigen Bewegungen wirkt Hitler wie eine Marionette. Alles in allem ein zwar aufwändiger, aber doch auch zwiespältiger Film. Für zusätzlichen Reiz sorgen immerhin zwei Nebenrollen: Friedrich von Thun spielt Erich von Ludendorff, Peter O’Toole verkörpert Paul von Hindenburg.

22.1., 3sat, 21.45 Uhr: "Herbe Mischung"

In "Herbe Mischung" erzählt der in Berlin lebende Israeli Dror Zahavi die Geschichte einer höchst ungewöhnlichen Romanze: Zarah (Peri Baumeister) ist die Tochter eines Ägypters und einer Deutschen, Benni (Trystan Pütter) ist Jude. Beide leben in München, wo die unterschiedliche Herkunft keinerlei Rolle spielt. Das ändert sich, als Zarah Benni nach Israel zur Beerdigung seines Großvaters begleitet. Wegen ihres Vornamens war Bennis Familie überzeugt, sie sei ebenfalls Jüdin. Als sie sich am Grab bekreuzigt, sind die Angehörigen schockiert: keine Jüdin, und dann auch noch Deutsche! Benni mag sich gar nicht ausmalen, was passiert, wenn sein Vater Ephraim (Dovale Glickman), Ex-General, Nationalist und Militarist, erfährt, dass seine Freundin halbe Araberin ist. Deshalb darf auf keinen Fall rauskommen, dass Zahras Nachname Abdullah lautet. Aber Bennis Tante Edna (Varda Ben Hur) hat den Braten schon gerochen und tut fortan alles, um das Liebespaar zu entzweien. Da hilft es auch nichts, dass Bennis Mutter (Sandra Sadeh) die Liebenden schützen will; sie ist überzeugt, dass Zarah schwanger ist. Die wiederum ist schockiert von der Intoleranz, der in Bennis rassistischer Mischpoke herrscht; und ernüchtert, dass ihr Freund so wenig Rückgrat beweist. Diese Liebesgeschichte gegen alle Widerstände hätte auch einen veritablen Dramenstoff abgegeben, aber als Komödie voller Missverständnisse und kleiner Notlügen kommt die Botschaft naturgemäß noch besser an. Es wäre ohnehin schade um die vielen witzigen Ideen gewesen, zumal das Drehbuch (Annabel Wahba, Barry Thomson) immer wieder auf wunderbare Weise brisante Momente heiter auflöst. Weniger lustig ist der offene Hass, der Zarah in Tel Aviv entgegenschlägt; beim Einkaufen muss sie sich als "arabische Hure" beschimpfen lassen. Auch wenn Zahavi diese Szenen komödiantisch inszeniert und ihnen so die Schärfe nimmt: In vielen Momenten bleibt einem das Lachen im Halse stecken.

23.1., ARD, 22.45 Uhr: "Die Story im Ersten: Organspenden - zwischen Tod und Hoffnung"

Spätestens dann, wenn die Krankenkasse mal wieder an das Ausfüllen des Organspende-Ausweises erinnert, ist jeder mit der Frage konfrontiert: Sollen meine Organe nach meinem Tod anderen, sterbenskranken Menschen zur Verfügung stehen oder will ich das nicht? Die meisten Menschen drücken sich vor einer Entscheidung; auch, weil sie sich zu wenig informiert fühlen. Bin ich wirklich tot, wenn mir die Organe entnommen werden? Was heißt "Hirntod" überhaupt? Und zeigen die jüngsten Skandale nicht, dass da irgendwie nicht alles mit rechten Dingen zugeht bei der Organtransplantation? Patrick Hünerfeld zeigt, was genau vor einer Organspende abläuft, an welchen Stellen in jüngster Zeit getrickst wurde und begleitet schwerkranke Patienten, die auf ein neues Organ hoffen.

23.1., ARD, 23.30 Uhr: "Geschichte im Ersten: Schuften für den Erzfeind"

Im Auftrag von Saarländischem Rundfunk und France 2 hat ein französisches Team diese Dokumentation für das deutsche und französische Fernsehen gedreht. Der Film arbeitet erstmals in dieser Form ein lange auf beiden Seiten des Rheins verschwiegenes Kapitel der deutsch-französischen Geschichte in Frankreich und in Deutschland auf: Nahezu eine Million Deutsche befanden sich zwischen 1944 und 1948 in Frankreich in Kriegsgefangenschaft, wo sie der Willkür ihrer Bewacher ausgeliefert waren. Oft waren Hunger und Einsamkeit ihr Preis, viele zahlten mit dem Leben. Während dieser Jahre bekamen die als "boches" geächteten Deutschen den Hass der Bevölkerung zu spüren, die während der Besatzungszeit ihrer Macht ausgeliefert war. Man zwang die Gefangenen, beim Wiederaufbau des Landes zu helfen, das sie zuvor zerstört hatten. Es begannt eine menschliche Belastungsprobe, bei der Hunger, schlechte Behandlung und Tod den Alltag bestimmten, aber auch ein ungewöhnliches Zusammenleben, bei dem jeder nach und nach beide Seiten lernten, den Erzfeind zu akzeptieren. Zum ersten Mal erzählen einige der deutschen Gefangenen ihre Geschichte.

23.1., 3sat, 23.55 Uhr: "37 Grad: 20-40-60"

Teil drei der Langzeitbeobachtung von Dominique Klughammer gilt den Menschen in ihren Sechzigern, die sich fragen: Was kommt jetzt noch? Neustart oder Lebensabend? Ein typischer Fall ist das Ehepaar Hans und Ria aus Dormagen. Die drei Kinder sind aus dem Haus, es ist leer geworden und viel zu groß. Die beiden wollen ihr Leben noch einmal komplett umstellen. Sie haben ein großes Mehrgenerationen-Wohnprojekt initiiert. Baugrund ist vorhanden, interessierte Mitbewohner auch, nun kann es losgehen. Hans ist als freischaffender Journalist immer noch aktiv, Ria hat seit 30 Jahren Multiple Sklerose, aber von der Krankheit lässt sie sich nicht unterkriegen. Auch Brigitte hat einen Traum: eine Reise nach Paris. Davon ist sie allerdings weit entfernt: Ihr Wecker klingelt morgens um 3.30 Uhr; sie ist Kinderkrankenschwester. Vor Schichtbeginn ihren demenzkranken Mann versorgen. Das kinderlose Paar ist seit vierzig Jahren verheiratet; "in guten wie in schlechten Zeiten" ist für Brigitte in Versprechen, das sie halten will. Das leben von Kerstin sieht denkbar anders aus: Sie ist vor zwei Jahren Miss 50plus Germany geworden und arbeitet erfolgreich als Best-Ager-Model. Aktiv zu sein ist ihr wichtig, denn seit ihrer Brustkrebserkrankung ist sie frühverrentet. Wie schon in ihren Filmen über die Zwanziger und die Vierziger erkundigt sich Klughammer nach den Träumen und Hoffnungen, aber bei den Sechzigern hat diese Frage natürlich eine ganz andere Dimension.

23.1., WDR Fernsehen, 22.10 Uhr: "Die unsichtbaren Alten"

Nach einem ereignisreichen und bewegten Leben fühlen sich viele Menschen am Ende einsam. Die Gründe sind unterschiedlich: Mal gibt es keine Kinder, mal keine Freunde, weil alle früher verstorben sind. Allein in Nordrhein-Westfalen leben rund 1,3 Millionen Menschen im Alter über 65 alleine; ihre Zahl wächst stetig. Oft sind Ärzte, Apotheker und Kassierer ihre einzigen Kontakte. Was läuft falsch in unserer Gesellschaft? Sind uns die vergessenen Alten egal? Wer kümmert sich um sie? Eine der Protagonistinnen ist Anne Blum. Die 86jährige Kölnerin war Balletttänzerin und Mannequin, stand im Rampenlicht und hatte einst zahlreiche Freundschaften. Seit ihr Mann vor sieben Jahren gestorben ist, fühlt sie sich oft einsam, regelrecht vergessen von den anderen. Kinder hat sie nicht. Doch dann entdeckt sie in einem Flyer ein Angebot, das ein Lichtblick für sie werden könnte: Die sogenannten "Freunde alter Menschen" sind ein Verein in Köln, der Besuchspatenschaften für alte Menschen anbietet. Anne Blum hat dort angerufen: Vielleicht gibt es dort jemanden, der auch sie mal besuchen kommt? Die Reportage von Jule Sommer und Udo Kilimann erzählt vom Alleinsein und der Hoffnung auf soziale Kontakte.

24.1., ZDF, 22.15 Uhr: "37 Grad: Ich sterbe, wann ich will"

Drei kranke Menschen, die nicht mehr lange zu leben haben. Wie sie sterben möchten, darüber hat jeder seine eigene Vorstellung. Selbstbestimmt und in Würde, das ist für alle wichtig. Sie geben ihre Einwilligung, sich von Yves Schurzmann in ihren letzten Lebensmonaten mit der Kamera begleiten zu lassen. Klaus V. aus Herne zum Beispiel ist immer ein Lebemann gewesen, ein gestandener Kerl, ein liebevoller Vater, Schalke-Fan, Unternehmer, Freigeist. Vor knapp fünf Jahren dann die Diagnose: Er hat eine unheilbare Krankheit, die das Nervensystem und die Muskeln lähmt. Klaus würde irgendwann an einer Atemlähmung sterben. Doch darauf will der 75-Jährige nicht warten. Er wendet er sich an einen Palliativmediziner. Antje W. (37) hat Lungenkrebs im Endstadium.
Die Diagnose bekam sie völlig unvorbereitet, als sie im April 2015 eine Plasmaspende machte. Da war es für eine Behandlung schon zu spät. Die Prognose lautete: sechs Monate noch. Für Antje kommt Sterbehilfe nicht in Frage. Sie ist alleinerziehende Mutter von zwei Kindern, 19 und 12 Jahre alt. Deshalb kämpft sie bis zum Schluss, will so viel Zeit schinden wie möglich, um länger bei ihren Kindern zu sein. Chemotherapie, Immuntherapie, Bestrahlung – jede Möglichkeit nimmt sie wahr, ohne Rücksicht auf die Nebenwirkungen. Auch Andrea W. (58) hat Lungenkrebs; ihr bleiben noch wenige Wochen, vielleicht ein paar Monate. Um ihre Lebenszeit zu verlängern, bekommt sie drei Chemotherapien. Die letzte bricht sie ab; die Nebenwirkungen sind unerträglich. Sie möchte im Hospiz sterben; bis zu ihrer Krankheit arbeitete die Diplom-Theologin als Krankhausseelsorgerin und hatte ständig mit Menschen zu tun, denen es so erging wie ihr jetzt. Ihrer Familie möchte sie ihre Betreuung und Pflege in den letzten Wochen ihres Lebens nicht zumuten.

24.1., 3sat, 20.15 Uhr: "Meine Tochter Anne Frank"

Die weltberühmte Geschichte von Anne Frank ist dank eines Bühnenstücks, diverser Spielfilme und verschiedener Dokumentationen derart hinlänglich bekannt, dass eine weitere Verfilmung eigentlich unnötig erscheint. Auch das Drehbuch von Hannah und Raymond Ley kann die Geschichte des Mädchens naturgemäß nicht neu erfinden, schildert sie aber aus einem ungewohnten Blickwinkel: Anne Frank bleibt Erzählerin und somit zentrale Figur der Handlung, doch ihr Vater, der Titel deutet es an, nimmt ungleich mehr Raum ein als in den anderen Filmen. Auf diese Weise kann auch das Nachkriegsgeschehen berücksichtigt werden, denn Otto Frank, eindrücklich und mit viel Sympathie von Götz Schubert verkörpert, ist der einzige aus der Familie, der die Deportation in ein Vernichtungslager überlebt hat. Die Spielhandlung beginnt mit Franks Rückkehr aus Auschwitz nach Amsterdam im August 1945. Er besucht das Versteck, das sich die Franks über zwei Jahre lang mit vier weiteren Personen geteilt haben, und erinnert sich, wie seine lebhafte Tochter ihr Zimmer umgehend mit Fotos von Filmstars dekoriert hat. Zum Fernsehereignis wird das Werk durch die Hauptdarstellerin: Die bis dahin unbekannte Mala Emde gibt der jungen Frau ein Gesicht, das gleichzeitig bekannt wirkt und doch aufregend neu ist. Abgerundet wird das Dokudrama durch Interviews mit Menschen, die Anne kannten, die meisten Schulfreundinnen. Da die Spielszenen größtenteils der Zeit im Versteck gelten, wirkt ein Ausflug ins Jahr 1962 wie ein Exkurs: Ein Journalist (Axel Milberg) besucht den Mann, der Anne und die anderen 1944 verhaftet hat; auf diese Weise kann Ley die Perspektive wechseln und die Verhaftung aus Sicht dieses Polizisten zeigen. Natürlich ist "Meine Tochter Anne Frank" letztlich tieftraurig. Trotzdem ist der Film erstaunlich kurzweilig; die neunzig Minuten verfliegen im Nu.

24.1., Arte, 20.15 Uhr: Themenabend "Die Befreiung der Lager"

Am 27. Januar 1945 erreichte die Rote Armee das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau. Arte gedenkt der Opfer des Holocaust mit einem Themenabend. Den Auftakt bildet der Film "Nicht Rache, sondern Gerechtigkeit" über Beate und Serge Klarsfeld. Ihr Leben ist eine deutsch-französische Geschichte einer außergewöhnlichen Liebe und eines jahrzehntelangen Einsatzes für die Aufarbeitung von NS-Verbrechen. Die Ohrfeige für Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger 1968 macht die Klarsfelds schlagartig bekannt. Es ist das Startsignal für einen zähen Kampf, NS-Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Zu ihren größten Erfolgen zählen die Verurteilung von Kurt Lischka 1980 und der Prozess gegen den französischen Politiker und ehemaligen Kollaborateur Maurice Papon. Nur zwei Fälle aus einem langen Kampf gegen das Vergessen. Um 21.10 Uhr folgt "Stille Retter": Mit dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht befinden sich auch die Juden in Frankreich in Lebensgefahr. Doch drei von vier überleben den Holocaust. Mehr als in anderen von Nazi-Deutschland besetzten Ländern. Und trotz einer französischen Regierung und Polizei, die sich aktiv an der Verfolgung beteiligen. Die Dokumentation erzählt erstmals von den Umständen ihrer Rettung - und vom zivilen Widerstand der vielen "stillen Retter", die dies ermöglicht haben. Es sind Geschichten von tödlicher Bedrohung und selbstloser Hilfsbereitschaft. Von Angst und Verzweiflung, aber auch von Mut und Mitmenschlichkeit. "Rettet Auschwitz!" (22.00 Uhr) beschreibt, wie sehr das Gelände durch Verwitterung und immer größere Besucherzahlen in seiner Substanz bedroht ist. Eigentlich sollte Europas größter Friedhof ein Ort der Besinnung sein, doch manchmal wirkt das frühere Vernichtungslager wie ein makabrer Ausflugsort. Wie soll in Zukunft ein wirksames Erinnern an Auschwitz, an die Schoah, an die Ermordung von Millionen Menschen aussehen? Ähnlichen Fragen die Erinnerungskultur betreffend sehen sich auch andere Schreckensorte gegenüber. "Tödliche Rache" (23.00 Uhr) erzählt von dem 85-jährigen Mosche Knebel, einem scheinbar ganz gewöhnlichen Großvater, der jedoch eine dunkle Seite hat: Er hat sich grausam an den Nazis gerächt, die seine Familie ermordeten. In der Dokumentation erzählt er seine Geschichte. Um 23.50 Uhr zeigt Arte "Night Will Fall". Der von Alfred Hitchcock im Frühjahr 1945 gedrehte Film sollte die Deutschen über die Gräueltaten in den Lagern informieren, doch dazu kam es nicht, weil die Amerikaner das Land als Verbündete im aufziehenden Kalten krieg brauchte. Den Abschluss des Themenabends bildet um 1.10 Uhr ein Porträt der Widerstandskämpferin Sophie Scholl.

24.1., Bayerisches Fernsehen, 22.35 Uhr: "Die Wohnung"

Dieses Werk ist ein ziemlich ungewöhnlicher Dokumentarfilm. Das hat nicht zuletzt mit der Entstehung zu tun, denn zunächst wollte der israelische Filmemacher Arnon Goldfinger die Auflösung der Wohnung seiner Großeltern in Tel Aviv eigentlich nur für private Zwecke dokumentieren. Obwohl der Anlass völlig unspektakulär ist, weckt schon die Einführung Interesse, denn Goldfinger und seinen Geschwistern ergeht es wie jedem, der auf diese Weise schon mal ein Kapitel geschlossen hat: Man trifft auf Unmengen von scheinbar wert- und nutzlosem Plunder und fragt sich, warum die Eltern oder Großeltern den ganzen Krempel aufgehoben haben. Im Fall der Tuchlers hatte die Nostalgie jedoch nachvollziehbare Gründe: Das Ehepaar ist 1936 vor den Nationalsozialisten aus Deutschland geflohen, aber im Grunde nie in Israel angekommen; Gerda und Kurt Tuchler haben versucht, in ihren eigenen vier Wänden ein Stück Heimat zu bewahren. Auch dieser Aspekt würde naturgemäß irgendwann seinen Reiz verlieren, doch während sich Goldfinger mit seiner Mutter durch die Hinterlassenschaften arbeitet, entdeckt er nach und nach völlig unbekannte Seiten an seinen Großeltern. Er beginnt, Fragen zu stellen, die seine Mutter nicht beantworten kann, weil sie sich nie für das frühere Leben ihrer Eltern interessiert hat. Goldfingers Neugier ist endgültig geweckt, als er ausgerechnet im Nachlass seiner jüdischen Großeltern ein Exemplar des furchtbaren Nazi-Propagandablattes "Angriff" findet und dort auf eine Reisereportage über Palästina stößt. Der Autor, ein Baron von Mildenstein, war offenbar eng mit den Tuchlers befreundet. Goldfinger findet raus, dass der längst verstorbene Baron eine Tochter im Bergischen Land hat, die sich an das Ehepaar erinnert und den Filmemacher bei sich willkommen heißt;  dass ihr Vater ein Nazi gewesen sei, dementiert sie allerdings energisch. Jetzt gibt es für Goldfinger kein Halten mehr: Aus der ursprünglich privaten Dokumentation wird eine israelisch-deutsche Koproduktion, in deren Verlauf Goldfinger mehrmals nach Deutschland reist und eine Frau ihr Vaterbild gründlich revidieren muss.

24.1., Bayerisches Fernsehen, 0.15 Uhr: "Sarahs Schlüssel"

Die Geschichte ist Fiktion, aber sie könnte sich genauso zugetragen haben. Gilles Paquet-Brenner hat sich eines Themas angenommen, um das die Franzosen lieber einen Bogen machen: die Deportation der Pariser Juden im Juli 1942. Das Drehbuch (Serge Joncour und Paquet-Brenner) basiert auf dem gleichnamigen Roman von Tatiana De Rosnay (auf deutsch bei Bloomsbury). Titelfigur ist ein zehnjähriges jüdisches Mädchen: Als Sarah Starzynski (Mélusine Mayance) klar wird, dass ihre Eltern verhaftet werden sollen, versteckt sie ihren kleinen Bruder hinter einer verschließbaren Tapetentür und beschwört ihn, sich nicht zu rühren. Doch das ist nur die eine Ebene des Films. Die andere spielt in der Gegenwart und erzählt von der amerikanischen Journalistin Julia (Kristin Scott Thomas). Sie soll für ein internationales Nachrichtenmagazin an die Ereignisse des Jahres 1942 erinnern. Als sie rausfindet, dass die Familie ihres Mannes seit 1942 im Besitz ihrer Wohnung, beginnt sie zu recherchieren. Parallel dazu erzählt Paquet-Brenner die Geschichte von Sarah und ihrer Familie.  Mit großem erzählerischen Geschick verbindet das Drehbuch die beiden Ebenen. Nicht nur inhaltlich, auch ästhetisch handelt es sich im Grunde um zwei völlig verschiedene Filme. Sarahs subjektive Sicht der Ereignisse ließ Paquet-Brenner mit der Handkamera (Pascal Ridao) drehen. Auf diese Weise erlebt man die barbarischen Grausamkeiten aus unmittelbarer Nähe. Doch auch Julias Ebene entwickelt eine derart große Intensität, dass schon allein die enorme Emotionalität wie eine Klammer wirkt. Gleichzeitig lebt der Film auch von der Neugier, denn natürlich will man wissen, was aus dem kleinen Jungen geworden ist und wie Sarahs Leben nach dem Krieg weiter ging. Kristin Scott Thomas ist gerade wegen ihres sparsamen Spiels eine großartige Besetzung für die Rolle der Julia. Als Naturtalent entpuppt sich auch die junge Mélusine Mayance, die Paquet-Brenner zu einer zwar berührenden, aber nie gefühligen Leistung führt. Ohnehin ist es dem Regisseur auf bemerkenswerte Weise gelungen, diese immer wieder tragische Geschichte vergleichsweise unsentimental zu erzählen. Gemessen daran ist der ergreifende Epilog fast schon hemmungslos rührselig.

26.1., WDR Fernsehen, 22.40 Uhr: "Menschen hautnah: Wenn Pflegekinder erwachsen werden"

Sherrly ist 17. Als ihre Mutter sie dem Jugendamt gab, war sie drei Jahre alt. Die Eltern waren drogenabhängig und nicht in der Lage, sich um das Mädchen zu kümmern. So kam sie zu Claudia und ihrem Mann. Claudia betreut hauptberuflich Pflegekinder. Bis heute haben 17 Kinder bei ihr gelebt. Manche bis sie erwachsen waren, Andere nur für ein paar Monate. Liz Wieskerstrauch stellt einige dieser Kinder vor, darunter auch Natalie und ihr Bruder Martin, deren Eltern Alkoholiker waren und ihre Kinder derart vernachlässigten, dass sie mitunter nichts zu essen bekamen. Pflegemutter Claudia gibt ihren Schutzbefohlenen Fürsorge, Liebe und pädagogisches Wissen. Das Projekt ist eine Herausforderung, auch für die leiblichen Kinder, die fortan ihre Eltern mit den Pflegekindern teilen müssen. Trotz aller Versuche, die Kinder aufzunehmen, als wären sie in diese Familie hineingeboren, bleibt eine tiefe innere Wunde, die spätestens in der Pubertät aufbrechen. Quälende Fragen tauchen auf: Wer bin ich? Warum bin ich hier? Und der Stachel der Vergangenheit beginnt zu wirken. Die Rebellion nimmt überhand. Die Kinder provozieren, lügen, klauen, halten sich kaum mehr an Regeln. Sie entziehen sich den Pflegeeltern, sind nicht mehr ansprechbar, wollen auf einmal nur noch weg und verlassen die heile Welt, die sie nicht mehr aushalten. Doch danach wird gar nichts in ihrem Leben besser. Im Anschluss zeigt der WDR ab 23.25 die Geschichte von "Heimkind Melanie", die ebenfalls lernen muss, auf eigenen Füßen zu stehen.