TV-Tipp: "Arzt mit Nebenwirkung" (ARD)

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TV-Tipp: "Arzt mit Nebenwirkung" (ARD)
13.1., ARD, 20.15 Uhr: "Arzt mit Nebenwirkung"
Damals ist er bei einer Autofahrt gemeinsam mit seinem Vater von einer Lawine verschüttet worden. Weil er den Vater nicht reanimieren konnte, sieht er keinen Sinn mehr in seinem Beruf.

Vor einiger Zeit musste sich ein arroganter Schulmediziner in drei ZDF-Filmen mit einer Kollegin auseinandersetzen, die mit den Heilmethoden der traditionellen chinesischen Medizin arbeitete. Treffender Titel: "Der Doc und die Hexe". Nun zeigt die ARD eine Romanze, die sehr ähnlich klingt: Auch in "Arzt mit Nebenwirkung" kommt es erst zur Konfrontation und dann zur Liebesgeschichte. Davon abgesehen verpackt Marcus Hertneck ("Reiff für die Insel") den Handlungskern jedoch völlig anders. Sein Drehbuch handelt letztlich von der Läuterung des jungen Arztes Fabian (David Rott), der bei einem Unfall vor einigen Jahren nicht nur den Glauben an das Leben verloren hat. Damals ist er bei einer Autofahrt gemeinsam mit seinem Vater von einer Lawine verschüttet worden. Weil er den Vater nicht reanimieren konnte, sieht er keinen Sinn mehr in seinem Beruf. Trotzdem hat er der Mutter (Theresa Harder) zuliebe die väterliche Praxis übernommen. Zum Ausgleich betreibt er ein lebensgefährliches Hobby und stürzt sich regelmäßig als Base-Jumper von Berggipfeln in die Tiefe.

Ins Rollen kommt die Geschichte, als Fabian während einer Akupunkturfortbildung einschläft. Die attraktive gleichaltrige Kollegin Janne (Anne Schäfer) weigert sich, ihm eine Teilnahmebescheinigung auszustellen, und verweist ihn auf einen ähnlichen Kurs, der ganz in der Nähe stattfindet. Fabian, der mit seinem Motorrad einen halsbrecherischen Fahrstil pflegt, kommt bei einem waghalsigen Überholmanöver vom Weg ab, rast in eine Kapelle, bleibt dort wie tot liegen und beobachtet von der Decke aus, wie Janne, die den Unfall gesehen hat, seine Vitalfunktionen mit Hilfe ihrer Akupunkturnadeln stabilisiert. Das Nahtod-Erlebnis bringt Fabians Denkgebäude ins Wanken, aber noch stürzt es nicht ein. Weil er sich die Schulter verletzt hat, braucht er eine Vertretung für die Praxis, und da kommt die unstet umherziehende Janne gerade recht. Ihre alternativen Heilmethoden sind eine perfekte Ergänzung zu Fabians Schulmedizin, seine Patienten lieben sie, weil sie sich Zeit nimmt, bei seiner Schulter bewirkt sie so etwas wie eine Wunderheilung; und an seinem kalten Herzen auch.

Hertnecks Drehbücher (zuletzt "Katie Fforde: Tanz auf dem Broadway") stehen grundsätzlich für anspruchsvolle Unterhaltung. Hier ist es vor allem der Wandel des Arztes, dem der Film seinen Tiefgang verdankt: Von Gefühlen hält Fabian ebenso wenig wie von traditioneller chinesischer Medizin, aber das Nahtod-Erlebnis hat ihn aus der Spur gebracht. David Rott verkörpert beide Seiten des Arztes sehr glaubwürdig. Das gilt vor allem für eine Schlüsselszene, als Fabian der Kollegin auf einem Berggipfel einen Blick in sein Seelenleben gewährt; Regisseur Peter Stauch zeigt den intensiven Moment in einer langen ungeschnittenen Einstellung. Kurz drauf landet das Paar im Bett. Anders als im klassischen ARD-Freitagsfilm zieht sich die Kamera nun keineswegs diskret zurück. Die geschmackvoll gefilmten Bilder sind jedoch komplett jugendfrei, sodass auch ein tugendhaftes Publikum nicht verschämt wegschauen muss. Anschließend schleicht sich Fabian davon. Tags drauf lehnt die enttäuschte Janne sein Angebot, die Praxis zu übernehmen, ab, und beendet die Beziehung, noch bevor sie richtig begonnen hat; und dann kündigt auch noch seine Mutter.

Trauung am Sterbebett

Selbst wenn Stauch und sein Kameramann Florian Schilling dank des Schauplatzes im bayerischen Voralpenland für ausreichend Augenfutter gesorgt haben: Sehenswert ist "Arzt mit Nebenwirkungen" vor allem wegen David Rott, der einige Male zeigen darf, dass er auch den für einen Extremsportler passenden Oberkörper hat, und fast noch mehr wegen Anne Schäfer, die schon als Kindsmörderin in dem Kinokammerspiel "Jasmin" (2011) herausragend gut war und nach ihrem Ausstieg aus der Serie "Soko Köln" im Januar 2016 hoffentlich Zeit für viele weitere Hauptrollen dieser Art hat. Beim Entwurf der Figur kommt zwar etwas zu kurz, warum Janne derart rastlos ist, dass sie nirgendwo dauerhaft Wurzeln schlägt, aber davon abgesehen ist Schäfer als Ärztin, die von Fabian selbstredend irgendwann als "Kräuterhexe" bezeichnet wir, nicht nur wegen ihres kleinen Lächelns im Mundwinkel bezaubernd.

Natürlich kosten Stauch und Schilling auch die sportliche Seite des Films weidlich aus, erst recht, als sich Fabian gegen Ende tollkühn in die Tiefe stürzt, um einem Springer zu helfen, dessen Fallschirm sich im Steilwandgeäst verfangen hat; selbst wenn die Rettungsaktion, bei der sich Fabian förmlich in den Fels krallt, um den Mann in die Höhe zu ziehen, angesichts des lockeren Gesteins etwas unglaubwürdig ist. Die Erzählebene mit dem Base-Jumping ist jedoch nur ein Nebenstrang, was zur Folge hat, dass die entsprechenden Figuren arg oberflächlich bleiben. Das gilt vor allem für Michael Baral als Fabians besten Freund, der nicht nur zu wenig Ausstrahlung, sondern auch noch das Pech hat, lauter Sätze sagen zu müssen, die zwar Fabian gelten, sich aber ans Publikum richten ("Ich bin dein Manager", "Wir kennen uns seit dem Sandkasten").

Mehr Tiefe bekommt Robert Giggenbach als Mönch, dem Fabian seine Nahtod-Erfahrung anvertraut und der daraufhin von einem "Blick hinter den Vorhang" spricht, der nicht gut für den Menschen sei. Der Ordensmann ist es auch, der Fabian und Janne ein hochemotionales Erlebnis beschert, als er sie ans Sterbebett eines Klosterbruders bittet: Der Mönch legt ihre Hände ineinander und traut sie; dann stirbt er. Stauch schafft es, diesen Moment sowohl heiter wie auch ergreifend zu inszenieren, sodass Lachen und Weinen unmittelbar nebeneinander liegen. Ganz anderes Geschick beweist der Regisseur beim Unfall in der Kapelle. Während sich solche Vorfälle in Fernsehfilmen gern hinter einer Kurve und deshalb nur auf der Tonspur ereignen, ist Stauchs Lösung zwar ähnlich schlicht, aber effektvoller: Motorrad rein, Staubwolke raus.