Lammert: Verantwortliche Politik verspricht keine Patentlösungen

Lammert: Verantwortliche Politik verspricht keine Patentlösungen
Zu Beginn des Bundestagswahljahres schreibt Parlamentspräsident Lammert den Parteien ins Stammbuch, den Populisten nicht auf den Leim zu gehen, indem man ihre Positionen übernimmt. Der scheidende EU-Parlamentspräsident Schulz verlangt klare Kante.

Aus Sicht von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) sollten sich Politiker vor einer vorschnellen Übernahme vermeintlicher populärer Positionen hüten. Einfache Patentlösungen, mit denen Populisten auf Stimmenfang gehen, gebe es angesichts der aktuellen komplexen Probleme nicht, schreibt Lammert in einen Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung (Donnerstag): "Verantwortlich agierende Politik weigert sich deshalb zu Recht, solche Erwartungen zu bedienen - und darf dabei nicht das damit verbundene Erklärungsbedürfnis vernachlässigen." Der scheidende EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) riet unterdessen zu einer harten Reaktion auf demokratiefeindliche Positionen.

Durch "fein ziselierte Argumente" sei den Parolen der Populisten und Rechtsextremen nicht beizukommen, sagte Schulz der "Süddeutschen Zeitung" (Donnerstag): "Auf einen groben Klotz gehört manchmal auch ein grober Keil."

Antworten auf komplexe Fragen suchen

Lammert schreibt weiter: "Das Unverständnis darüber, dass die vermutete 'wahre' Meinung des Volkes nicht umgesetzt würde, basiert letztlich auf einem prekären Missverständnis über die Grundprinzipien der Demokratie." Ein einheitlich empfindendes Volk gebe es nicht.

Politiker und Parteien hätten die Aufgabe, "Antworten auf komplexe Fragen zu suchen und ihre Argumente zu erklären". Dabei könne es nicht allein darum gehen, Lösungen für Probleme zu finden, die vermeintlich populär sind. Vielmehr sollten Politiker aus Lammerts Sicht in einem "Abwägungsprozess zu Antworten gelangen, die ihnen politisch überzeugend erscheinen - mit der sich anschließenden Aufgabe, dafür Mehrheiten zu suchen, sie also populär zu machen".

"Wichtiger und wirksamer als die Popularität von Politik ist ihre Glaubwürdigkeit", schreibt der CDU-Politiker. Politiker und Parteien dürften nicht wankelmütig sein, wohl aber ihre eigenen Abwägungen und Zweifel öffentlich machen, denn auch das gehöre zur Glaubwürdigkeit. "Was die Politik und was Politiker an Glaubwürdigkeit verlieren - ob durch Beliebigkeit, Wortbruch, Überheblichkeit oder Gleichgültigkeit -, können sie an Popularität jedenfalls weder gewinnen noch ausgleichen", argumentiert Lammert.

Schulz sagte, Verzweiflung gefährde die Demokratie. "Wenn die Menschen das Gefühl haben, dass sie ihren Beitrag für die Gesellschaft leisten, die Gesellschaft für sie aber nichts tut und sie nicht respektiert, werden sie radikal", sagte der Sozialdemokrat. Sie suchten Alternativen, wenn sie sich durch die Demokratie nicht beschützt fühlen.

Angesichts der Popularität von Marine Le Pen, Vorsitzende der rechtsextremen Partei Front National in Frankreich, sagte Schulz: "Wir beobachten, dass die Zerstörer Zulauf haben." Es stelle sich die Frage: "Wo kommt diese Wut, Enttäuschung, Verzweiflung her?" Auch gut situierte Menschen hätten Angst vor der Zukunft. "Diese Angst kann man ihnen nicht durch das Nachahmen verantwortungsloser Parolen nehmen", sagte Schulz.