Mit Notvorräten gelassen in die Katastrophe

Philipp Nater in Rielasingen-Worblingen in seinem Lagerraum für Notvorräte. Es gibt Vorratskomplettpakete, die von ein paar Tagen bis hin zu einem ganzen Jahr reichen.
Foto: epd-bild/Erich Nyffenegger
Philipp Nater in Rielasingen-Worblingen in seinem Lagerraum für Notvorräte. Es gibt Vorratskomplettpakete, die von ein paar Tagen bis hin zu einem ganzen Jahr reichen.
Mit Notvorräten gelassen in die Katastrophe
Mehl in Dosen, Trockengemüse, Wasseraufbereitungsanlagen: Ein kleines Unternehmen am Bodensee lebt von Menschen, die sich mit Notvorräten auf Schreckens-Szenarien einstellen.

"Nein, ein ängstlicher Mensch bin ich überhaupt nicht", versichert Hans K., der in einem Reihenhausidyll im Bodenseekreis wohnt. Aber die Zeichen der Zeit müsse man schon lesen können. Terrorgefahr, Erdogan und nicht zu vergessen Präsident Trump in den USA. Es rieche nach Dauerkrise. "Ist man besonders ängstlich, wenn man sich darauf vorbereitet? Ich glaube nicht", sagt er. Seine Frau nickt, als das Rentnerehepaar durch seinen Keller führt. "Man muss es nicht übertreiben", sagt Hans K. Aber Notvorräte anzulegen, das könne sicher nicht schaden. Vom Boden bis zur Decke stapeln sich Konserven: Mehl in Dosen, Trockenkekse, Brot in Dosen, Milchpulver, löslicher Kaffee. Volleipulver und Butterpulver - ebenfalls in Dosen.

Die Vorräte im Keller der Eheleute K. sind ein Zeugnis der spürbaren Verunsicherung mancher Menschen. In Zeiten wie diesen, in denen für unmöglich gehaltene Dinge geschehen wie etwa der Brexit oder Trumps Wahlerfolg, erscheinen auch existenzielle Notlagen wieder denkbar.

Eine Menge Argumente sich vorzubereiten

Zu den Gewinnern dieser neu aufgeflammten Angst gehört Philipp Nater. Er ist Geschäftsführer der deutschen Niederlassung der SicherSatt AG, die ihren Sitz unweit des Bodensees in Rielasingen-Worblingen hat. Von dort aus beliefert das Unternehmen Kunden in ganz Europa mit Notvorräten. "Ich würde nicht sagen, dass wir von der Angst leben. Sondern wir verkaufen eine Art Versicherung in Dosenform", sagt der 48-Jährige und öffnet die Tür zum kleinen Verkaufsraum.

Notvorräte im Lagerraum der SicherSatt AG

Glänzende Büchsen sind dort aufgereiht, dazu kleine Wasseraufbereitungsanlagen und Kochutensilien, die ohne Strom auskommen. Reparatursets für die eigenen Zähne. Trinkwasserbeutel für den Notfall. Trockengemüse, Konservenfleisch. Es gibt Vorratskomplettpakete, die von ein paar Tagen bis hin zu einem ganzen Jahr reichen. Für die sogenannte Komplettlösung ECO verlangt das Unternehmen 2.590 Euro. Sie umfasst 620.000 Kalorien und soll drei Monate lang für vier Personen reichen. Mindesthaltbarkeit: 15 Jahre.

Wer bislang noch nicht genau wusste, warum es klug sein könnte, sich auf härtere Zeiten einzustellen, findet auf der Internetseite des Herstellers eine Menge Argumente: Stromausfall, kein Internet, Hochwasser, Terrorgefahr, instabile Finanzsysteme - alles Szenarien, in denen "Notvorräte eine Versicherung - mit realen essbaren Gütern" darstellten.

Der limitierende Faktor ist das Wasser

Die Geschäfte laufen immer dann besonders gut, wenn die Sorge um sich greift - zuletzt nachdem Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) im Sommer ein neues Zivilschutzkonzept vorstellte, in dem der Rat steht, sich mit Vorräten für zwei Wochen einzudecken. "Der erste Schock bringt die Leute dazu, zu handeln", sagt Phillip Nater und erinnert sich an die Atomkatastrophe von Fukushima oder auch die ersten Terroranschläge von Paris, die das Telefon nicht mehr hätten stillstehen lassen.

Christiane Manthey von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg findet es grundsätzlich nicht falsch, sich - wie von der Bundesregierung empfohlen - für einen Zeitraum von zwei Wochen mit Vorräten einzudecken. "Aber denken Sie daran: Der limitierende Faktor ist immer das Wasser." Bevor man sich über das Essen Gedanken macht, sei die Frage nach dem Wasser zu klären. "Denn Milchpulver oder Nudeln nützen nichts, wenn kein Wasser zur Verfügung steht."

Eigene Empfehlungen spricht die Verbraucherzentrale nicht aus, sie verweist auf die Ratschläge des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Die Behörde hat auch eine Checkliste herausgegeben. Darin stehen Mengenempfehlungen, unter anderem 5,6 Kilogramm Dosengemüse und Büchsen-Hülsenfrüchte pro Person.

Spezielle Notvorräte wie die von SicherSatt seien nicht für jeden sinnvoll, insbesondere nicht größere Mengen, sagt Christiane Manthey. "Wir finden es sinnvoller, genügend Vorräte im Haus zu haben, die Lebensmittel aber nach und nach zu verbrauchen und wieder zu ersetzen."

Familie K. fühlt sich indes ausgesprochen wohl mit dem gefüllten Keller, auch wenn sie das nicht an die große Glocke hängt. "Notbevorratung ist ein sehr diskretes Geschäft", bestätigt auch Phillip Nater. Als sein Unternehmen 2010 in der Schweiz gegründet wurde, habe man das Firmenlogo noch groß auf die Kartons gedruckt, und auch auf den Lieferwagen stand das Wort Notvorrat in großen Lettern.

"Die Kunden haben zu uns gesagt: 'Seid Ihr wahnsinnig?', wenn wir damit vorgefahren sind." Niemand gebe gerne zu, ein Hamsterkäufer zu sein. Und außerdem solle der Nachbar nicht wissen, was es im eigenen Keller zu holen gebe. Jedenfalls liefert SicherSatt seine Notvorräte heute in neutralen Kartons und Fahrzeugen, die außen keinen Hinweis auf die Fracht tragen.