Gespalten zwischen Rechtspopulismus und Hilfsbereitschaft

Gespalten zwischen Rechtspopulismus und Hilfsbereitschaft
Mehr als die Hälfte der Deutschen (56 Prozent) sind für die Aufnahme von Flüchtlingen. Gleichzeitig findet ein gutes Drittel (35), es werde mehr für sie getan als für bedürftige Deutsche. 38 Prozent wollen eine Obergrenze für Flüchtlinge, 21 Prozent lehnen sie strikt ab. 40 Prozent sehen die Demokratie gefährdet, 50 Prozent den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Die Daten der neuen Mitte-Studie im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung zeigen auf den ersten Blick eine zerrissene Gesellschaft. "Gespaltene Mitte - Feindselige Zustände" ist das am Montag in Berlin veröffentlichte Buch überschrieben. Die Studie belegt die vielfach bereits diskutierte Polarisierung und auch Radikalisierung, resümiert der Konfliktforscher und Studienautor Andreas Zick.

Seit 2006 veröffentlicht die SPD-nahe Stiftung die Studien, die herausfinden sollen, wie weit rechtsextreme und rechtspopulistische Einstellungen sowie gruppenbezogene Abwertungen etwa gegen Ausländer, Arbeitslose und Behinderte verbreitet sind. Für die aktuelle Untersuchung wurden zwischen Anfang Juni und August dieses Jahres 1.896 repräsentativ ausgewählte Personen ab 16 Jahren befragt.

Im Ergebnis zeigt sich in der aktuellen Erhebung gegenüber 2014, dass der Anteil rechtsextremer - also eindeutig menschen- und demokratiefeindlicher - Ansichten stabil bei rund 2,8 Prozent der Deutschen verankert ist. Im Osten neigen fast doppelt so viele Menschen (5,9 Prozent) zu rechtsextremen Einstellungen. Mit 20 Prozent stabil geblieben ist im Vergleich zu 2014 auch die Zustimmung zu rechtspopulistischen Aussagen, die geprägt sind von Abgrenzung, einfachen Antworten und Demokratiemisstrauen: 20 Prozent der Deutschen sympathisieren laut Studie mit solchen Ansichten.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt nach einem Bericht der Zeitung "Die Welt" (Montagsausgabe) eine Studie des britischen Instituts YouGov: Sie macht eine Zustimmung von 18 Prozent für rechtspopulistische Einstellungen in Deutschland aus, womit die Bundesrepublik den Angaben zufolge weit weniger anfällig dafür ist als andere europäische Länder. In Polen teilen demnach 78 Prozent rechtspopulistische Einstellungen, in Frankreich 63 und in den Niederlanden 55 Prozent.

Unter AfD-Wählern teilen 84 Prozent "neurechte" Einstellungen

Auf den zweiten Blick zeigt die Mitte-Studie denn auch eine demokratische gesinnte Mehrheit, wie Mitautorin Beate Küpper erläutert. Nur 20 Prozent finden die Aufnahme von Flüchtlingen nicht gut. Angesichts der Präsenz von "Pegida" auch überraschend: Nur sieben Prozent würden "sehr" oder "eher" wahrscheinlich an einer Demonstration gegen Zuwanderung teilnehmen, 71 Prozent schließen das für sich aus. "Wir sollten der lauten Minderheit der Fremdenfeinde in den gesellschaftlichen Debatten nicht so viel Raum geben", sagte Küpper.

Sie widmete sich in der Studie erstmals dem Phänomen der sogenannten Neuen Rechten, die Schnittmengen hat mit der "Identitären Bewegung", aber auch mit der AfD. Ihr Ergebnis: 28 Prozent der Deutschen teilen Auffassungen der neuen Rechten. Zu deren Einstellungsmuster gehört der Studie zufolge die Angst vor einer vermeintlichen Unterwanderung durch den Islam, die Annahme eines "Meinungsdiktats", die Forderung nach einer nationalen Rückbesinnung gegen die EU, die Beschimpfung des "Establishments" und die Aufforderung zum "Widerstand" gegen die aktuelle Politik.

Besonders verbreitet sind diese Einstellungen der Umfrage zufolge unter AfD-Wählern. 84 Prozent von ihnen teilen "neurechte" Einstellungen. Weit mehr verbreitet als im Bevölkerungsdurchschnitt sind hier zudem auch rechtsextreme Positionen oder Abwertungen bestimmter Gruppen, nicht nur von Ausländern, sondern auch beispielsweise von Arbeitslosen.

Studien-Mitautor Andreas Hövermann beobachtet dabei einen deutlichen Rechtsruck parallel zur Entwicklung von der Anti-Euro- zur zuwanderungskritischen Partei. Die potenziellen Wähler heute hätten extremere Einstellungen als 2014, sagte er. Werteten 2014 etwa rund 57 Prozent von ihnen Asylsuchende ab, sind es aktuell 74 Prozent. Die Ablehnung gegenüber Muslimen ist von 30 auf 43,5 Prozent gestiegen - im Bevölkerungsdurchschnitt sind es 18 Prozent.