Flüchtlinge teilen deutsche Wertvorstellungen

Ein Flüchtling aus Somalia hält eine Ausgabe "Schönfelder Deutsche Gesetze" in den Händen (Archiv).
Foto: dpa/Arne Dedert
Ein Flüchtling aus Somalia hält eine Ausgabe "Schönfelder Deutsche Gesetze" in den Händen (Archiv).
Flüchtlinge teilen deutsche Wertvorstellungen
Nach Deutschland gekommene Flüchtlinge teilen im Großen und Ganzen die Wertvorstellungen der Deutschen. Wie aus den am Dienstag in Berlin vorgestellten Ergebnissen einer großangelegten Befragung hervorgeht, sind 96 Prozent der Schutzsuchenden der Meinung, "man sollte ein demokratisches System haben". Das finden auch 95 Prozent der Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft. Dass Frauen die gleichen Rechte wie Männer haben sollen, finden in beiden Gruppen 92 Prozent.

Unterschiede ergeben sich aber beim detaillierten Nachfragen. So stimmen 29 Prozent der Flüchtlinge der Aussage zu, dass ein höheres Einkommen der Frau zu Problemen in der Partnerschaft führen kann, während das in der deutschen Bevölkerung 18 Prozent finden. Und während 13 Prozent der Geflüchteten finden, ein Religionsführer sollte letztlich die Auslegung von Gesetzen bestimmen, meinen das nur acht Prozent der Deutschen. Der Unterschied zum Herkunftsland ist dabei aber wesentlich deutlicher. In Krisenländern finden das laut World Value Survey 55 Prozent.

Der Direktor des Sozio-oekonomischen Panels am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Jürgen Schupp, schlussfolgert, dass vor allem diejenigen aus Krisenstaaten nach Deutschland flüchten, deren Werteverständnis dem deutschen näher steht als dem der Herkunftsländer.

Erste umfassende Studie gibt Auskunft über Ausbildung und Ansichten Asylsuchender

Das DIW hat gemeinsam mit dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die erste großangelegte Befragung von Flüchtlingen, die zwischen 1. Januar 2013 und 31. Januar 2016 nach Deutschland gekommen sind, gestartet. Mehr als 2.300 Schutzsuchende über 18 Jahren wurden zu Einstellungen, Ausbildung, Motiven der Flucht und bisherigen Erfahrungen befragt.

Dies soll nun jährlich wiederholt werden, um Aussagen über die Wirksamkeit einzelner Integrationsmaßnahmen treffen zu können, erläuterte IAB-Forschungsleiter Herbert Brücker. Nach den Ergebnissen kommt er zu dem Schluss, dass Flüchtlinge eine hohe Bildungsorientierung haben, auch wenn es ein Gefälle zur deutschen Bevölkerung gibt. 58 Prozent der Neuankömmlinge haben der Studie zufolge in ihrer Heimat zehn Jahre oder mehr eine Schule besucht, in Deutschland gilt das für 88 Prozent. 37 Prozent der Geflüchteten besuchten eine weiterführende Schule, 31 Prozent eine Mittelschule, zehn Prozent nur eine Grundschule und neun Prozent gar keine Schule. 31 Prozent waren auf Hochschulen oder in beruflichen Bildungseinrichtungen.

Zwei Drittel der im Durchschnitt jungen Flüchtlinge wollen Brücker zufolge in Deutschland einen Berufs- oder Hochschulabschluss machen. Für die meisten ist das allerdings eine längerfristige Perspektive, weil sie zunächst einmal Geld verdienen wollen. Der Wunsch nach Bildung sei hoch und wichtiger als bisher angenommen, erklärte Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) anlässlich der Studie. Investitionen in Spracherwerb und Qualifizierung seien der richtige Weg.

Die Studie zeigt zudem, dass die Menschen auf der Flucht viel auf sich genommen haben. Zwei Fünftel der Männer und ein Drittel der Frauen haben bei ihrer Flucht nach Deutschland körperliche Gewalt erfahren. 15 Prozent der Frauen und vier Prozent der Männer berichten von sexuellen Übergriffen. Mehr als die Hälfte gibt der Studie zufolge an, Opfer von Betrug oder Ausbeutung geworden zu sein. Im Durchschnitt mussten die Flüchtlinge mehr als 7.000 Euro für ihre Flucht ausgeben, das meiste davon für Verkehrsmittel und Fluchthelfer beziehungsweise Schleuser.

Die am Dienstag vorgelegten Ergebnisse sind nur ein erster Teil der Befragung mit insgesamt mehr als 450 Fragen an die Flüchtlinge. Weitere Auswertungen werden unter anderem zur familiären Situation, zurückgelassenen Angehörigen und den Erfahrungen mit dem Familiennachzug erwartet.