Zehntausende protestieren gegen christlichen Gouverneur von Jakarta

Zehntausende protestieren gegen christlichen Gouverneur von Jakarta
In Indonesiens Hauptstadt haben Zehntausende Menschen gegen den christlichen Gouverneur von Jakarta protestiert und seine Verhaftung gefordert.

Die Demonstranten folgten dem Aufruf radikaler Muslime und versammelten sich zunächst vor der Istiqlal-Moschee, bevor sie zum Präsidentenpalast zogen, wie indonesische Zeitungen am Freitag online berichteten. Die "Jakarta Post" bezifferte die Teilnehmerzahl auf rund 100.000.

Islamisten werfen dem Gouverneur Basuki Tjahaja Purnama vor, den Islam beleidigt zu haben. Der allgemein Ahok genannte Gouverneur stellt sich im Februar zur Wahl für sein Amt, in das er 2014 nachgerückt war. Zu der Kundgebung aufgerufen hat die radikale Organisation "Islamic Defenders Front", die auch Todesdrohungen gegen Ahok äußerte, sollte er nicht wegen Blasphemie festgenommen werden.

Ahok gehört zur chinesischstämmigen Minderheit in Indonesien, die vielfach Diskriminierungen ausgesetzt ist. Aus Sorge vor Gewalt waren am Freitag mehr als 20.000 Sicherheitskräfte im Einsatz. Präsident Joko Widodo hatte den Präsidentenpalast vor Ankunft der Demonstranten verlassen. Er habe einen Termin am Flughafen, das sei Teil seiner normalen Aktivitäten, sagte sein Sprecher.

Anlass: Witze über einen Koranvers

Der Anlass für die jetzige Entrüstung der radikalen Muslime ist eine Rede Ahoks von Ende September, in der die 51. Sure des Korans erwähnte, die es Muslimen angeblich verbietet, Nicht-Muslime zu wählen. Die Wähler bräuchten sich nicht unbehaglich zu fühlen, falls sie nicht für ihn stimmten aus Angst, in die Hölle zu kommen, da sie getäuscht würden, sagte der Gouverneur. Später entschuldigte er sich mehrfach für seine Äußerungen, zuletzt am Donnerstag. Ahok muss sein Gouverneursamt wegen seiner Kandidatur im Moment ruhen lassen. Die Polizei ermittelt gegen ihn wegen möglicher Blasphemie.

In Indonesien sind 88 Prozent der 250 Millionen Einwohner Muslime. Traditionell gilt der Islam in dem Inselstaat als gemäßigt und tolerant. Fundamentalisten gewinnen aber an Einfluss. Menschenrechtler kritisieren eine zunehmende Intoleranz. In der Verfassung offiziell anerkannt sind neben dem Islam Protestantismus, Katholizismus, Hinduismus, Buddhismus und Konfuzianismus. Die freie Religionsausübung wird laut Verfassung garantiert. 

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Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) sieht die Demonstration gegen Ahok als Zeichen dafür, wie sehr sich die Lage religiöser und ethnischer Minderheiten in Indonesien verschlechtert habe. "Christen, Ahmadiyyah-Muslime, Schiiten, Bahai’i, Buddhisten und Hindu sind in Indonesien immer mehr Anfeindungen durch radikale Sunniten ausgesetzt", sagte der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius am Freitag in Göttingen. "Statt dem entschieden zu begegnen, weichen die Behörden aus Angst vor Massenprotesten zurück und setzen Minderheiten großen Gefahren aus", kritisierte Delius.

Schon bei seiner Wahl als Gouverneur sei Ahok Opfer massiver Anfeindungen konservativer sunnitischer Bewegungen geworden. Auch diesmal hätten radikale Sunniten die Stimmung im Vorfeld der Demonstrationen angeheizt. Die Behörden hätten daraufhin angeordnet, dass alle Polizisten bei den Demonstrationen unbewaffnet sein und Polizistinnen ein Kopftuch (Hijab) tragen sollen. Zur Beruhigung der Demonstranten würden fünf Gruppen von Polizisten die "99 wunderschönen Namen Allahs" singen. "So haben die Demonstranten schon jetzt ihr Ziel erreicht und Indonesiens Gesellschaft weiter islamisiert", erklärte Delius.

Immer wieder würden Christen in Indonesien Opfer von Repression und Verfolgung. So sei Anfang Oktober 2016 eine protestantische Kirche in Pasar Minggu (Süd Jakarta) wegen angeblich fehlender Baugenehmigung geschlossen worden. Mitte September 2016 hätten sunnitische Extremisten in Makassar (Süd Sulawesi) gegen die Erneuerung einer Baugenehmigung für eine protestantische Kirche demonstriert. Am 4. September 2016 sei die katholische Kirche Sankt Peter Purwosari (Central Java) während einer Messe gestürmt, der Pfarrer und die rund 200 Gläubigen gezwungen worden, aus dem Gotteshaus zu fliehen. Protestanten stellen nach Informationen der GfbV rund sieben Prozent der Bevölkerung und Katholiken drei Prozent.