Bischof Ulrich: "Einfache Antworten gibt es nicht"

Der Leitende Bischof der VELKD, Nordkirchen-Bischof Gerhard Ulrich, gibt seinen Bericht.
Foto: epd-bild/Viktoria Kuehne
Gerhard Ulrich, leitende Bischof der VELKD, spricht auf der Generalsynode in Magdeburg
Bischof Ulrich: "Einfache Antworten gibt es nicht"
In Magdeburg haben die Synoden-Tagungen von VELKD, UEK und EKD begonnen. Den Anfang machten die Lutheraner, deren Leitender Bischof Gerhard Ulrich eine klare Botschaft für Freiheit und Offenheit vertrat.

Mit starken Worten gegen die "post-faktische" Gesellschaft hat Bischof Gerhard Ulrich seinen Bericht vor der Generalsynode der VELKD gehalten. "Wir leben heute in Zeiten entsetzlicher Simplifizierung", klagte der Leitende Bischof der deutschen Lutheraner und erinnerte: "Einfache Antworten gibt es nicht, beziehungsweise sie führen nur zu Abgrenzung, Unmenschlichkeit, letztlich zu Hass und erneuter Gewalt."

Der Bischof der Nordkirche fand in seinem Bericht immer wieder den Weg zurück zu Martin Luther. Auch bei den ökumenischen Treffen mit den Katholiken, sei es zum Reformationsjubiläum in Lund oder bei den Tagungen des Lutherischen Weltbundes, stand Luther immer wieder im Mittelpunkt, berichtete Bischof Ulrich. Dass selbst Papst Franziskus in seiner Predigt in Lund anerkannte, "dass die Reformation dazu geholfen hat, die Heilige Schrift im Leben der Kirche stärker in das Zentrum zu rücken", nannte Ulrich einen "bewegenden Moment".

Martin Luthers Verständnis von Freiheit war für Bischof Ulrich der zentrale Gedanke, der heute nach wie vor hochgehalten werden müsse. Freiheit könne nicht erzwungen werden, ebenso wenig wie Glaube anderen Menschen verordnet werden könne, sagte Ulrich: "Wo Menschen sich anschicken, das Paradies auf Erden mit Zwang herbeizuführen, sind noch immer Terror-Regime die Folge gewesen."

"Zu einer anderen Globalisierung ermutigen"

Auch auf die aktuelle Flucht von Millionen Menschen in Europa ging der Bischof ein. Europa habe eine Mitverantwortung für die Fluchtursachen. "Wenn wir denn zu den Werten stehen, die sich mit der Identität Europas verbinden und die auch aus den Wurzeln der christlichen Tradition gewachsen sind, können wir über diese Mitverantwortung nicht hinwegsehen", sagte Ulrich. Die Vielfalt Europas sei aus mehr Wurzeln gewachsen als den christlichen, nämlich auch aus griechisch-antiken, römischen, muslimischen, jüdischen Überlieferungen ebenso wie aus den Ideen der Aufklärung.

Der Bischof warb für das "Eintreten für gerechtes Wirtschaften" und mehr "Teilhabe an der Fülle", um "zu einer anderen Globalisierung zu ermutigen". Europa sei ein Sehnsuchtsort für viele Menschen, weil Freiheit und Gerechtigkeit hier gelebt werden können. Die Angst, "dass die eigene Kultur verloren geht, wenn andere Kulturen sichtbar werden", könne man christlich überwinden: "Die Freiheit eines Christenmenschen ist immer entgrenzende, Mauern überwindende, Flüchtlinge und Migranten annehmende Freiheit."

Das ist eine Herausforderung, der man sich aber nur mit Fakten stellen könne, sagte Ulrich. "Emotionalität und Ängste binden in einer Weise, die Freiheit stranguliert - und damit auch die Freiheit, Verantwortung für eine moderne, demokratische Gesellschaft zu übernehmen." Über Abgrenzung zu anderen dürfe man sich dabei nicht definieren: "Geht hin in alle Welt", zitierte Bischof Ulrich ein Jesuswort aus dem Markus-Evangelium (Mk 15,16). Freiheit sei ohne diese Öffnung zur Welt hin nicht zu leben.

Ulrich kritisierte konkret politische Forderungen nach einer "Obergrenze" für Flüchtlinge. Wir könnten nicht alle aufnehmen, aber "die Stimme der Humanität lebendig halten, die auch die Stimme des Evangeliums ist". Das heißt für Ulrich: Fakten zur Kenntnis nehmen und nach differenzierten Antworten suchen. "Zu den Fakten gehört, dass eine 'Obergrenze' letztlich nur mit Stacheldraht und Schießbefehl durchzusetzen wäre. Kein verantwortungsbewusster Politiker will das. Das unterstelle ich auch niemandem. Aber dann soll man auch aufhören, so zu reden", forderte Ulrich.

Weitere Themen: Frauenordination, eingetragene Partnerschaften, Verbindungsmodell

In seinem Bericht ging Bischof Ulrich auch auf weitere Themen aus der Arbeit der VELKD ein. Er kritisierte die Entscheidung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Lettland, die Frauenordination zurückzunehmen: "Gerade für uns Lutheraner kann es in geistlicher Hinsicht einen Unterschied zwischen Frauen und Männern nicht geben." Synodenpräsident Wilfried Hartmann bestärkte die Kritik: Der Beschluss der lettischen Kirche "zementiert ihr Nischendasein". Hartmann ermunterte die Synode, alle Möglichkeiten wahrzunehmen, "diese Entscheidung zu hinterfragen" und diejenigen zu stärken, die sich in Lettland  weiter für die Frauenordination einsetzen.

Bischof Ulrich berichtete auch von einem Beschluss der Bischofskonferenz, dass die VELKD selbst keine Agenda für die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare entwickeln wird, weil alle Gliedkirchen selbst bereits an eigenen Versionen arbeiten. Stattdessen soll der Liturgische Ausschuss Standards für das liturgische Handeln erarbeiten und die gemeinsam mit der UEK zu diskutieren.

Auch zur Zusammenarbeit von VELKD, UEK und EKD wird es im sogenannten Verbindungsmodell einen neuen Vorschlag geben, um die Ämter der Kirchen besser zusammenzubringen. Die "Hoheit der VELKD als Körperschaft" soll dabei aber nicht verändert werden. Dazu werden in den kommenden Tagen auch die UEK-Synode und die EKD-Synode beraten und beschließen.

Die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands macht mit ihrer Generalsynode den Auftakt für sieben Tage Synoden-Arbeit, zu denen sich die Kirchenparlamente von VELKD, der Union Evangelischer Kirchen (UEK) und der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Magdeburg treffen.