"Wir haben eine gemeinsame rote Linie"

Martin Dutzmann
Foto: epd-bild/Jürgen Blume
Martin Dutzmann ist Bevollmächtigter des Rates der EKD bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union.
"Wir haben eine gemeinsame rote Linie"
Es gibt immer wieder heftige Diskusionen: Wie soll die Evangelische Kirche - und auch der Kirchentag - mit der Partei "Alternative für Deutschland" (AfD) umgehen? Prälat Martin Dutzmann, Bevollmächtigter des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland bei der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union, bezieht im Interview Stellung.

Die Alternative für Deutschland ist eine junge Partei, deren Einordnung immer noch schwer fällt. Ist sie eine rein bürgerliche Protestpartei oder mehr ein Sammelbecken für Neonazis und Rechtsradikale?

Martin Dutzmann: Ich glaube nicht, dass die AfD eine Art bürgerliche NPD geworden ist. Die Wählerwanderungen zeigen, dass die Partei Zulauf aus allen Richtungen erhalten hat. Das ist keine rechtsextreme Partei. Die AfD ist ein anderes Phänomen als es die NPD, die DVU oder die Republikaner es waren.

Meinen sie wirklich, dass die AfD eine ganz normale Partei ist und man sie auch so behandeln sollte? Es gibt durchaus Stimmen, etwa in Gewerkschaften oder eben auch bei der Kirche, die fordern, man müsse die AfD bekämpfen.

Dutzmann: Eine solche Haltung halte ich für falsch. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die AfD Dinge artikuliert, die vielen Menschen wichtig sind, und darauf müssen wir eingehen. Natürlich gibt es dabei so etwas wie rote Linien. In dem Augenblick, wo ein Vertreter der AfD sich rassistisch äußert, wo wir es erkennbar zu tun haben mit gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, hört für mich und für die Evangelische Kirche in Deutschland die Gesprächsbereitschaft auf. Darüber diskutieren wir dann nicht mehr. Wenn die Vorsitzende der AfD zum Beispiel den Begriff des Völkischen wieder reaktivieren möchte - und ich glaube, dass sie sehr genau weiß, was sie tut, dann scheint da für mich die rote Linie auf.

Das heißt, jeder Bischof, jeder Kirchenkreis, jede Kirchengemeinde zieht dann je eigene rote Linien? Wäre da eine konsequente Linie der gesamten evangelischen Kirche nicht sinn- und wirkungsvoller?

Dutzmann: Wir haben eine gemeinsame rote Linie, und die lautet: "Fremdenfeindlichkeit und Rassismus". Wir werden immer differenzieren müssen, so wie es jetzt der Deutsche Evangelische Kirchentag tun wird. Wir schließen niemanden aus, weil er einer bestimmten Partei angehört, sondern wir ringen um Positionen, um Inhalte und wir laden dazu die entsprechenden Gesprächspartner ein. Und wenn wir merken, dass sich jemand als Rassist erweist, dann kann keine Einladung erfolgen.

"Wenn die AfD im Bundestag sitzt, werde ich auch mit den Abgeordneten reden."

Aber gehen Sie damit nicht der AfD auf den Leim? Manche Funktionäre wie Herr Meuthen kommen eben sehr bürgerlich friedlich daher, aber sie sind in derselben Partei, in der auch ein Herr Höcke oder Frau Petry sitzen.

Dutzmann: Dennoch oder gerade deswegen muss man auch mit AfD-Politikern reden. Wir haben es mit einer Partei zu tun, die inzwischen in der Mehrzahl der Landtage vertreten ist, und sie ist auf demokratischem Wege dorthin gekommen. Wenn die AfD im Bundestag sitzt, werde ich als EKD-Vertreter auch mit den AfD-Abgeordneten reden. Deswegen müssen wir die Inhalte des Parteiprogramms nicht gut finden. Unsere Auseinandersetzung mit Vertretern der AfD wird eine sachliche und themenbezogene sein. Wir werden zum Thema Migration, zum Thema Asyl, zum Thema Familie je eigene Gesprächs- und Veranstaltungsformate finden und dann möglicherweise auch einen Menschen, der der AfD angehört, mit einladen. Dann werden wir inhaltlich thematisch diskutieren und auch die Klingen kreuzen.

Also muss man Ihnen oder dem Evangelischen Kirchentag Blauäugigkeit vorwerfen, weil Sie die Gefährlichkeit der AfD nicht sehen und grundsätzlich gesprächsbereit sind?

Dutzmann: Gefährlich ist es aus meiner Sicht, bestehende Entwicklungen zu ignorieren und zu glauben, dass man die mit der AfD an die Oberfläche kommenden Probleme löst, indem man die Vertreter der Partei und ihre Wähler nicht beachtet. Wenn der Kirchentag es anders gemacht hätte und AfD-Mitglieder im Vorhinein ausgeschlossen hätte, würde man uns ebenfalls kritisieren – und wie ich finde, zu Recht.