Bücher zum Reformationsjubiläum: Biografien von Reformatoren

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Bücher zum Reformationsjubiläum: Biografien von Reformatoren
Ob wissenschaftlich oder "für zwischendurch" - diese Biografien beschreiben das Leben und Wirken der Reformatoren Johannes Calvin, Ulrich Zwingli, Thomas Müntzer und Philipp Melanchthon.
30.12.2016
Evangelisches Literaturportal (Eliport)

Elwood, Christopher: Calvin für zwischendurch

Ill. von Ron Hill. Dt. von Margit Ernst‐Habib. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2007. 231 S. : Ill. ; 21 cm. Aus d. Engl. ISBN 978‐3‐525‐ 63381‐6, kt.: 19,90 €

Calvin zum kennen lernen ‐ kompakt und anregend.

Die Umschreibung „für zwischendurch“ trifft nicht den Kern. Namhafte amerikanische Theologen versuchen wichtige Personen der Kirchengeschichte LeserInnen ohne Vorkenntnisse zugänglich zu machen. Zunächst werden die historischen, gesellschaftlichen und geistes‐ und theologiegeschichtlichen Einflüsse beschrieben, die den französischstämmigen Johannes Calvin (1509–1564) zu einer prägenden Gestalt der Reformation formten. Seine Theologie entfaltet er gut nachvollziehbar an seinem Hauptwerk „Institutio Christianae religionis“, zeigt die Kontroversen auf, die Calvin provozierte, und beschreibt die Wirkungs‐ und Rezeptionsgeschichte des „Calvinismus“ nicht nur für Kirche und Theologie, sondern auch für Wirtschaft und Politik. Die „in deutschen Veröffentlichungen kaum anzutreffende Mischung aus theologischer Ernsthaftigkeit und stilistischer Leichtigkeit“ (Reiner Rohloff in: www.reformiert‐info.de) lädt zum Lesen ein. Doch es geht keineswegs um „Calvin‐light“. Eine Empfehlung für alle Büchereien!

Karl Foitzik

 

Strohm, Christoph: Johannes Calvin. Leben und Werk des Reformators.

München: Beck 2009. 128 S. : Ill. ; 18 cm. (bsr ; 2469). ISBN 978‐3‐406‐56269‐3, kt.: 7,90 €

Eine kompakte, präzise Darstellung der Hintergründe, des Lebens und Wirkens und der Wirkung des reformierten Theologen.

Christoph Strohm gelingt es in einer feinen und sehr genauen Manier, den wichtigsten Jubilar dieses Jahres lebendig werden zu lassen. In dem kleinen und doch so aufschlussreichen Taschenbuch beschreibt er wissenschaftlich genau und auch für den Laien verständlich diesen großen Reformator des 16. Jahrhunderts. Neben der Einführung in das Leben und die theologischen Einsichten Calvins wird besonders eindrucksvoll die Bedeutung des Theologen auch für die heutige Zeit herausgearbeitet. Im Gegensatz zu Martin Luther war Calvin aufgrund seiner Fremdheits‐ und Flüchtlingserfahrungen ein "moderner" Theologe. Die biblischen Heilserfahrungen konkretisierten sich für ihn in seiner Erfahrung des Ausgeliefertseins in privaten, theologischen und politischen Erlebnissen. Dieses führt Calvin eben nicht zum glaubenslosen Rationalismus, sondern zu einem praktischen Heilszugang. Für alle, die sich kurz und intensiv mit Johannes Calvin beschäftigen wollen, bietet dieses Buch einen guten Zugang.

Kurt Triebel

 

Opitz, Peter: Ulrich Zwingli. Prophet, Ketzer, Pionier des Protestantismus.

Zürich: TVZ 2015. 119 S. : Ill. ; 21 cm. ISBN 978‐3‐290‐17828‐4, kt.: 19,90 €

Lebensgeschichte des Schweizer Reformators Ulrich (Huldrych) Zwingli (1484–1531) und seine reformierte Theologie.

Der Zürcher Professor für Kirchen‐ und Dogmengeschichte Opitz porträtiert in einer kurzen Darstellung von 120 Seiten den Züricher Reformator Zwingli. Der Reformator wird lebendig dargestellt als ein humanistisch geprägter Denker, der als Exeget tief im biblischen Denken verwurzelt war. Er unterschied sich insbesondere beim rechten Verständnis des Abendmahls von Luther, das Scheitern des Marburger Religionsgespräches1529 lag nicht an Zwingli. Dieser hatte keine Probleme mit der innerprotestantischen „versöhnten Verschiedenheit“. Zwingli hatte eine erhebliche Ausstrahlung auf Europa und auf den weltweiten Protestantismus. Dazu gehören u.a. die Integration der Rechtfertigungslehre in eine Versöhnungstheologie, die Bundestheologie, die das Neue Testament aus der Verbindung mit der Hebräischen Bibel versteht, ein Gottesdienstverständnis, das Bibelauslegung und Gebet als seine zentralen Elemente sieht. ‐ Ein gelungenes Porträt eines republikanischen Reformators, der ohne Personenkult auskam. Eine lehrreiche Biographie, die zum Verständnis der reformierten Theologie und ihrer heutigen Bedeutung beiträgt. Für Büchereien aller Größen.

Martin Ertz‐Schander

 

Jung, Martin H.: Philipp Melanchthon und seine Zeit.

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2010. 168 S.: Ill. ; 21 cm. ISBN 978‐3‐525‐55006‐9, geb.: 17,90 €

Die Lebensgeschichte und Rolle des kleinen großen „Praeceptor Germaniae“, des Lehrers Deutschlands, in der Geschichte der Reformation des 16. Jahrhunderts.

Mit Philipp Melanchthon tritt ein Mann in die Geschichte der Reformation ein, der einen sehr wesentlichen Anteil an der Entwicklung, dem Inhalt und der Zukunft des Reformationsgeschehens hat, der oft genug in den Beschreibungen der damaligen Zeit nur eine untergeordnete Rolle spielt. Dabei hat er erheblich zu der inhaltlichen und atmosphärischen Entwicklung beigetragen. Martin H. Jung schafft es mit seinem Buch einerseits, die Biographie des Reformators zutreffend und liebevoll zu beschreiben, es reicht bis zu interessanten Einzelheiten, andererseits beschreibt der Verfasser, sehr sachkundig und sehr gut lesbar, das gesamte Reformationsgeschehen in allen Einzelheiten so, dass es auch für Nichtfachleute sehr aufschlussreich sein kann. Es gelingt vortrefflich, die Eigenheiten und theologischen Entscheidungen Melanchthons so darzustellen, dass er aus einer Helferrolle herausgeholt und zu einem Hauptakteur der Reformation gemacht wird. Und das ist er ja schließlich auch gewesen in seiner Bedeutung für Deutschland und Europa, der bis heute in seinen theologischen und pädagogischen Ansätzen in diesem Kontinent Wirkung zeigt. Sehr zu empfehlen! Dieses vortrefflich formulierte, sehr informative Buch sollte unbedingt in unseren Büchereien angeschafft werden.

Kurt Triebel

 

Scheible, Heinz: Melanchthon. Vermittler der Reformation. Eine Biographie.

München: Beck 2016. 448 S. : Ill. ; 23 cm. ISBN 978‐3‐406‐68673‐3, geb.: 28,00 €

Eine wissenschaftlich fundierte und zugleich gut lesbare Biographie Melanchthons (1497 ‐ 1560).

Philipp Melanchthon ‐ ein Humanist und zugleich ein Reformator ‐ war der wichtigste Weggefährte Luthers, ohne ihn wäre die Reformation nicht das geworden, was 2017 gefeiert wird. Diese Biographie, die Leben und Werk von Philipp Melanchthon behandelt, ist ein Standardwerk, sie fußt auf der jahrzehntelangen Arbeit von Heinz Scheible, dem früheren Leiter der Heidelberger Melanchthon‐Forschungsstelle und ist nun in einer überarbeiteten Neuauflage erschienen. Themen sind u.a. die politischen und theologischen Verhandlungen Melanchthons, die zur Verfestigung der Reformation führten, das Abendmahl, mit Melanchthon wäre es schon früh zu der erst im 20. Jahrhundert verwirklichten Einheit und Gemeinschaft der reformatorischen Kirchen gekommen. Das Wirken des Griechischprofessors, Bildungsreformers, Philosophen, des Politikers und des bibeltreuen Theologen wird in weiteren Kapiteln deutlich. Ein umfangreiches Literaturverzeichnis und eine ausführliche Zeittafel vervollständigen das Ganze. Diese richtungsweisende Biographie kann allen empfohlen werden, die sich tiefergehend, breit ‐ nicht nur auf Luther beschränkt ‐ mit der Reformation beschäftigen wollen.

Martin Ertz‐Schander

 

Goertz, Hans‐Jürgen: Thomas Müntzer. Revolutionär am Ende der Zeiten. Eine Biographie.

München: Beck 2015. 351 S. ; 22 cm. ISBN 978‐3‐406‐68163‐9, geb.: 24,95 €

Wissenschaftliche Biographie über Thomas‐Müntzer (1489 – 1525), eine herausragende und gleichzeitig sperrige Persönlichkeit der frühen reformatorischen Bewegung.

Das unruhige Leben des Mystikers, Gottesdienstreformers und Revolutionärs in seinen einzelnen Stationen wird gezeichnet, dabei kommt das theologisch‐spirituelle Leben nicht zu kurz. Deutlich werden „ein vehementer Antiklerikalismus, Züge mystischer Leidens‐ und Geistfrömmigkeit sowie ein apokalyptisches Zeitverständnis“. Die Überzeugung „Gott ist gerecht, und die Christen sind frei“ führte Müntzer an die Seite der Bauernbewegung, die die bestehenden Herrschaftsverhältnisse umstürzen wollte. Dadurch geriet er auch in einen Gegensatz zu Luther. Die Anerkennung Müntzers kam spät von anderer Seite: Friedrich Engels entdeckte den frühen Revolutionär, Heinrich Heine bewunderte ihn, Ernst Bloch verehrte den "Theologen der Revolution". Hans‐Jürgen Goertz verortet seine Theologie und sein Wirken in seiner Zeit und macht gerade dadurch deutlich, warum Müntzer bis heute die Gemüter erregt. Die Quellenlage ist leider dürftig, insofern ist nicht immer alles belegbar, das Wichtigste ist aber nachvollziehbar. Damit erinnert Goertz, kurz vor dem groß angelegten Gedenken an die 500. Wiederkehr der Reformation, an eine damals unterdrückte Bewegung dieser Reformation, die bis heute immer wieder aufbricht und immer noch aktuell ist. Ein wichtiges Diskussionsbuch, nicht immer leicht zu lesen, aber unverzichtbar. Für Büchereien mit Beständen zum Thema 500 Jahre Reformation.

Martin Ertz‐Schander