Behandlung von Pädophilen soll Kassenleistung werden

Behandlung von Pädophilen soll Kassenleistung werden
Die Therapie für pädophile Männer soll künftig eine Kassenleistung werden. Die Krankenkassen stellen fünf Millionen Euro für ein Modellprojekt bereit.

Berlin (epd). Die Finanzierung von Therapien für pädophile Männer soll auf sichere Füße gestellt werden. Die Krankenkassen finanzieren das Präventionsnetzwerk "Kein Täter werden" künftig als Modellprojekt mit dem Ziel, die Behandlung zu einer Kassenleistung zu machen, teilte der Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, Lutz Stroppe, am Dienstag in Berlin mit. Dafür sollen bis 2022 fünf Jahre lang je fünf Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden.

Das ist eine deutliche Steigerung. Gegenwärtig beläuft sich der Etat des Netzwerks in Berlin und zehn weiteren Städten auf insgesamt etwa 1,4 Millionen Euro jährlich. Darin sind auch Förderungen durch die Bundesländer enthalten.

Die Verhinderung von sexuellem Missbrauch von Kindern sei eine Aufgabe, die alle angehe, sagte Stroppe. Die notwendigen Gesetzesänderungen sollen im November vom Bundestag und im Dezember vom Bundesrat verabschiedet werden. Mit dem Geld werden Therapien und Nachsorgegruppen für pädophile Männer, Forschungsprojekte und Auswertungsstudien bezahlt.

Risikofaktoren gemindert

Das Präventionsprogramm für pädophile Männer wurde 2005 an der Charité gegründet und ist am Berliner Standort seit 2008 vom Bundesjustizministerium mit zuletzt 585.000 Euro finanziert worden. Die Förderung läuft Ende des Jahres aus und wird 2017 übergangsweise vom Land Berlin übernommen.

Der Sprecher des Netzwerks und Leiter des Instituts für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin an der Charité, Klaus M. Beier, zog eine positive Bilanz. Aktuelle Nachuntersuchungen hätten ergeben, dass das Behandlungsprogramm die Risikofaktoren für sexuellen Kindesmissbrauch mindere. Die Teilnehmer der Therapiegruppen lernten, ihr Verhalten zu kontrollieren.

Die Zahlen sind niedrig, müssen aber vor dem Hintergrund gesehen werden, dass die Therapeuten in Berlin und anderen Städten mit Männern arbeiten, die sich mehrheitlich bereits strafbar gemacht haben - ohne dass dies Polizei und Justiz bekanntgeworden ist. 70 Prozent haben entweder Missbrauchsabbildungen im Internet konsumiert oder selbst einen Übergriff auf ein Kind begangen. Nur 15 Prozent derer, die Hilfe suchen, haben nach Beiers Angaben vor der Therapi weder sogenannte Kinderpornografie gesehen, noch sind sie übergriffig geworden.

Ein Prozent aller Männer pädophil

Fünf Jahre nach der Therapie war von 23 Männern, die sich auf Nachfrage von Beiers Institut zurückgemeldet haben, keiner rückfällig geworden. In einer ersten Nachuntersuchung im Jahr 2010 waren es von 53 Männern noch fünf. Beier sagte, jeder Rückfall sei ein Problem. Schwierig sei auch, dass ein Teil der Männer weiterhin Missbrauchsdarstellungen angesehen habe.

Bei den Anlaufstellen des Netzwerks meldeten sich nur die Männer, die Hilfe suchen und ihr Verhalten kontrollieren wollen, sagte Beier. Pädophilie sei nicht heilbar, aber behandelbar. Den Forschern zufolge sind ein Prozent aller Männer pädophil, was in Deutschland einer Zahl von 250.000 entspricht.

Nach Angaben des Netzwerks haben bis Ende September 7.075 Menschen aus dem ganzen Bundesgebiet beim Präventionsnetzwerk "Kein Täter werden" Hilfe gesucht. Knapp 2.300 stellten sich zur Diagnostik und Beratung vor, 1.264 wurde ein Therapieangebot gemacht. Insgesamt haben den Angaben zufolge 659 Männer eine Therapie begonnen und 251 sie erfolgreich abgeschlossen. 265 Männer befinden sich derzeit in gruppen- oder einzeltherapeutischer Behandlung.