Carolin Emcke erhält Friedenspreis des Deutschen Buchhandels

Foto:Arne Dedert/dpa
Die Publizistin und Philosophin Carolin Emcke wurde in der Frankfurter Paulskirche mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet.
Carolin Emcke erhält Friedenspreis des Deutschen Buchhandels
Carolin Emcke ist am Sonntag in der Paulskirche in Frankfurt am Main mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet worden. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels würdigte damit die Beiträge der 49-jährigen Publizistin und Philosophin zum gesellschaftlichen Dialog und zum Frieden. Der Vorsteher des Börsenvereins, Heinrich Riethmüller, bezeichnete Emckes Werke als "Vorbild für gesellschaftliches Handeln". Der Preis ist mit 25.000 Euro dotiert.

Die aus Istanbul stammende Philosophin Selya Benhabib bescheinigte Emcke in ihrer Laudatio eine "analytische Empathie". Sie widersetze sich der Sprachlosigkeit sowohl der Opfer von Gewalt als auch jener, die sich angesichts von erschütternden Vorfällen in sich zurückzögen, lobte die an der Yale-Universität in den USA lehrenden Politikwissenschaftlerin. "Emcke hat die Gabe, die Dinge so zu erzählen, dass die Lähmung des Denkens durch die allgegenwärtige Gewalt durchbrochen wird".

Emcke, die wie ihre Laudatorin bei dem Frankfurter Philosophen und Friedenspreisträger Jürgen Habermas studierte, sagte in ihrer Dankesrede, der Preis erfülle sie mit "glücklichem Staunen". Sie betrachte ihn "weniger als Auszeichnung denn als Aufgabe" für ihr weiteres Wirken. Intensiv setzte sich Emcke in ihrer Rede mit dem Begriff des Angehörens auseinander - zu einem Volk, einer Religion, einem Geschlecht oder einer bestimmten sexuellen Orienierung. Das Angehören sei nie eine individuelle Entscheidung, sondern stets vorbestimmt.

Die jeweilige Identität sei dabei Außenstehenden häufig wichtiger als den Betreffenden selbst. "Islamfeinden", sagte Emcke, "bedeutet das Kopftuch mehr als denen, die es wie selbstverständlich tragen." Ausgrenzender Fanatismus beschädige aber nicht nur diejenigen, die er sich als Opfer suche, sondern alle, die in einer offenen, demokratischen Gesellschaft leben wollten. "Wir dürfen uns nicht wehrlos und sprachlos machen lassen", mahnte die Preisträgerin.

Emcke wurde in Mülheim an der Ruhr geboren und studierte Philosophie, Politik und Geschichte in London, Frankfurt am Main und an der Harvard-Universität in den USA. Sie arbeitete von 1998 bis 2006 beim Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" und von 2007 bis 2014 als freie Autorin für die Wochenzeitung "Die Zeit". Seit Oktober 2014 schreibt sie für die Wochenendausgabe der "Süddeutschen Zeitung" eine wöchentliche Kolumne. Ab 1999 bereiste Emcke zahlreiche Krisenregionen und berichtete unter anderem aus dem Kosovo, Afghanistan, Pakistan, Irak, Haiti und dem Gaza-Streifen.

Schon mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet

Neben Reportagen, Aufsätzen und Kolumnen veröffentlichte Emcke die Bücher "Von den Kriegen - Briefe an Freunde" (2004), "Stumme Gewalt" (2008), "Wie wir begehren" (2012) und "Weil es sagbar ist. Über Zeugenschaft und Gerechtigkeit" (2013). Zur Buchmesse erschien "Gegen den Hass". Seit 2004 kuratiert und moderiert sie außerdem die monatliche Diskussionsreihe "Streitraum" an der Berliner Schaubühne. Die Publizistin wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet.

Der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ist die bedeutendste Kultur-Auszeichnung in Deutschland. Er wird seit 1950 verliehen. Zu den Preisträgern gehören unter anderen der DDR-Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer, der Schriftsteller Martin Walser, der Historiker Fritz Stern, der deutsch-französische Politologe Alfred Grosser und die amerikanische Essayistin Susan Sonntag. Im vergangenen Jahr hatte der deutsch-iranische Schriftsteller Navid Kermani den Friedenspreis erhalten.