Bibeltreff auf Farsi

Sahid (li) übersetzt die Predigt von Pastor Traugott Pohl für die iranischstämmigen Gemeindeglieder auf Farsi.
Foto: Sonja Poppe
Sahid (links) übersetzt die Predigt von Pastor Traugott Pohl für die iranischstämmigen Gemeindeglieder auf Farsi.
Bibeltreff auf Farsi
Erst kamen iranische Kinder zum Kindertreff, dann ihre Eltern zum Café International, dann einige Iraner, die getauft werden wollten. Inzwischen ist die Evangelische Landeskirchliche Gemeinschaft in Rheine doppelt so groß wie vorher. Und es gibt öfter was zu feiern.

Herbstwolken ziehen über das Backsteingebäude der Evangelischen Landeskirchlichen Gemeinschaft in Rheine. Auf einer Treppe gegenüber sitzt ein schwarzhaariger junger Mann und wartet. Es ist noch zu früh, das Gemeindehaus ist noch verschlossen. Der Gottesdienst findet hier abends um 18 Uhr statt. Als die Tür geöffnet wird, hält der junge Mann sie den Eintretenden zuvorkommend auf, bevor er selbst hineingeht.

Der Gottesdienstraum ist schlicht ausgestattet. Halbkreisförmig angeordnete Stuhlreihen füllen den Raum. Ein einfaches Kreuz hängt links vorne an der Holzwand. In der Mitte eine Leinwand, auf der "Herzlich Willkommen" zu lesen ist und auf der später Liedtexte und Bibelstellen angezeigt werden. Davor ein Rednerpult mit Kerze und ein modernes Blumenarrangement.

Links des Kreuzes wird gerade ein Gemälde aufgestellt. Der junge Mann steht davor und betrachtet das abstrakte Bild nachdenklich. Die Dame, die es mitgebracht hat, erklärt ihm, was zu sehen ist: Ein angedeutetes Kreuz vor grauem Hintergrund und ein Regenbogen als Zeichen des Bundes Gottes mit den Menschen. Der junge Mann fragt, wo in der Bibel denn die Geschichte über den Regenbogen zu finden sei. Er schlägt sie in seiner persischen Bibelausgabe nach und liest.

Er heiße Vali und komme aus dem Iran, erzählt er. Auch dort sei er schon Christ gewesen, doch man habe den christlichen Glauben im Iran nicht leben dürfen, sonst – er streicht sich mit dem Zeigefinger quer über den Hals. Sein Deutsch ist schon recht gut. Begriffe, die er noch nicht kennt, schlägt er in einem Handywörterbuch nach. Freunde hätten ihn in die Landeskirchlichen Gemeinschaft eingeladen, erklärt er weiter. Besonders der Bibeltreff in seiner Muttersprache Farsi und die Gottesdienste gefielen ihm gleich. Hier seien alle füreinander da, deshalb komme er fast immer als einer der ersten. Alle Christen sollten zusammenhalten, betont Vali.

Was zählt, sind Offenheit und Freundlichkeit

Langsam füllt sich der Raum. Viele Familien kommen offensichtlich direkt vom nahegelegenen Stadtteilfest zum Gottesdienst. Bunt geschminkte Kinder wuseln zwischen den Erwachsenen umher, die sich fröhlich begrüßen. Auf dem Gang wird Wasser bereitgestellt. "Die Flüchtlinge haben das vorgeschlagen", erzählt Ruth Schulz, ein Mitglied des Vorstands, "wer nach einem langen Tag erschöpft in den Gottesdienst kommt, kann sich so erst einmal erfrischen."

"Mit der Flüchtlingsarbeit haben wir im Herbst 2009 angefangen", fährt Ruth Schulz fort. Damals wollten iranische Kinder am Kindertreff teilnehmen. Weil die Eltern sie nicht alleine lassen wollten, öffnete die Gemeinde das Café International, in dem sich jetzt Menschen vieler Nationalitäten treffen. "Afghanische Flüchtlinge fragten uns, ob sie sich hier taufen lassen können. Zunächst hatten wir Zweifel, wir haben uns gefragt, worum es ihnen wirklich geht. Trotzdem haben wir ihnen Taufkurse angeboten und die meisten von ihnen sind auch nach ihrer Taufe noch geblieben."

Für die vielen iranischstämmigen Gemeindeglieder finde nun regelmäßig ein Bibeltreff auf Farsi statt, erzählt Ruth Schulz weiter. Die Flüchtlinge selbst übersetzen zudem die Predigten in ihre Muttersprache. Inzwischen gehören etwa 30 Flüchtlinge zu der kleinen Gemeinschaft, die zuvor nur 40 Mitglieder zählte. "Das Gemeindeleben ist bunter geworden", betont Ruth Schulz. Was wichtig sei, damit das Zusammenleben gelinge? "Offenheit und Freundlichkeit auf beiden Seiten", sagt sie nach kurzem Überlegen und fügt hinzu: "Besonders die Freundlichkeit und Höflichkeit der Flüchtlinge fallen mir immer wieder auf."

Der Gottesdienst beginnt. Zunächst gratuliert die Gemeinde Vali zum gerade erhaltenen Bleiberecht. Dann wird viel und begeistert gesungen – begleitet von den flotten Klängen eines E-Pianos und einer Gitarre. Immer wieder kommen Nachzügler herein, es werden weitere Stühle bereitgestellt.

Gemeindegesang auf Farsi.

Pastor Traugott Pohl predigt über die Bedeutung der Frohen Botschaft für die Menschen hier und überall auf der Welt. Neben ihm steht der Iraner Sahid. Er wiederholt die Predigtworte Abschnitt für Abschnitt auf Farsi. Jeder solle die Chance haben, diese berührende und befreiende Botschaft kennenzulernen, betont Traugott Pohl und fragt mit Paulus, was denn mit denen sei, die noch keine Gelegenheit dazu bekommen haben. Für sie solle "jeder Christ zu einem Boten der guten Nachricht, des Friedens und der Freude" werden, sagt er und schließt mit Blick auf seine multinationale Gemeinde: "Ich bin überzeugt, dass Gott heute die Völker so durcheinanderwirft, damit alle die Botschaft hören können." Es folgt ein Moment der Stille, dann singen alle gemeinsam ein persisches Lied. Nach der Aufforderung, zur bevorstehenden Tauffeier etwas Leckeres mitzubringen, schließt Traugott Pohl den Gottesdienst mit dem Segen.

Zahl der Gemeindeglieder fast verdoppelt

Die Menschen stehen noch lange zusammen und unterhalten sich. Omid, ebenfalls ein junger Iraner, erzählt, dass er in seiner Heimat früher selbst über seinen christlichen Glauben geschrieben habe. Das sei allerdings verboten gewesen. Auch er fährt sich mit dem Zeigefinger am Hals entlang. Ihm gefallen an der Gemeinschaft in Rheine besonders die Freundlichkeit und die Hilfsbereitschaft der Menschen. Gerne nehme er an den Bibeltreffs teil und habe hier auch schon besser Deutsch sprechen gelernt. Vor allem aber liebe er das gemeinsame Singen. Das Miteinander funktioniere sehr gut, meint Omid.

Gemeindemitglieder unterhalten sich nach dem Gottesdienst.

Ein älterer Herr, der der Gemeinschaft schon lange angehört, stimmt zu. "Erst gab es zwar schon Ängste und Verunsicherung", wendet er ein, "aber nur ein oder zwei Personen kommen nicht mehr. Wir freuen uns, dass diese Menschen Christen werden." Die Zahl der Gemeindeglieder habe sich fast verdoppelt und es gebe nun viele junge Menschen hier. "Es sind fast familiäre Verbindungen entstanden", fügt der Mann hinzu, denn die Täuflinge unter den Flüchtlingen bekämen jeweils Taufzeugen aus dem Kreis der deutschen Gemeindeglieder.

Langsam wird es dunkel. Die Menschen machen sich auf den Heimweg. Spätestens zur Tauffeier nächste Woche werden sie wieder zusammenkommen, neue Getaufte in ihre Gemeinschaft aufnehmen, singen, erzählen und essen. Hier in der Evangelischen Landeskirchlichen Gemeinschaft Rheine wird die vielbeschworene Willkommenskultur tatsächlich gelebt.