Erneute Debatte über Fremdenhass im Osten

Erneute Debatte über Fremdenhass im Osten
Mit ihrer Warnung vor wirtschaftlichen Risiken durch Rechtsextremismus hat die Ostbeauftragte Iris Gleicke (SPD) eine neuerliche Debatte über einen in Ostdeutschland besonders ausgeprägten Fremdenhass ausgelöst. Mehrere ostdeutsche Ministerpräsidenten wandten sich am Donnerstag gegen Verallgemeinerungen, teilten in der Sache aber den Befund gesellschaftlicher Risiken durch Fremdenhass und unterstrichen die Notwendigkeit gegenzusteuern.

Berlin (epd). Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sagte, Rechtsextremismus sei zwar kein ostdeutsches Problem, aber ein Problem, das einige ostdeutsche Regionen in besonderer Weise betreffe. Sein Schweriner Amtskollege Erwin Sellering (SPD) betonte dagegen, Rechtsextremismus sei auch in Westdeutschland eine Gefahr. Die Ostbeauftragte Gleicke konkretisierte am Donnerstag in Berlin ihre Warnung. Ihr es gehe nicht darum, den Osten an den Pranger zu stellen.

Neue Rekordhöhe rechtsextremer Taten

Die große Mehrheit der Ostdeutschen habe die Flüchtlinge mit offenen Armen empfangen und auch ehrenamtlich Großartiges geleistet. "Man darf aber vor der Wahrheit, vor den nackten Fakten und Zahlen nicht die Augen verschließen, so unbequem dass für manch einen auch sein mag", betonte Gleicke. Die Zahl der rechtsextremen und fremdenfeindlichen Übergriffe habe im vergangenen Jahr eine neue Rekordhöhe erreicht.

In ihrem am Vortag vom Bundeskabinett beschlossenen Jahresbericht zum Stand der Deutschen Einheit warnt Gleicke, dass die Zunahme fremdenfeindlicher und rechtsextremistischer Straftaten die wirtschaftliche Entwicklung Ostdeutschlands gefährden könnte. Es bestehe die Gefahr, dass "die Chancen der Zuwanderung gerade dort verspielt werden, wo man aufgrund der demografischen Entwicklung in ganz besonderer Weise auf Zuzug angewiesen ist". Auf Reisen, etwa in Japan oder den USA, werde sie von potenziellen Investoren immer wieder auf mögliche Gefahren für ausländische Mitarbeiter angesprochen.

Mehrere ostdeutsche Ministerpräsidenten bemühten sich um ein differenzierteres Bild. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hatte bereits am Mittwoch betont, die Zunahme von Rechtsextremismus und Fremdenhass sei ein gesamtdeutsches Problem. Auch Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Sellering warnte in der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Donnerstagausgabe) davor, Rechtsextremismus als spezifisch ostdeutsches Problem abzutun.

"Polarisation ist enorm"

Brandenburgs Regierungschef Woidke betonte dagegen am Donnerstag im RBB-Inforadio, dass sich Ostdeutschland dem Problem des Rechtsextremismus und der Fremdenfeindlichkeit in besonderer Weise stellen müsse. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) warnte in der "Frankfurter Allgemeinen" (Freitagausgabe) davor, angesichts der rechtsextremen Gewalt in die Knie zu gehen. Dann "bekommen wir erst richtig Probleme". In Ostdeutschland gebe es einen "besonderen Resonanzboden", "weil hier fast keine Menschen fremder Herkunft leben". Was die Menschen nicht kennen, bereite ihnen die größte Angst.

Der Bielefelder Soziologe Andreas Zick unterstützte den Befund, dass starke Fremdenfeindlichkeit in Ostdeutschland den gesellschaftlichen Frieden in den östlichen Bundesländern in Gefahr bringt. "Die Polarisation zwischen denen, die eine starke Zivilgesellschaft möchten, und jenen, die über die Abschottung der Nation Zusammenhalt suchen, ist enorm", sagte er der in Hannover erscheinenden "Neuen Presse" (Donnerstagausgabe). Dialoge fänden kaum noch statt.