"Der schönste Friedhof, den ich je gesehen habe"

Das Gelände des protestantischen Friedhofs in Rom.
Foto: epd-bild/Romano Siciliani
Der protestantische Friedhof in Rom präsentiert sich den Spaziergängern in einer ganz eigenen Atmosphäre, abgeschieden und romantisch.
"Der schönste Friedhof, den ich je gesehen habe"
300 Jahre protestantischer Friedhof in Rom
Für viele ist er einer der romantischsten Orte Roms: Der 300 Jahre alte protestantische Friedhof inmitten alter Bäume. Hier liegen die Gräber von John Keats, Gottfried Semper und Goethes Sohn August. Zum Jubiläum öffnet am Freitag eine Ausstellung.

Marmorengel beugen sich in Trauer versunken über Grabsteine. Auf alten Stelen unter gewaltigen Pinien sind russische, englische und deutsche Namen zu lesen. Der protestantische Friedhof in Rom präsentiert sich den Spaziergängern in einer ganz eigenen Atmosphäre, abgeschieden und romantisch. Römische Antike und Barock wirken auf dem terrassierten Gelände an der Stadtmauer eigentümlich fremd und weit weg.

Entstanden ist der Cimitero Acattolico, "Friedhof für Nicht-Katholiken", wie er offiziell heißt, vor 300 Jahren: 1716 gab Papst Clemens XI. die Erlaubnis, dort die im Exil lebenden Mitglieder des schottisch-englischen Königshauses der Stuarts zu beerdigen. Das Gelände an der antiken Cestius-Pyramide lag damals noch außerhalb Roms.

Unter Pinien liegende Gräber

Das Kulturzentrum "Casa di Goethe" in Rom widmet ihm zum Jubiläum die Ausstellung: "Am Fuße der Pyramide. 300 Jahre Friedhof für Ausländer in Rom". Von Freitag (23. September) an sind mehr als 40 Gemälde, Zeichnungen und Druckgrafiken zu sehen.

Der Friedhof faszinierte seit jeher Schriftsteller und Künstler. Zahlreiche Maler schufen römische Stadtansichten mit der Cestius-Pyramide für Reisende der "Grand Tour", der seit der Renaissance für höhere Stände üblichen Reise nach Italien, Spanien und in den heutigen Nahen Osten.

Ein Großteil der malerisch unter Pinien liegenden Gräber stammt aus einer Zeit, als für die Angehörigen der Toten eine Reise zur Trauerfeier nach Rom noch ein unüberwindliches Hindernis darstellte. So gaben sie bei römischen Malern Bildnisse der Gräber ihrer Verstorbenen in Auftrag. "Die meisten Künstler aber wählten diesen schönen Ort vermutlich aus ästhetischen Gründen", erklärt Nicholas Stanley-Price, Kurator der Ausstellung in der "Casa di Goethe".

Nie zurück in die Heimat

Auf dem protestantischen Friedhof sind viele Berühmtheiten beigesetzt. "Von den Ausländern, die mit der Absicht nach Rom kamen, ein bis zwei Jahre zu bleiben, fielen nicht wenige Krankheit oder Unfall zum Opfer", sagt Stanley-Price. Andere, die sich vom internationalen Künstlerambiente der Ewigen Stadt angezogen fühlten, seien dann nie wieder in ihre Heimatländer zurückgekehrt und mitunter im hohen Alter in ihrer Wahlheimat gestorben.

Auch Johann Wolfgang von Goethes Sohn August wurde auf dem protestantischen Friedhof beerdigt. Er starb 1830 in Rom im Alter von nur 40 Jahren. Die von seinem Vater entworfene Inschrift "Goethe filius patri antevertens otiit " verzichtet allerdings auf die Nennung des Namens des Toten: Vor seinem Vater sei der Sohn im Alter von 40 Jahren verstorben.

Erst 25 Jahre alt war der englische Dichter John Keats, als er 1821 in Rom starb. "Here lies One Whose Name was writ in Water", hatte er sich als Inschrift für sein Grab auf dem protestantischen Friedhof gedichtet. Ein Jahr später wurde hier auch sein Dichterfreund Percy Bysshe Shelley (1792-1822) begraben. Für Shelley war der "Cimitero acattolico", der Friedhof für Nicht-Katholiken, der "schönste und würdevollste Friedhof, den ich je erblickte". Auch der Architekt der Dresdner Semper-Oper, Gottfried Semper, wurde in Rom begraben.

Zahlreiche Gedichte über den Friedhof spiegeln die Ruhe und Abgeschiedenheit eines morbiden Sehnsuchtsorts. Für den englischen Maler William Turner (1775-1851) war er eher ein idyllisches Arkadien. Er stellte den Friedhof aus der Vogelperspektive vom nahe gelegenen Hügel Monte Testaccio aus dar. In dem nach einer Zeichnung von Turner angefertigten Kupferstich halten elegante Damen und Herren ein Picknick mit Blick auf den Friedhof und die umgebende Landschaft. Als Turner 1819 ein Aquarell von der Gegend malte, weideten auf einem Teil des Areals noch Schafe.

Der norwegische Maler Edvard Munch (1863-1944), ein Wegbereiter des Expressionismus, gestaltete den Gedenkstein für seinen Onkel Peder in leuchtenden, lebendigen Farben. "Der protestantische Friedhof ist der schönste, den ich je gesehen habe", beschrieb Munch seine Eindrücke.

Die meisten Werke in der Ausstellung entstanden im 18. und 19. Jahrhundert, darunter auch eine Zeichnung von Johann Wolfgang von Goethe. Sie zeigt die Cestius-Pyramide im Mondenschein. In einem Brief an Fritz, den 16-jährigen Sohn seiner Freundin Charlotte von Stein, deutet der Dichter an, dass er selbst in Rom begraben werden wollte.

"Du schriebst neulich von einem Grab der Miß Gore bei Rom", heißt es darin unter Anspielung auf Emilie Gore, Tochter eines englischen Reeders und Malers, die in Rom ebenfalls den protestantischen Friedhof gezeichnet hatte. "Vor einigen Abenden, da ich traurige Gedanken hatte, zeichnete ich meines bei der Pyramide des Cestius", fuhr Goethe fort. Sein Wunsch, in Rom begraben zu werden, sollte unerfüllt bleiben. Er starb 1832 in Weimar, wo er in der Fürstengruft beigesetzt wurde.