Pro/Contra: Die AfD auf den Kirchentag einladen

Foto: imago/Jens Jeske
Pro/Contra: Die AfD auf den Kirchentag einladen
Der Katholikentag in Leipzig hat es in diesem Jahr nicht getan: Er hat keinerlei Vertreterinnen und Vertreter der AfD auf seinen Podien präsentiert. Wie soll sich der Deutsche Evangelische Kirchentag entscheiden? Soll er die AfD zu Veranstaltungen einladen? Es gibt gute Gründe dafür und dagegen. Claudius Grigat und Frank Muchlinsky aus der evangelisch.de-Redaktion stellen ihre Argumente vor.

Pro: Die AfD einladen – und demaskieren!

Das Motto des Deutschen Evangelischen Kirchentags 2017, dem Jahr des Reformationsjubiläums, lautet: "Du siehst mich". Auch wenn die AfD-Vorsitzende Frauke Petry das Engagement der Kirchen in der Flüchtlingshilfe als "modernen Ablasshandel" kritisiert und sich damit vermeintlich in die Nachfolge Martin Luthers stellt, ist das noch kein Grund, sie zu diesem Kirchentag einzuladen. Es ist aber auch kein Grund, sie auszuladen!

Denn das Kirchentagsmotto führt unter anderem zu einem Kern christlichen Handelns: Der Nächstenliebe. Zuerst gilt diese natürlich den Schwachen, besonders Menschen, die aus Not ihre Heimat verlassen mussten. Aber ich glaube, dass der DEKT gut beraten ist, auch die AfD "zu sehen". Denn es gibt durchaus Menschen, die sich selbst als Christen bezeichnen und diese Partei wählen. Und es gibt Menschen, die sich als Christen sehen, in dieser Partei.

Die Ressentiments in der AfD gegenüber Geflüchteten, Muslimen, Homosexuellen lassen sich zwar nicht mit christlicher Nächstenliebe vereinbaren. Allerdings muss mit Menschen, die solche Ressentiments hegen, gestritten werden, und zwar auch und gerade öffentlich. Wenn der DEKT Funktionäre oder Politikerinnen der AfD einlädt, bedeutet das ja nicht, dass er sich deren Vorstellungen zu eigen macht.

Ich bin nicht so naiv zu glauben, dass irgendeine Vertreterin dieser Partei auf einem Kirchentagspodium überzeugt werden kann, sich auch nur von einer ihrer Positionen wegzubewegen. Auch Ängste und Befürchtungen, ganz besonders die irrationalen, lassen sich nicht wegdiskutieren.

Ich bin aber fest davon aber überzeugt, dass die Argumente der AfD-Kritiker gerade auf dem Kirchentag etliche Zuhörende bewegen werden. Sie werden Christinnen und Christen, die unsicher sind, aufzeigen, welches unchristliche Menschenbild vielen AfD-Positionen zugrunde liegt. Und sie werden Christinnen und Christen, die die AfD genau deswegen kritisieren, in ihrer Haltung stärken - damit sie nicht nachlassen, sich für ein gutes Zusammenleben mit Allen zu engagieren.

Claudius Grigat


Contra: Kein Podium für Menschenfeindlichkeit!

Zum Kirchentag darf jeder kommen. Er ist ein Treffen von zigtausend Menschen aus den unterschiedlichsten Bereichen unserer Gesellschaft. Mit Sicherheit wird es auch Menschen geben, die den Deutschen Evangelischen Kirchentag besuchen und mit Zielen und Aussagen der AfD sympathisieren. Niemand käme auf die Idee, sie auszuladen. Die Frage, der sich der DEKT stellen muss, ist darum nicht, ob man Menschen ein- oder auslädt. Es geht vielmehr darum, ob man bestimmten Meinungen ein Podium bietet. Die Podien des Kirchentags sind dafür gedacht, zu diskutieren. Das geschieht häufig sehr kontrovers. Trotzdem kann es nicht darum gehen, dort Stimmen laut werden zu lassen, die mit einem christlichen Menschenbild nicht vereinbar sind.

Der Kirchentag bezieht schon immer eindeutig Stellung zu politischen Themen. Das geschieht unter anderem durch Resolutionen, die in den verschiedenen Veranstaltung entwickelt und abgestimmt werden können. 2015 wurde in Stuttgart eine Resolution verabschiedet, in der es heißt: "Wir lassen nicht zu, dass Hass gegen diejenigen geschürt wird, die sich auf der verzweifelten Suche nach Hilfe an uns wenden." (Resolution "Sichere Fluchtwege nach Europa" vom 4. Juni 2016) Eine Veranstaltung, bei der explizit jemand eingeladen würde, dessen bisherige Äußerungen menschenfeindlich waren, handelt dieser Resolution zuwider. Der Kirchentag ließe dann zu, dass weiter Hass geschürt würde, indem er diesen Stimmen eine breite Öffentlichkeit bietet.

Der DEKT sollte bereits im Vorfeld den Mut haben, sich eindeutig zu positionieren. Das wird die Auseinandersetzung mit denjenigen, die Sympathien für die AfD haben, nicht leichter machen. Es wird aber den Dialog mit ihnen auch nicht unmöglich machen. Als Besucher sind alle eingeladen - auch diejenigen, die sich von der AfD haben verführen lassen. Den Verführern sollten wir allerdings nicht auch noch ein Podium geben.

Frank Muchlinsky