Forscher: Uneheliche Kinder sind Zeichen für Gleichstellung der Frau

Forscher: Uneheliche Kinder sind Zeichen für Gleichstellung der Frau
35 Prozent der 2014 in Deutschland geborenen Kinder kamen unehelich zur Welt. Der Forscher Sebastian Klüsener leitet daraus ab: Je mehr Kinder unehelich geboren werden, desto besser ist es in vielen Ländern um die Gleichstellung der Frauen bestellt.
30.08.2016
epd
epd-Gespräch: Nora Frerichmann

Rostock (epd). Gerade in Schweden und Norwegen sei die ökonomische Position der Frau in der Gesellschaft besonders hoch, sagte Sebastian Klüsener, Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Demografische Forschung, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Mit bis zu 70 Prozent in einigen Regionen gebe es in Skandinavien besonders viele uneheliche Kinder.

Frauen könnten dort oft viel zum Einkommen einer Familie beitragen. "Wenn die Frau finanziell unabhängig ist, ist sie auf die Ehe als Institution weniger angewiesen. Selbst wenn es zur Trennung kommt, könnte sie das Kind weiter durch ihr Einkommen oder staatliche Unterstützung versorgen", sagte der Forscher. Seien Männer in einer Gesellschaft die Haupternährer, funktioniere die Ehe für Frauen eher als eine Art Absicherung.

Für Deutschland lag der Wert mit 250.000 außerehelich geborenen Kindern im Jahr 2014 bei 35 Prozent. Im Westen beträgt die Quote 29 Prozent, im Osten 59 Prozent. In Westdeutschland hinke die Gleichstellung etwas hinterher, sagte Klüsener: "Insofern könnte ich mir vorstellen, dass es noch zu weiteren Anstiegen kommen könnte."

Unterschiede liegen nicht an deutscher Teilung

Die Unterschiede innerhalb Deutschlands sind dem Wissenschaftler zufolge allerdings nicht durch die deutsche Teilung entstanden. Die Abweichungen seien durch Trennung von DDR und BRD zwar verstärkt worden, ihr Ursprung liege allerdings weiter in der Vergangenheit. So spiele beispielsweise die Säkularisierung zur Zeit des preußischen Königreichs in den östlichen Regionen Deutschlands eine große Rolle. Die Kirchen in den preußischen und sächsischen Staaten seien generell unterfinanziert gewesen. "Wegen der vielen Kriege mussten die Ressourcen in andere Bereiche fließen als in die Staatskirchen", erklärte Klüsener.

Als weiteren Faktor für eine hohe außereheliche Geburtenrate nennt Klüsener prekäre Lebensumstände. "Menschen aus unteren Bildungs- und Einkommensschichten bekommen häufiger Kinder außerhalb der Ehe als höher gebildete Eltern", sagt Klüsener. Hier sei die Erklärung meist Unsicherheit und Not.

Die Trends sähen auf den ersten Blick zwar extrem aus: Seit 1960 ist der Anteil außerehelicher Geburten in Teilen Ostdeutschlands um mehr als 50 Prozent gestiegen. In Brandenburg wurden im Jahr 2014 beispielsweise 70 Prozent der Kinder in Familien ohne Trauschein geboren. Trotzdem sei eine hohe Zahl außerehelicher Kinder nicht unbedingt ein Indikator für "den Abschied von dem Modell Ehe". Häufig entschieden sich Eltern, die in jungen Jahren Kinder bekämen, erst später für eine Hochzeit.