Ramelow: "Für mich gibt es die Opfergruppe der Christen in der DDR"

Ramelow: "Für mich gibt es die Opfergruppe der Christen in der DDR"
Thüringens Regierungschef Ramelow wirbt dafür, über Einzelschicksale hinaus das Systemische bei der Unterdrückung des Glaubens in der DDR aufzuarbeiten.

Erfurt (epd). Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow sieht Aufklärungsbedarf bei dem Verhältnis von Kirche und Staat in der DDR und den Folgen bis in die heutige Gesellschaft hinein. "Für mich gibt es die Opfergruppe der Christen in der DDR. Es gibt sie in bestimmten Phasen und auch in unterschiedlicher Stärke. Und ja, es gab später dann auch die umgekehrte Strategie des Umarmens und des Toddrückens. Auch das hat Folgen gehabt", sagte der Linken-Politiker und evangelische Christ dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Ramelow widersprach damit Thüringens Kultur-Staatssekretär Babette Winter (SPD), die in der rot-rot-grünen Landesregierung die Aufarbeitung des SED-Unrechts koordiniert. Dass in ihrem ersten Zustandsbericht die Unterdrückung der Kirchen faktisch keinen Eingang fand, begründete sie damit, dass Christen in der DDR keine besondere Opfergruppe dargestellt hätten.

Verständnis für Irritationen

Für die dadurch ausgelösten großen Irritationen bei evangelischer und katholischer Kirche zeigte Ramelow zwar Verständnis, kritisierte aber auch das Schweigen der Kirchenleitungen. "Unser Draht ist so gut, dass wir jederzeit alle wichtigen Fragen und etwaige Missverständnisse hätten ausräumen können", betonte er.

Er stehe gemeinsamen Projekten mit der Kirche aufgeschlossen gegenüber, die über Einzelschicksale hinaus das Systemische bei der Unterdrückung des Glaubens herausarbeiten. Allerdings stehe dann auch die Frage im Raum "inwieweit die Kirchen selbst in das System involviert waren. Das gehört zur Aufarbeitung dazu", sagte der Linken-Politiker.

Wunsch nach Aufarbeitung durch die Kirchen

Die von den Kirchen selbst initiierte Aufarbeitung ihrer Geschichte weist nach seinen Worten Lücken auf. "Ich erinnere daran, was passierte, als die mitteldeutsche Bischöfin Ilse Junkermann den evangelischen Christen nahe legte, mit den Inoffiziellen Mitarbeitern der Stasi zu reden. Als sie meinte, wir müssen auch vergeben können. Die Aufregung war riesig. Es hat mehrere solche Ansätze gegeben, die allerdings oft auch schnell wieder beendet wurden", kritisierte Ramelow.

Er würde sich über ein Gesprächsangebot der Kirchen freuen. "Offenkundig gab die Antwort, die die Staatssekretärin gegeben hat, Anlass zu Irritationen. Das habe ich verstanden und ich nehme es sehr ernst. Ich sehe das eher als Aufruf zum Dialog denn zu seiner Beendigung", betonte Ramelow.