Studie: Armutsrisiko in Deutschland steigt

Studie: Armutsrisiko in Deutschland steigt
Trotz guter Wirtschaftslage wachsen in Deutschland die sozialen Unterschiede. Eine aktuelle Studie warnt vor einem steigenden Armutsrisiko. Kritisiert wird mangelnde Organisation bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise.

Gütersloh (epd). Bei der Vermeidung von Armut steht Deutschland trotz guter Wirtschaftslage in einem internationalen Vergleich lediglich auf Platz 21. Das Armutsrisiko habe sich wieder etwas erhöht, erklärte die Bertelsmann Stiftung am Donnerstag bei der Präsentation einer Studie über die Zukunftsfähigkeit der 41 Industrienationen in der OECD und der Europäischen Union (EU). Besonders Alleinerziehende seien überproportional von Armut betroffen.

Im Jahr 2014 galten laut Studie 10,5 Prozent der Bundesbürger als einkommensarm. Ein Jahr zuvor seien es noch 9,4 Prozent gewesen. Als einkommensarm gilt, wer weniger als 50 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung hat.

Verstärkte Polarisierung

Deutliche Rückschritte sieht die Studie auch bei der Rentenpolitik. Hier habe sich Deutschland im Vergleich zu 2014 um zehn Plätze auf Rang 30 verschlechtert. Die Rentenreformen der Großen Koalition hätten die Generationengerechtigkeit und Zukunftsfestigkeit des Rentensystems verringert. Die Rente mit 63 weicht den Autoren zufolge die Strukturreformen der letzten Jahre auf. Bei niedrigen Geburtenraten und gleichzeitig steigender Lebenserwartung müsse länger in die Rentenkassen eingezahlt werden, damit das Rentenniveau nicht zu stark absinke.

Eine besondere sozialpolitische Herausforderung sieht die Studie zudem in der Integration von Flüchtlingen. Die Autoren warnen vor einer verstärkten Polarisierung in Politik und Gesellschaft. Einzelne gesellschaftliche Gruppen instrumentalisierten das Thema immer stärker für Verteilungskämpfe. Bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise bemängelt die Studie Schwächen bei Planung und Organisation. Erst nach mehreren Monaten des Kompetenz-Durcheinanders sei im Kanzleramt eine zentrale Koordinierungsstelle eingerichtet worden.

Gute Noten erhielt Deutschland für einen starken Arbeitsmarkt. 74 Prozent der Erwerbsbevölkerung habe einen Job und liege damit deutlich über dem Durchschnitt von rund 67 Prozent. Dies sei der höchste Wert in der Nachkriegszeit. Auch die Arbeitslosigkeit von Jugendlichen liege mit 7,2 Prozent weit unter dem Studiendurchschnitt von fast 19 Prozent. Auf den letzten Plätzen in dieser Kategorie liegen Spanien (48,3 Prozent) und Griechenland (49,8 Prozent).

Bestes Ergebnis: Schweden

Auch im Bereich Umweltpolitik sei Deutschland mit einem fünften Platz eine treibende Kraft, hieß es. Die Deutschen beteiligten sich im Vergleich zu anderen Industriestaaten an besonders vielen internationalen und regionalen Umwelt- und Klimaschutzabkommen. Bei der Gestaltung der Energiewende sei hingegen zweifelhaft, ob die Klimaziele zur Reduktion der CO2-Emissionen tatsächlich umsetzbar seien.

In der Gesamtbewertung belegt Deutschland den sechsten Platz. Die besten Ergebnisse erzielen den Angaben zufolge die skandinavischen Länder, angeführt von Schweden. Bei den südlichen Staaten der Euro-Zone seien die Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise und jahrelanger Sparpolitik "noch immer immens".

In der internationalen Vergleichstudie ("Sustainable Governance Indicators") der Bertelsmann Stiftung wird die Zukunftsfähigkeit von 41 Ländern anhand von 140 Kriterien bewertet.