Reformation in der Welt: Windhuk, Namibia

Hosianna-Gemeinde in Windhuk, Namibia
Foto: Juliane Ziegler
Hosianna-Gemeinde in Windhuk, Namibia
Reformation in der Welt: Windhuk, Namibia
Das Reformationsjubiläum 2017 wird nicht nur in Europa gefeiert. Lutherische und reformierte Christen gibt es auf der ganzen Welt. Wir schauen in unserer Serie, was evangelische Geschwister in anderen Ländern beschäftigt, wie sie ihren Glauben leben und wie sie 2017 feiern. In der Hosianna-Gemeinde in Windhuk gibt es derzeit nur ein Thema: Die Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes im Mai 2017, hier in Namibia - einem Land, das unter extremer Trockenheit leidet.

Die Straßen von Katutura sind staubig und buckelig, viele nicht einmal geteert. Hier reihen sich Wellblechhütten an provisorisch und meist etwas schief gemauerte einstöckige Häuschen, dazwischen kleine Bars, Obst- und Gemüsestände an den Kreuzungen. Davor stehen die Menschen zusammen, Musik ist an jeder Ecke zu hören, das quirlige Leben findet in Katutura, dem größten Township von Namibias Hauptstadt Windhuk, draußen statt. Der Name "Katutura" bedeutet "der Ort, an dem wir nicht leben möchten", er stammt aus der Zeit als Namibia - damals noch Südwestafrika - unter südafrikanischer Verwaltung stand, die im Land ein Apartheidssystem etablierte.

Zwischen den engen Gassen Katuturas ragt die Kirche der evangelisch-lutherischen Hosianna-Gemeinde wie ein riesiges Schiff auf. Das Gebäude ist noch relativ neu, von 2002. Es ist Sonntagmorgen, Taxis halten vor dem großen schmiedeeisernen Eingangstor. Dort wartet auch Linnea Shaetonhodi. Sie ist Mitte sechzig, arbeitet als Optikerin und ist Mitglied im Kirchenvorstand. Heute trägt sie ein schickes dunkelblaues Kostüm.

Linnea Shaetonhodi ist Mitglied im Kirchenvorstand der Hosianna-Gemeinde in Windhuk, Namibia.

Schon eine Viertelstunde vor Beginn des Gottesdienstes sind die Kirchenbänke dicht gefüllt, etwa tausend Menschen sind da. Die Frauen auf hochhackigen Schuhen, in bunten Kleidern oder Kostümen, die Haare aufwändig hochgesteckt oder mit viel Haarspray in Form gehalten, das Make-up sorgfältig. Die Männer tragen Anzug, manche Krawatte, einige Hut.

Drei lutherische Kirchen nebeneinander

Etwa 80 Prozent der Namibier sind Christen, 62 Prozent Lutheraner. Namibia ist damit das am meisten lutherisch geprägte Land Afrikas. Den Christen gemein ist eine tiefe Frömmigkeit. Doch die vielen unterschiedlichen Muttersprachen trennen sie.

Die Situation der Kirchen in Namibia ist komplex. Wegen der unterschiedlichen Missionsgeschichte sind die Lutheraner in drei Kirchen organisiert: Die Deutsche Evangelisch-Lutherische Kirche (ELCIN-GELC), die Evangelisch-Lutherische Kirche in der Republik von Namibia (ELCRN) sowie die Evangelisch-Lutherische Kirche in Namibia (ELCIN), die auf die finnische Mission zurückgeht - dieser gehört die Hosianna-Gemeinde in Katutura an. Dort wird hauptsächlich Oshivambo gesprochen, mit 1,1 Millionen Sprechern die am weitesten verbreitete Sprache in Namibia.

Die Hosianna-Gemeinde singt ein Lied in der Sprache Oshivambo.

Auch den Gottesdienst an diesem Sonntag hält Pfarrer Joel Fikeipo auf Oshivambo. Zu Beginn tauft er dreizehn Kinder, dann hält er die Predigt, mit iPad in der Hand. Häufig fällt das Wort "Kalunga". "Das bedeutet "Gott", wispert Linnea. Der Gottesdienst dauert fast drei Stunden. Immer wieder entstehen kurze Momente der Unruhe und die Gottesdienstbesucher nutzen die Pausen für einen kleinen Plausch. Linnea erzählt: Derzeit beschäftigt die Gemeinde - wie alle evangelischen Gemeinden in Namibia und insbesondere in der Hauptstadt - vor allem ein Thema: Die 12. Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes (LWB) im nächsten Jahr. Alle 145 Mitgliedskirchen kommen im Mai 2017 nach Windhuk. Erst zum zweiten Mal findet die Versammlung des LWB in Afrika statt, allein deshalb ist es etwas ganz Besonderes für viele Namibier.

Die Vollversammlung als "namibian experience"

Einige Tage zuvor: Die Vorbereitungen für die Versammlung laufen offiziell an. In Windhuks Innenstadt, nahe der bekannten Christuskirche, findet die Auftaktveranstaltung im Parlamentsgarten mit rund 500 Gästen statt. Einige Mitglieder der Hosianna-Gemeinde sind dabei, natürlich auch Linnea Shaetonhodi - schließlich gehört sie zum Vorbereitungskomitee für die Vollversammlung, da lässt sie es sich nicht nehmen, in einer der vorderen Reihen den prominenten Rednern zu lauschen.

Das Reformationsjubiläum ist in Windhuk schon sehr präsent.

So würdigt etwa der namibische Minister für Armutsbekämpfung, Zephania Kameeta, die gewachsene Zusammenarbeit der Lutheraner mit der römisch-katholischen Kirche: "Wir werden das Reformationsgedenken in versöhnter Gemeinschaft mit unseren katholischen Brüdern und Schwestern begehen", sagt Kameeta. Windhuk - nicht Wittenberg - werde der Ort für die globale Erinnerung an die Reformation sein. Und der LWB-Präsident, der palästinensische Bischof Munib Younan, erinnert an die Befreiung Namibias: "Keine Unterdrückung, keine Apartheid kann den Weg eines Volkes zu Freiheit und Menschenrechten aufhalten", sagt Younan. Die Vollversammlung biete eine Chance, die Befreiung des namibischen Volks zu feiern. Alle sind sich einig: Das Treffen der lutherischen Kirchen und die 500-Jahres-Feier soll ein "namibian experience", ein namibisches Erlebnis werden, mit traditioneller Musik und Tanz.

Für Linnea Shaetonhodi und die anderen Mitglieder des 15-köpfigen Vorbereitungsteams, das sich aus den drei lutherischen Kirchen zusammensetzt, gibt es bis Mai 2017 noch viel zu tun. Linnea arbeitet in der Gruppe mit, die für die Finanzierung zuständig ist. Noch immer ist das benötige Geld nicht eingesammelt. Der Wechselkurs des namibischen Dollars hat sich verändert, und zwar so, dass sie viel mehr Geld aufbringen müssen, als zu Beginn veranschlagt. Die wirtschaftliche Situation Namibias erschwert es, Spenden zu erhalten.

Natürlich gibt es neben dem LWB-Treffen auch weitere Gesprächsthemen in der Hosianna-Gemeinde. Zum Beispiel die Dürre. Zum zweiten Mal gibt es innerhalb kurzer Zeit eine schlimme Trockenperiode. "Die Menschen haben Angst, dass sie noch länger anhält", sagt Linnea Shaetonhodi. Namibia ist stark landwirtschaftlich geprägt, da bedroht eine derart lange Dürre schnell die Existenzgrundlage der Farmer. Im Gegensatz zu ihnen bekommen die Menschen in der Stadt die Trockenheit in erster Linie durch hohe Preise für Obst und Gemüse zu spüren. Oder durch Restriktionen: So wurde jeder Haushalt Windhuks aufgefordert, mindestens 60 Prozent des normalen Wasserverbrauchs einzusparen. In den Gärten dürfen nur mehrjährige Pflanzen gegossen werden - und das auch nur alle 14 Tage. Bei der Hitze des namibischen Sommers bedeutet das, dass die Pflanzen eingehen werden.

Der Gottesdienst in der Hosianna-Gemeinde geht dem Ende zu. Einige Kinder fangen schon an zu quengeln, aber auch die Erwachsenen werden allmählich unruhig. "Heute dauerte der Gottesdienst wirklich lang", bestätigt Linnea beim Rausgehen. "Wegen der vielen Taufen. Sonst sind wir eigentlich in zwei Stunden durch." Draußen stehen alle in der Mittagssonne beisammen. Wasser und Limonade gibt es zu kaufen, und Hühnchen - für’s Sonntagsessen.