Debatte über Todesstrafe in der Türkei belastet Beziehungen mit Europa

Eine große Türkische Flagge weht im Abendlicht über dem Taksim-Platz in Istanbul, Türkei.
Foto: dpa/Marius Becker
Eine große Türkische Flagge weht im Abendlicht über dem Taksim-Platz in Istanbul, Türkei.
Debatte über Todesstrafe in der Türkei belastet Beziehungen mit Europa
Nach dem gescheiterten Putsch wird in der Türkei über die Wiedereinführung der Todesstrafe diskutiert. Das würde das Land in Konflikt mit der EU bringen. Regierungssprecher Seibert sagt, die Wiedereinführung würde die EU-Beitrittsgespräche beenden.

Eine Wiedereinführung der Todesstrafe in der Türkei nach dem gescheiterten Militärputsch würde das Land in einen neuen Konflikt mit der Europäischen Union und auch mit dem Europarat stürzen. Das haben führende Vertreter der beiden großen paneuropäischen Staatengemeinschaften am Montag klargemacht. Auch die Bundesregierung äußerte sich sehr kritisch.

"Die Europäische Union hält ihre entschlossene prinzipielle Position gegen die Todesstrafe aufrecht", sagte der Chefsprecher der EU-Kommission, Margaritis Schinas, in Brüssel. "Die Abschaffung der Todesstrafe ist ein Hauptzweck der europäischen Politik im Bereich der Menschenrechte", urteilte Schinas. "Kein Land kann ein EU-Mitgliedstaat werden, wenn es diese Strafe einführt", unterstrich die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini.

Regierungssprecher Steffen Seibert äußerte sich ähnlich. "Wir lehnen die Todesstrafe kategorisch ab", sagte er in Berlin. Ein Land, das die Todesstrafe habe, könne auch kein EU-Mitglied sein. "Die Einführung der Todesstrafe in der Türkei würde folglich das Ende der Beitrittsverhandlungen bedeuten." Die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei waren bereits zuvor unter anderem durch Kritik aus der EU an fehlender Rechtsstaatlichkeit in der Türkei belastet gewesen.

Mitglied des Europarates ist die Türkei bereits. Allerdings wäre auch dieser Status durch die Todesstrafe gefährdet. Generalsekretär Thorbjørn Jagland sagte: "Kein Mitgliedsstaat des Europarates darf die Todesstrafe anwenden." Dies sei eine Verpflichtung unter dem Statut der Organisation, urteilte Jagdland gegenüber dem "Tagesspiegel" vom Montag und verwies auf die Zusatzprotokolle zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Die EMRK von 1950 ist die Konvention der Europaratsmitglieder zum Schutz der Menschenrechte, zwei Zusatzprotokolle aus den Jahren 1983 und 2002 verbieten die Todesstrafe. Der 1949 gegründete und in Straßburg ansässige Europarat ist mit 47 Mitgliedern die andere große paneuropäische Staatengemeinschaft neben der Europäischen Union.

"Reine Rhetorik"

Die Türkei hat seit 1984 keine Todesurteile mehr vollstreckt. 2004 wurde die Todesstrafe aus dem Gesetz gestrichen. Nach dem gescheiterten Putsch hatten am Wochenende mehrere Parlamentsabgeordnete die Wiedereinführung der Todesstrafe gefordert. Präsident Recep Tayyip Erdogan sprach sich dafür aus, darüber Gespräche zu führen.

Der Göttinger Juraprofessor Ambos sagte im Deutschlandradio Kultur, bei solchen Debatten jenseits des Völkerrechts handele es sich meistens um "reine Rhetorik". "Deshalb glaube ich auch, dass daraus nichts werden wird." Ambos betonte die Verbindlichkeit der EMRK-Zusatzprotokolle: "Von diesen Zusatzprotokollen kann man eigentlich gar nicht zurücktreten. Da müsste man schon von der Europäischen Menschenrechtskonvention als Ganzes zurücktreten."

Laut Oliver Hendrich, Experte zur Todesstrafe von Amnesty International in Deutschland, ist die Anwendung der Todesstrafe mit der Mitgliedschaft im Europarat unvereinbar. Eine Ausnahme vom Verbot der Todesstrafe in der Organisation genieße lediglich Russland, das die Todesstrafe nicht abgeschafft habe, sie aber nicht anwende.