"Man darf sich nicht an solche Nachrichten gewöhnen"

Der abgesperrte Flughafen in Istanbul nach dem Terrorschanlag.
Foto: dpa/Deniz Toprak
Drei Selbstmordattentäter haben am Flughafen in Istanbul mindestens 44 Menschen mit in den Tod gerissen. Verwandte trauern um Siddik Turgan, einen getöteten Flughafenangestellten.
"Man darf sich nicht an solche Nachrichten gewöhnen"
Betrieb am Flughafen wieder aufgenommen
Weltweit haben Politiker und Religionsvetreter erschüttert auf den verheerenden Terroranschlag von Istanbul reagiert. Mindestens 44 Menschen sollen getötet worden sein, 239 verletzt. Laut dem Auswärtigen Amt wurde der Betrieb am Flughafen Atatürk am frühen Mittwochmorgen wieder aufgenommen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich beim EU-Gipfel am Mittwoch in Brüssel betroffen: "Ich bin persönlich erschüttert über diese neuen und hinterhältigen Akte des Terrorismus." Ihre tiefe Anteilnahme gehöre den Angehörigen der Toten und den Verletzten. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte, er sei schockiert: "Wir trauern um die Opfer und mit den Angehörigen. Wir stehen an der Seite der Türkei". Innenminister Tomas de Maizière (CDU) sagte, er trauere mit den Angehörigen der Opfer und wünsche den Verletzten schnelle Genesung. "Wir werden unseren Kampf gegen den Terrorismus gemeinsam mit unseren Verbündeten mit voller Härte fortsetzen", betonte de Maizière.

In einem Kondolenzschreiben hat Bundestagspräsident Norbert Lammert dem Präsidenten der türkischen Nationalversammlung, İsmail Kahraman, die Anteilnahme des Deutschen Bundestages übermittelt. Im Namen aller Bundestagsabgeordneten schrieb Lammert: "Der Flughafen Atatürk ist nicht allein das Tor zur Türkei, sondern auch zu Europa. Es ist unsere gemeinsame Aufgabe, den Versuchen von Fanatikern, es gewaltsam zu schließen, mit allen rechts­staatlichen Mitteln entgegen­zutreten - dazu versichere ich Ihnen unsere volle Unter­stützung."

Am Mittwochabend soll das Brandenburger Tor in den Farben der türkischen Flagge beleuchtet werden, als "Zeichen der Solidarität und Verbundenheit mit der Partnerstadt Istanbul", teilte der Berliner Senat mit. Die Hauptstadt soll zudem am Donnerstag auf Halbmast beflaggt werden.

Bei einem Anschlag auf dem Atatürk-Flughafen in der türkischen Metropole Istanbul hatten drei Selbstmordattentäter am Dienstagabend mindestens 44 Menschen mit in den Tod gerissen. Nach jüngsten Angaben der türkischen Behörden wurden außerdem mindestens 239 Menschen verletzt. Ministerpräsident Binali Yildirim sagte, erste Hinweise deuteten auf die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) als Urheber hin.

"Wir stehen vereint mit den Menschen der Türkei"

Unter den Todesopfern des Terrorangriffs sind nach Aussagen aus türkischen Regierungskreisen 23 Türken und 13 Ausländer. Fünf Saudis, zwei Iraker, jeweils ein Bürger aus China, Jordanien, Tunesien, Usbekistan, Iran und der Ukraine waren ebenso unter den ausländischen Todesopfern. Fünf weitere Iraner seien verletzt worden, einer von ihnen schwebe in Lebensgefahr, sagte Vizeaußenminister Hassan Ghaschghawi der Nachrichtenagentur Isna am Mittwoch. Die zivile Luftfahrbehörde strich bis auf weiteres alle Flüge von Teheran nach Istanbul. Unter den Verletzten befindet sich nach bisherigen Informationen des Auswärtigen Amtes eine Deutsche, die das Krankenhaus bis zum Abend wieder verlassen könne.

Papst Franziskus hat den Anschlag von Istanbul verurteilt und am Mittwochmorgen mit den Gläubigen auf dem Petersplatz für die Opfer gebetet. Das Oberhaupt der katholischen Kirche sprach am Mittwoch nach dem Angelus-Gebet von einer "abscheulichen Terrorattacke" und rief den Gläubigen zu: "Lasst uns für die Opfer, die Angehörigen und für das liebe türkische Volk beten."

Der EKD-Ratsvorsitzende, Heinrich Bedford-Strohm äußerte sich auf Facebook: "Wieder ein fürchterlicher Anschlag in Istanbul. Man kann und darf sich nicht an solche Nachrichten gewöhnen. Soviel Leid für jeden einzelnen davon Betroffenen. Ich denke im Gebet an sie alle."

Der Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK), der Norweger Olav Fykse Tveit, nannte den Anschlag ein "abstoßendes Verbrechen". "Wir beten für die Opfer und ihre Familien", fügte Tveit hinzu. Er hoffe, dass die Anstrengungen für eine Befriedung der Region jetzt "verdoppelt" werden. Die Konflikte, die solche abscheulichen Taten möglich machten, müssten beendet werden. Tveit: "Dieser Anschlag war besonders widerwärtig, weil er eine größtmögliche Zahl von Opfern während einer besonders betriebsamen Zeit auf einem der größten Flughafen-Drehkreuze der Welt zum Ziel hatte." Der Weltkirchenrat repräsentiert mehr als 500 Millionen Christen.

Auch UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon verurteilte die Anschläge und rief dazu auf, die Verursacher zu identifizieren und zur Rechenschaften zu ziehen. Die amerikanische Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, Hillary Clinton twitterte: "Alle Amerikaner stehen vereint mit den Menschen der Türkei gegen diese Kampagne von Hass und Gewalt."  Der belgische Premierminister Charles Michel twitterte am Dienstagabend von einem Treffen der EU-Regierungschefs in Brüssel: "Unsere Gedanken sind bei den Opfern der Attacken an Istanbuls Flughafen. Wir verurteilen diese grausamen Akte der Gewalt."

Nach Angaben des Auswärtigen Amtes wurde der Betrieb am Flughafen zwar am frühen Mittwochmorgen wieder aufgenommen. Jedoch hat der Angriff für massives Chaos im Flugverkehr gesorgt. Turkish Airlines etwa strich am Mittwoch mehr als 340 Flüge. Die Fluggesellschaft bot allen Reisenden mit Buchungen vom oder zum Atatürk-Airport an, Flüge kostenlos umbuchen oder stornieren zu können. In der Nacht waren etliche Reisende vor dem Airport gestrandet.

Das Auswärtige Amt empfiehlt Reisenden in Istanbul nun, Kontakt zu ihrem Reiseveranstalter und ihrer Fluglinie aufzunehmen sowie die aktuelle Medienberichterstattung zu verfolgen. Der Atatürk-Flughafen hat in etwa ein Passagieraufkommen wie der Airport Frankfurt/Main. Er liegt auf der europäischen Seite Istanbuls. Auf der asiatischen Seite liegt der kleinere Flughafen Sabiha Gökcen.

Reiseveranstalter: Tourismus erlebt "schwierige Zeit"

Dem Münchener Studienreisen-Veranstalter Studiosus zufolge erlebt die Türkei als Reiseziel seit längerem eine schwierige Zeit: "Viele Faktoren haben dazu geführt, dass die Türkei als Reiseland stark gelitten hat", sagt der Unternehmenssprecher Frano Ilic gegenüber evangelisch.de. Aktuell befänden sich keine Studiosus-Reisenden in der Türkei. Die nächste Reise nach Istanbul sei erst für September geplant. Diese solle auch stattfinden, sagt Ilic.

Neben der Vielzahl an Terroranschlägen seien auch die innenpolitischen Probleme in dem Land am Bospurus Gründe für die sinkende Reisenachfrage, sagt Ilic. Studiosus habe allein im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2014 einen dreistelligen Teilnehmer-Verlust verzeichnet. Während 2014 noch rund 3.400 Reisende mit Studiosus in die Türkei geflogenen waren, seien es 2015 nur noch 2.500 gewesen. Für 2016 rechne das Unternehmen zudem mit einer weiter reduzierten Nachfrage.

Ein Überblick: Bombenanschläge in Istanbul

Mal kurdische Extremisten, mal die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) - die türkische Metropole Istanbul war seit Jahresbeginn wiederholt das Ziel von Bombenattentaten, wie jetzt am Atatürk-Flughafen. Andere Beispiele:

Juni 2016: Die Explosion einer ferngezündeten Autobombe tötet im Zentrum Istanbuls sechs Polizisten und fünf Passanten, 36 Menschen werden verletzt. Die TAK, eine Splittergruppe der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, bekennt sich zu der Tat.

März 2016: Ein Attentäter sprengt sich auf der zentralen Einkaufsstraße Istiklal in die Luft und reißt vier Menschen mit in den Tod, 39 werden verletzt. Drei der Todesopfer sind Israelis, eines ist aus dem Iran. Laut türkischer Regierung hatte der Attentäter Verbindungen zur sunnitischen Terrormiliz Islamischer Staat (IS).

Januar 2016: Bei einem Anschlag im historischen Zentrum Istanbuls werden zwölf Deutsche getötet. Der Angreifer sprengt sich mitten in einer Reisegruppe in der Nähe der Hagia Sophia und der Blauen Moschee in die Luft. Der Attentäter gehörte nach Angaben der türkischen Regierung der Terrormiliz IS an.