TV-Tipp: "Krupp – Eine deutsche Familie" (Arte)

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TV-Tipp: "Krupp – Eine deutsche Familie" (Arte)
30.6., Arte, 22.10 Uhr: "Krupp – Eine deutsche Familie"
Der Mythos mag verblasst sein, doch der Stoff hat nichts von seinem Reiz verloren: Der Werdegang der Essener Stahl-Dynastie Krupp ist wie geschaffen für eine episch angelegte Saga.

Der Mythos mag verblasst sein, doch der Stoff hat nichts von seinem Reiz verloren: Der Werdegang der Essener Stahl-Dynastie Krupp ist wie geschaffen für eine episch angelegte Saga. Trotzdem haben sich Sender, Autoren und Produktionsfirmen über Jahrzehnte hinweg an dieser Mammutaufgabe die Zähne ausgebissen. Nun aber ist es endlich gelungen, die Geschichte der Familie und die Historie des Landes miteinander zu verweben. Der Ansatz, den die ZDF-Redaktion Fernsehspiel, Autor Christian Schnalke, Erfolgsproduzent Oliver Berben sowie Regisseur Carlo Rola gefunden haben, ist ebenso naheliegend wie komplex: Der aufwändige und von gleich fünf Förderinstitutionen finanziell unterstützte Dreiteiler erzählt die deutsche Geschichte gewissermaßen von innen. Die Familie Krupp mag zwar im Zentrum stehen, doch sie war seit jeher so eng mit dem Wohl und Wehe des Landes verbunden, dass man die beiden Erzählstränge gar nicht voneinander isolieren kann. Die Krupps hielten in ihrem Stammsitz, der Essener Villa Hügel, regelrecht Hof für die Großen dieser Welt. Das Unternehmen war wirtschaftlich und politisch derart wichtig, dass Wilhelm II. mit der Zwangsheirat zwischen Firmenerbin Bertha Krupp und Gustav von Bohlen und Halbach direkt in die Firmengeschicke eingriff. Der letzte deutsche Kaiser war nicht nur Trauzeuge des Paares, sondern auch Taufpate des ersten Sohnes, Alfried. 

Folgt man Schnalkes Sicht, ging es bei den Krupps noch strenger zu als in großbürgerlichen oder adeligen Familien ohnehin üblich. Gerade weil Gefühle aller Art verpönt waren, ist die Binnenansicht so emotional: Die Bedingungen, unter denen der kleine Alfried aufwachsen musste, ähnelten offenbar in der Tat der Jugend eines Thronfolgers. Im Zentrum der dreiteiligen Handlung steht daher der zentrale und erst viel zu spät ausgetragene Konflikt zwischen Bertha und Alfried. Offenkundigster Beleg für diesen Dauerzwist ist Berthas grenzenlos herablassender Umgang mit Anneliese (Mavie Hörbiger), Alfried erster Frau, der sie unter anderem ausrichten lässt, sie solle die Parkanlagen meiden, wenn die Matriarchin dort lustwandle. 

Schnalke und Rola erzählen die Familien-Saga über siebzig Jahre und drei Generationen hinweg als komplexe, mehrfach verschachtelte Rückblende. Rahmenhandlung ist besagter Streit zwischen Bertha (Iris Berben) und Alfried (Benjamin Sadler) im Jahr 1957. Anschließend bricht die heimliche Herrscherin des Konzerns zusammen; auf dem Krankenbett lässt sie ihr Leben Revue passieren. 

Schon allein die wichtigsten Stationen dieser Chronik verdeutlichen den ungeheuren Reiz, den der Stoff darstellt: die zunächst erfolgreich kaschierte sexuelle Vorliebe von Berthas Vater Fritz (Fritz Karl) für die hübschen Fischerjungen auf Capri, deren Aufdeckung zu seinem mysteriösen Ableben führt; die Zwangseinweisung ihrer Mutter Margarethe (Barbara Auer) in eine Nervenklinik; Berthas vergebliche Versuche, eine Annäherung ihres Gatten Gustav (Thomas Thieme) an Adolf Hitler zu verhindern ("Der Prolet kommt mir nicht ins Haus"); und immer wieder die fast unmenschliche Strenge ihrer Erziehung, mit der sie die Schwächen von Alfried ausgleichen will. 

Gerade diese entsprechend kalte, übertrieben distinguierte Haltung der Hauptfiguren (selbstverständlich muss der junge Alfred seinen Vater siezen) und die bedrückend düstere Atmosphäre im Familiensitz machen es allerdings schwer, sich für das Epos zu erwärmen. Zwar nötigen Ausstattung, Bildgestaltung (Rolas Stammkameramann Frank Küpper), die angemessen wuchtige Musik (Christian Brandauer) sowie die Riege der namhaften Darsteller (nicht zuletzt Heino Ferch als junger Gustav) großen Respekt ab, doch ähnlich wie schon das vergleichbar angelegte Emanzipations-Epos "Afrika, mon amour" (gleichfalls vom Trio Schnalke/Berben/Rola) vermag auch dieses Werk nicht restlos zu überzeugen; allzu spürbar ist das Bemühen, Großes vollbringen zu wollen und trotzdem populär zu erzählen.