"Traufgottesdienst" nach allen Regeln der Kunst

Bräutigam, Täufling und Braut als Fingerpuppen.
Foto: Getty Images/Kohei Hara
"Traufgottesdienst" nach allen Regeln der Kunst
Ein Gottesdienst ist immer eine Feier, aber nicht immer ein Event. In diesem Fall war er beides: Für einen "Traufgottesdienst" - Taufe und Trauung - hat die pensionierte Pfarrerin Lisa Neuhaus aus Frankfurt am Main den mit 2500 Euro dotierten Preis der Stiftung zur Förderung des Gottesdienstes (Karl-Bernhard-Ritter-Stiftung) bekommen.
14.06.2016
Evangelische Kirche Frankfurt am Main

Der Titel des prämierten Gottesdienstes "Wenn die Königin von Saba die Windeln wechselt" ist ja schon recht launig, lag es an der Verbindung zu dem jungen Paar? Und wählen Sie für Ihre Vorbereitungen immer eine Überschrift?

Lisa Neuhaus: Ich gebe Gottesdiensten meistens keine Überschrift, das habe ich nur als Titel formuliert für die Dokumentation, als ich sie für den Gottesdienstpreis eingereicht habe. Händels Musik "Einzug der Königin von Saba" wird in letzter Zeit häufiger als Orgelstück zum Einzug der Braut gewünscht, darauf bezieht sich der Titel und signalisiert damit auch eine mögliche Spannung im Ablauf des Gottesdienstes: Wer als "Königin von Saba" mit der entsprechenden Musik einzieht und am Altar dem Ehemann vom Vater übergeben wird, wer seine Partnerin beim Einzug in strahlendem Glanz sieht als "Queen for a day" - diese Queen und ihr Verehrer sind zwar im Alltag längst Eltern, inszenieren sich aber noch einmal als Paar und werden dann  wie im Zeitraffer zwischen "You may kiss the bride now" und Taufevangelium zu Eltern. Je nachdem, wie sich das Kind verhält, wird die romantische Inszenierung manchmal ein bisschen gestört, etwa wenn die "Königin von Saba" nach dem Gottesdienst schnell die Windeln wechseln muss, weil das Kind dafür nur die Mama akzeptiert. Oder weil das schöne Kleid im Lauf des Tages kleine Schuhspuren bekommt….

Bei der Traufrage haben Sie bewusst beide Antwortmöglichkeiten eingeräumt, der Bräutigam wählte die Formel "Ja, ich will", die Braut "Ja, mit Gottes Hilfe". Ist das für Sie ein Problem, kommt das häufiger vor?

Neuhaus: Das hatte mit dem Paar zu tun, war aber nicht das erste Mal. In diesem Fall, bei "Sascha und Nina", sind zwei sehr unterschiedliche Lebensgeschichten mit Glauben und Religion zusammen gekommen. Nina ist kirchlich geprägt, während Sascha in Ostdeutschland ganz ohne Kontakt mit der Kirche aufgewachsen ist. Bei der Traufrage habe ich ihm angeboten zu klären, wie eine ehrliche Antwort für ihn aussehen kann, bei der weder er noch Familie und Freundeskreis sagen würden: Das kommt ja wohl nicht von Herzen, das meint der Sascha doch nicht ernst…

Welche Rolle spielt die Zugewandtheit in diesem Gottesdienst?

Neuhaus: Es spielt in jedem Gottesdienst eine große Rolle, dass ich wahrnehme: Wer ist da, wie sind diese Menschen gestimmt, was prägt ihr Leben und ihren Glauben, damit ich nicht "über die Köpfe hinweg" bete und predige. Zugewandt sein heißt ja auch, Menschen zu Herzen zu reden und aufzunehmen, was sie beschäftigt. Bei Trauungen, Taufen und Beerdigungen ist das natürlich besonders leicht, weil es lange persönliche Gespräche zur Vorbereitung gibt.  

Ein "Traufgottesdienst", der Hochzeit und Taufe verknüpft,  ist natürlich immer ein höchst emotionales Ereignis, wie viel von dieser besonderen, drei Personen besonders in den Blick nehmenden Atmosphäre, lässt sich auch in einen Sonntagsgottesdienst einbringen?

Neuhaus: So ein "Traufgottesdienst" ist ja aus dem alltäglichen Leben heraus gehoben und lebt von der Besonderheit. In einen Sonntagsgottesdienst kommen die Menschen mit ihrer alltäglichen Gestimmtheit. Mit Sorgen, Hoffnungen, Dankbarkeit, Suche nach Orientierung oder Kontakt und so weiter. Eine persönliche Atmosphäre der Zugewandtheit in dieser Alltäglichkeit ist daher eine andere Aufgabe im Pfarrberuf. Das unterscheiden zu können und nicht aus jedem Gottesdienst ein Event zu machen, halte ich für die wahre Kunst.

"Dass Menschen im Gottesdienst Raum finden für das, was sie bewegt, dass sich im Licht Gottes etwas klärt, das war mir das Wichtigste"

Die Juroren lobten "eine Feier, bei der man gern dabei gewesen wäre". Wie viel Feier muss in jedem Gottesdienst stecken?

Neuhaus: Eigentlich ist doch jeder Gottesdienst genau das: eine Feier. Wie bei einem Fest bin ich unter Menschen, die ich im Alltag nicht ständig treffe und die oft sehr anders sind als ich. Ich höre Musik von einem besonderen Instrument. Ich singe auch mal wieder selber, was ja oft richtig erhebend ist im Zusammenklang mit anderen. Ich muss nichts machen, sondern einfach da sein. Und es kann sein, dass ich anders nach Hause gehe als ich gekommen bin.

Welchen Stellenwert hat der Gottesdienst für Sie im Rahmen Ihres Berufes als Pfarrerin?

Neuhaus: Der Gottesdienst ist zusammen mit der Seelsorge das Herz meiner Arbeit als Gemeindepfarrerin gewesen. Für mich selber war die Vorbereitung mit der Arbeit an Bibelworten und den Überlegungen zur Situation von Menschen, die zum Gottesdienst kommen immer eine besonders konzentrierte Zeit in der Woche. Dazu kam die erfreuliche und inspirierende  Zusammenarbeit mit Kantor und Kantorin, da hatte ich es in der Petersgemeinde richtig gut.Ich habe in der Verbindung von Bibel und Alltag oft neue Sichtweisen entdeckt und Orientierung gefunden. Davon etwas so weiterzugeben, dass Menschen im Gottesdienst Raum finden für das, was sie bewegt, dass ihre Lebenskraft gestärkt wird und sich im Licht Gottes etwas klärt, was in ihrem Leben vielleicht gerade unklar ist – das war mir das Wichtigste.